Verarbeitung & Umgang mit einer Krebsdiagnose
Für die Betroffenen ist es gleichermaßen ein großer Schock, wenn der Arzt sagt: „Sie haben Krebs!“ Was passiert da beim Patienten und der Patientin? In aller Regel beginnt die Zeit einer Instabilität, ein psychisches Loch tut sich auf, Auf und Abs prägen den Alltag, Ängste machen sich breit, Trauer setzt ein. Wie schafft man es, aus diesem Tiefpunkt herauszukommen, wie gewinnt man Lebensqualität zurück bzw. findet Stärke in neuen Bezugssystemen? Welchen Beitrag kann Selbsthilfe hier leisten und wo kann man sich weiters Hilfe holen, welche professionellen Unterstützungsangebote gibt es?
Diese Fragen und noch viel mehr beantwortet in diesem Expertengespräch Prof. Anja Mehnert-Theuerkauf auf einfühlsame Weise. Sie ist Inhaberin des Lehrstuhls für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Leipzig und forscht seit vielen Jahren zur Wirksamkeit der Sparte Psychoonkologie.
Prof. Mehnert-Theuerkauf sagt: „Wir wissen sehr genau darüber Bescheid, was die Patienten und Patientinnen belastet und wie sie ihre Krankheit verarbeiten. Jeder zweite Krebspatient fühlt sich durch seine Krebsdiagnose belastet. Die Betroffenen sind erschöpft, traurig oder fühlen sich leer und können schlecht schlafen. Rund 30 Prozent aller Krebspatienten leiden sogar unter schwerwiegenderen psychischen Problemen wie Angst- und Anpassungsstörungen oder Depressionen. Hier kann durch professionelle Unterstützung geholfen werden.“
Inhalt des Podcasts
Es gibt ja verschiedene Phasen nach der Diagnose einer Krebserkrankung. Vielleicht geht der eine oder andere mit einer gewissen Vorahnung in das Arztgespräch, aber dennoch ist es für die Meisten ein großer Schock, wenn der Arzt sagt “Sie haben Krebs”. Was passiert da bei dem Patienten?
Also es ist so, wie Sie schon gesagt haben, dass am Anfang, gerade bei der Diagnosestellung, manchmal gehen da ja noch belastende Untersuchungen mit einher, ist es für die meisten Menschen erstmal ein großer Schock, eine Verunsicherung. Und viele Fragen treten auf. Man muss es erstmal verarbeiten. Die Diagnose auch erstmal verstehen. Das ist ja auch nicht ganz einfach bei den vielen medizinischen Fachausdrücken, die da häufig verwendet werden und so dass viele Betroffene in dieser ersten Phase, das sind vielleicht Tage bis zu Wochen, erstmal überhaupt wie in so einem Schockzustand sind, emotional kann man das vielleicht als so Auf und Ab beschreiben, um überhaupt erstmal zu begreifen, was bedeutet das für mein Leben und in der Medizin ist es ja heute so, dass sehr schnell auch dann die Behandlung erfolgt. Es heißt es geht dann für viele auch Schlag auf Schlag. Nach der Diagnose erfolgt recht zeitnah häufig ein Behandlungsplan. Das ist zum Beispiel Operation, Bestrahlung, Chemotherapie. Das sind auch alles Dinge, die sehr viel Angst auslösen können. Und so dass es häufig eine ganz ganz belastende Situation ist für die Betroffenen, aber eben auch für das Umfeld. Das heißt die Angehörigen, die oft da genauso mit betroffenen sind und das ist dann so die Phase, vielleicht das erste Diagnosestellen, das erste halbe Jahr, die sehr belastend ist, was ich ja schon gesagt habe. Und auf der anderen Seite beobachten wir aber auch häufig, dass das ja natürlich auch mit sehr viel Aktivität verbunden ist und dass auch da eben auch was getan wird. Das heißt auch wieder sozusagen, vielleicht keine Entlastung ist, aber es ist eine Phase von-, wo viel los ist. Wo man vielleicht auch etwas verdrängen kann. Wo die Betroffenen, wenn sie dann behandelt werden, was auch belastend sein kann, aber dass dort auch sehr viel Hoffnung natürlich mit verbunden ist. Also schlägt die Behandlung an? Jetzt muss ich das erstmal durchstehen und natürlich verbunden ist mit der Hoffnung auf Heilung für die meisten der Patienten.
Was können Sie sagen, welche unterschiedlichen Reaktionen treten seitens der Betroffenen auf? Ich nenne mal Stichworte wie Schockphase, Verweigerungshaltung, Abwehr oder Verdrängung.
