Veränderungen durch Krebs
Thomas Müller sagt:
Worin hat mich die Krankheit verändert? In der Denkweise über das Leben per se. Und die Tatsache, dass das Leben endlich ist. Dass ich eben heute leben muss und nicht weiß, ob es morgen immer noch ein Leben gibt. Und genauso lebe ich im Prinzip auch. Jetzt nicht, dass ich es mir sage: „Heute ist vielleicht der letzte Tag in meinem Leben.“ Aber ich lebe irgendwo doch schon bewusster, also schon-. Ich lasse mich nicht treiben von irgendjemand und sagen: „Du musst.“ Das ist für mich eine der schlimmsten Aussagen, die es gibt. Wenn zum Beispiel meine Mutter zu mir sagt: „Du musst jetzt das.“ Dann sage ich: „Mutter, stopp. Ich muss sterben, aber sonst muss ich nichts.“ Und das Recht nehme ich mir im Prinzip auch. Die Erkrankung gibt ja eigentlich den Anstoß dazu, das auch wirklich durchzuziehen, zu