Also aus der Psychotherapie oder Psychologie wissen wir, dass Menschen auf der einen Seite sehr gleich aber auch individuell unterschiedlich also von Person zu Person unterschiedlich auf so einen Stress reagieren. Und es ist ja ein Stress im Grunde genommen so eine Diagnosemitteilung und in der Psychologie sprechen wir zum einen von Abwehrmechanismen. Jeder hat das schon mal gehört, dass man irgendetwas verdrängt oder verleugnet. Und man kann sich das so vorstellen, dass die Abwehrmechanismen und der Abwehr so ein bisschen das Immunsystem der Seele sind, das heißt dass etwas, was uns zu stark belastet, erstmal verdrängt wird. Und das ist eigentlich auch ein ganz gesunder Mechanismus. Und wir haben auf der anderen Seite so die bewusste Verarbeitung und in dieser Schockphase nenne ich sie mal nach der Diagnosemitteilung oder nach der Mitteilung der Behandlungsoption, die jemand hat, eben manchmal auch sehr belastend sein kann, erleben wir eben häufig beides. Dass Patienten Dinge verdrängen. Das kann zum Beispiel sich so äußern, dass jemand sagt “Ich weiß eigentlich gar nicht so viel über meine Diagnose”, obwohl man sozusagen vollständig aufgeklärt worden ist. Oder dass jemand das erstmal so beiseiteschiebt. Und auf der anderen Seite haben wir Patienten, die ganz akribisch nach Informationen suchen. Alles wissen wollen, ins letzte Detail sozusagen nach Informationen suchen. Und oftmals besteht auch beides nebeneinander. Also es ist nicht ein entweder oder. Es ist manchmal auch ein sowohl als auch und das Begreifen einer schweren Diagnose oder so einer Situation dauert in der Regel Tage bis hin zu Wochen, bis man wirklich verstanden hat, begriffen hat im wahrsten Sinne des Wortes, was bedeutet das für mein Leben. Und es ist so eine Annäherung an die Wahrheit, die vielleicht irgendwo in der Mitte steht und der Patient als auch der Angehörige müssen sich langsam daran annähern.
Und was erleben Sie im Bezug auf die weitere Verarbeitung und den Umgang mit der Situation?
Also was wir-. Wir sehen bei den Patienten, aber auch bei Angehörigen zum einen so eine emotionale Instabilität, die ganz normal ist, eigentlich. Gerade in dieser ersten Phase. Das heißt, dass jemand sagt “Ich erkenne mich gar nicht wieder”. So ein emotionales auf und ab. Genauso häufig und häufig auch längerfristig in den Erkrankungsphasen sind starke Ängste. Also Ängste vor dem, was da jetzt auf mich zukommt. Angst vor der Behandlung auch und es sind ja zum Teil sehr sehr invasive, das heißt auch sehr einschneidende Behandlungen, die selbst mit vielen körperlichen Belastungen wieder einhergehen. Und dann ist natürlich auch Traurigkeit vorhanden, die eben bis zu einer Depression auch reichen kann. Also Niedergeschlagenheit zum Teil auch vermischt mit so einer starken Erschöpfung vertiegt, die dann meistens etwas später nach der Behandlung auftritt und wir wissen ganz gut, dass jeder dritte Patient, also etwa ja 30 Prozent an einer schwereren psychischen Belastung, manchmal auch psychischen Störung leidet. Also Angststörung, Depression, Anpassungsstörung. Also Reaktion auf einen starken Stressor und jeder zweite Patient sich selbst stark belastet fühlt. Also das heißt so diese ja auch normalen Sorgen, Ängste, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit hat. Ein Teil dieser psychischen Belastung ist sicher ich sage mal adaptiv. Das heißt, das ist so ein Psycho-Begriff sage ich mal (lacht), ein Begriff aus der Psychologie. Adaptiv heißt, dass wenn wir einen Stressor haben, so eine normale Anpassungsreaktion. So wie wenn jemand zum Beispiel einen Verlust hat, Trauer und Traurigkeit auch so eine normale Reaktion ist, die uns hilft, mit diesem Verlust auch umzugehen und so ist es hier auch. Und trotzdem schauen wir natürlich immer, wie können wir Betroffenen helfen oder wie können sie sich auch selber helfen, trotzdem eine gute Lebensqualität und eben auch längerfristig eine nicht zu starke Belastung zu haben. Und da hilft natürlich das darüber Sprechen. Dass ich meinem Umfeld-. Also es ist so ein altes Sprichwort, was tatsächlich auch zutrifft, geteiltes Leid ist halbes Leid. Dass heißt, dass ich Kontakt suche, dass ich mir Entlastung auch schaffe. Dass ich auch sortiere für mich selbst. Was sind das für Belastungen? Manchmal haben die Betroffenen so einen riesigen Berg vor sich und da kann es eben hilfreich sein, zu schauen, zu sortieren, in so viele kleine Berge oder, die nicht mehr ganz so bedrohlich sind und auch zu sortieren, was kann ich jetzt lösen, was steht später an, wo brauche ich vielleicht Unterstützung von außen. Wo kann ich diese Unterstützung bekommen? Wer kann mir helfen? Also das kann auch schon entlastend sein.
Welcher Verlauf der psychischen Verarbeitung bei einer Krebserkrankung ist wissenschaftlich bekannt?
Was wir von der Wissenschaft her-. Was sich häufig zeigt oder was so ein typische Verlauf ist, sage ich mal so, dass nach dem Diagnoseschock folgt die Phase der Behandlung, in der eben sehr viel passiert und die eben an sich körperlich häufig sehr belastend ist, aber wiederum auch viele Betroffene sagen “Ja ich habe trotzdem das Gefühl, jetzt wird endlich was getan gegen die Erkrankung und ich kann selber viel dazu tun, wieder gesund zu werden”. Das ist auch eine Phase von Aktivität. Und nach der Behandlung vielleicht schließt sich eine Rehabilitation an, folgt dann manchmal so eine Phase, die- wo die Patienten psychisch eher in so ein Loch fallen. Dass sie sagen “jetzt habe ich diese krasse Behandlung hinter mich gebracht und eigentlich sollte es mir jetzt besser gehen, es geht mir aber nicht besser. Und jetzt sollte ich eigentlich in mein altes Leben zurückkehren, aber es ist nicht mehr da und ich habe vielleicht auch nicht die Kraft sozusagen jetzt erstmal mich wieder mein neues Leben aufzubauen, um das vielleicht mal so zu formulieren und hier ist auch häufig eine Phase, in der die Patienten sich auch psychologische Hilfe suchen oder auch in Selbsthilfegruppen oder Selbsthilfe gehen, weil sie einfach merken, dass sie ja einfach Unterstützung brauchen oder einfach selber Zeit brauchen, um sich zurechtzufinden, wenn ich mal so formulieren.
Muss eigentlich jeder Patient durch diese Phasen der Verarbeitung gehen?
Ich würde vielleicht nicht sagen müssen, aber es ist ein häufiger Verlauf, den wir beobachten. Es gibt natürlich immer individuelle Unterschiede. Es gibt manche Patienten, die am Anfang ganz stark belastet sind und dann in ihr normales Leben sage ich mal, wie auch immer das aussieht, sehr schnell zurückfinden und dauerhaft gar nicht belastet sind und es gibt auch Patienten, die erst nach zwei Jahren merken, irgendwie brauche ich doch mal ich will jetzt nicht sagen eine Auszeit, aber wo das eher später nachwirkt und die sagen “Ja ich merke die Belastung eigentlich erst jetzt so nach dieser Zeit”.
Können Sie uns Beispiele aus der Praxis schildern, die aufzeigen, wie unterschiedlich Menschen mit der Verarbeitung umgehen?
Also es gibt zum Beispiel Patienten, die sehr ängstlich sind und die zum Beispiel dann sehr nach Informationen suchen und zum Beispiel im Internet recherchieren. Und wenn man im Internet einmal anfängt, zu recherchieren, findet man ja alles. Und man findet natürlich auch viele Dinge, die zum Teil hilfreich sind, aber man findet auch viele Dinge, die überhaupt nicht hilfreich sind und wo man sagt: Oh Gott, was kommt denn da jetzt alles und was kann alles passieren? Wenn man sage ich mal so eh dazu neigt, vielleicht eher ängstlich auf solche Dinge zu reagieren, kann man sich auch wirklich in so einen Angstkreislauf reinmanövrieren, dass man dann noch sehr viele- noch ängstigende Informationen findet. Und da ist vielleicht ein Patient, der sagt “Wissen Sie was, mir reicht erstmal das, was ich weiß und ich lasse das erstmal sozusagen belasse es erstmal dabei und suche jetzt nicht noch nach Details.” manchmal hilfreich, obwohl natürlich der informierte Patient sicher wichtig-. Also sagen wir mal, der informierte Patient bessere Bewältigungsmöglichkeiten auch hat, aber manchmal sind zu viele Informationen auch nicht mehr hilfreich.
Wie kommt man da raus, wenn man einmal angefangen hat zu lesen und von Seite zu Seite klickt und mehr und mehr Informationen richtig oder falsch hat. Wie kommt man aus diesem Teufelskreis- wie kann man sich da stoppen?
Also tatsächlich indem man aufhört, diese Informationen zu lesen, indem man sich bewusst macht, erstmal wo bekomme ich richtige Informationen her oder Informationen, die valide sind, die wissenschaftlich geprüft sind, die auch wirklich richtig sind. Und da dass ich mich an Organisationen wende. Ob das jetzt die Deutsche Krebshilfe zum Beispiel ist oder die Deutsche Krebsgesellschaft oder eben diesen Krebsinformationsdienst, die mir dabei auch helfen können. Aber es kann auch hilfreich sein, sich selber zu fragen, was suche ich eigentlich? Oder wonach suche ich? Suche ich wirklich nach noch mehr Informationen? Oder suche ich nach anderen Dingen? Vielleicht nach Kontakt zu anderen Betroffenen. Auch da ist es manchmal hilfreich zu sagen ok, wenn ich nach Kontakt suche, dann vielleicht mich an eine Selbsthilfeorganisation zu wenden oder eben an einen Psychoonkologen, der mir vielleicht hilft, mich auch zu entlasten, als dass ich da ich sage mal nachts stundenlang im Internet mich bewege und für mich vielleicht erschreckende Sachen lese.
Wie bewerten Sie diese Informationen, die man ungefiltert im Internet finden kann und auf die man teilweise auch unfreiwillig stößt?
Ja also man findet alles. Man findet natürlich auch unglaublich hilfreiche Kommentare und auch Menschen, die von sich berichten und man ist einfach dünnhäutiger, das kommt ja noch hinzu. Und von daher muss man sich da wirklich-. Muss man wissen, worauf man sich da einlässt, wenn man sich da so in die Tiefen des Internets begibt. Sie haben mich ja gefragt, was ist hilfreich oder gibt es Patientenbeispiele und ich glaube, dass in so einer Belastungssituation tatsächlich was wir sehen, was hilfreich ist, dass man wirklich auch erstmal ein bisschen, ich sage nicht von Tag zu Tag lebt, aber dass man wirklich ein bisschen sortiert und sagt, was steht erstmal jetzt an. Jetzt ist die Diagnose da, dass ich mich vielleicht nochmal informiere. Das ist auch sicher sinnvoll, eine Zweitmeinung einzuholen, aber es ist vielleicht nicht mehr sinnvoll, eine Zehntmeinung einzuholen. Dass ich auch gucke, wo bekomme ich eine gute Zweitmeinung her, wenn ich da vielleicht auch mich gerne nochmal rückversichern möchte und dass ich aber auch dann gucke, was es für Behandlungsoptionen gibt es. Fühle ich mich sozusagen-. Bin ich zufrieden mit dem Arzt, mit der Ärztin mit dem Behandlungsteam? Und wie sieht die Behandlung aus? Was stehen für Fragen an? Dass ich mir Unterstützung suche. Dass ich gucke, wenn ich selber Dinge nicht leisten kann, wer kann mir hier helfen? Also zum Beispiel können es Familie, Freunde sein, Es kann eben aber auch professionelle Unterstützung sein, zum Beispiel die Krebsberatungsstelle. Brauche ich Informationen für meinen Arbeitgeber? Das sind ja alles auch Fragen, die eine Rolle spielen könnten. Muss ich meinen Alltag umorganisieren? Und dass ich mich so ich sage mal Stück für Stück da erstmal mich auch organisiere. Das ist ja ein wichtiger Teil auch gerade in dieser frühen Phase. Und dass ich eben Menschen habe, die mich emotional und seelisch auch, die mir guttun. Das können eben Freunde sein oder die Familie und dass müssen- das ist ja auch ein Prozess. Das geht ja nicht von heute auf morgen. Weil keiner von uns kennt sich ja häufig in so einer Situation. Das heißt, dass ich auch erstmal gucke, was brauche ich jetzt selber. Was tut mir jetzt selber gut? Und es tut manchen Menschen gut, mit anderen zu sprechen und manchen Menschen tut es eben eher gut zu sagen, ich muss jetzt erstmal für mich sein und ich muss jetzt erstmal alleine sein, muss das erstmal für mich selber sortieren und dass man da auch ein bisschen auf die innere Stimme hört und guckt, was brauche ich jetzt in den nächsten Tagen und Wochen und auch vielleicht flexibel genug bin, um zu gucken, ich kann ja vielleicht auch- vielleicht tun mir Gespräche gut, aber im Moment nicht. Reicht ja auch noch in zwei Monaten.
Nochmal gefragt als Orientierung. Welche Phasen können Sie nennen, die es bei der Verarbeitung einer Krebserkrankung geben kann?
Also nach der-. In der akuten Stresssituation oder kurz danach haben wir Verarbeitungsmechanismen, die wir als Psychologen auf der einen Seite einteilen in die sogenannten Abwehrmechanismen, das haben die meisten Menschen schon mal gehört, also so etwas wie Verleugnung, Verdrängung. Das heißt bedrohliche Dinge werden erstmal weggedrängt. Das ist ein ganz natürlicher Mechanismus. Man kann es sich auch so vorstellen, dass die Abwehrmechanismen sind so ein bisschen wie das Immunsystem der Seele. Das heißt, das was uns zu stark belastet, wird im Unbewussten oder Halbbewussten erstmal belassen. Das heißt es kann sich zum Beispiel so äußern, dass ein Patient sagt “Ich weiß eigentlich gar nichts Genaues über meine Diagnose.”, obwohl er vollständig aufgeklärt worden ist. Dass eben diese bedrohlichen Inhalte erstmal weggedrängt werden oder verleugnet werden. Und in der Regel wird das mit der Zeit also es sind Tage, Wochen wird es sozusagen eher zu einer aktiven Verarbeitung kommen. Manchmal ist es auch- kann es nebeneinander bestehen und dieser aktive Verarbeitungsprozess oder primär aktive Verarbeitungsprozess, wir nennen das Coping von dem englischen Wort to cope umgehen mit, auch manchmal als Krankheitsverarbeitung oder häufig als Krankheitsverarbeitung genannt, ist eher so ein eher aktives Umgehen mit der Situation. Das heißt Patienten sind zum Beispiel auf Informationssuche. Versuchen eine aktive Problemlösung. Das heißt, gehen Probleme aktiv an, das heißt, was kann ich jetzt mit der Situation- wie kann ich mit der Situation umgehen? Was ist hier hilfreich? Oder eben suchen auch eine emotionale Entlastung also üblicherweise Dinge wie Niedergeschlagenheit oder Wut, Trauer, weinen sind eigentlich ein aktiver Umgang und auch eine Entlastung mit der Erkrankung. Denn wir alle kennen das, dass wir sozusagen dann häufig hinterher entlastet aus der Situation rausgehen.
Jetzt will man als Partner oder als direkter Angehöriger oder vielleicht Freund nicht tatenlos bleiben. Kann man in dieser schweren ersten Phase hier in irgendeiner Art und Weise hilfreich beziehungsweise unterstützend sein?
Naja sozusagen man kann gar nicht so hilfreich sein (lacht), weil das eben zum Teil einfach auch unbewusste Prozesse sind. Von daher ist das Wort Haltung gar nicht so- es ist keine Haltung, die ich einnehme, sondern es ist einfach ein Mechanismus, der quasi ein Schutzmechanismus sozusagen unserer Psyche, unserer Seele, dass Inhalte zum Beispiel eben der Diagnose verdrängt werden oder verleugnet werden. So dass sozusagen das gar nicht so bewusst geschieht und ich da eben als Außenstehender gar nicht manche bewusst eingreifen kann sozusagen. Aber was trotzdem glaube ich für Menschen in der Situation wichtig ist zu wissen, dass diese Phase, diese sage ich mal diese emotionalen Aufs und Abs am Anfang oder dass man am Anfang wie in so einem manchmal ja auch wie in so einer Blase sich bewegt, dass das normal ist und dass die meisten Menschen in einer solchen Situation so erleben, dass es Phasen gibt, wo ich verdränge, verleugne, wo ich erschüttert bin, wo ich auch verzweifelt bin. Es wechselt sich eben häufig auch ab und ich glaube die Angehörigen können in so einer Phase auch beruhigend wirken und eben auch strukturierend wirken und einfach auch Hilfestellung geben, in dem sie eben gucken, was braucht der Patient oder was braucht mein Angehöriger? Und eben sozusagen da unterstützend wirken. Also ich glaube, was vielleicht noch wichtig ist, dass eben die Verarbeitung einer Diagnose einfach auch Zeit braucht. Dass es eben nicht innerhalb von Stunden oder Tagen geht, sondern dass es einfach ein Prozess ist. Natürlich sind Menschen schnell wieder funktionsfähig, aber bis man sowas wirklich verarbeitet hat, ist einfach mehr Zeit oft notwendig und viele Betroffene berichten das auch, dass sie erst nach einem Jahr wirklich auch verstanden haben, was das für ihr Leben bedeutet und dass man aber auch sich diese Zeit auch nehmen darf.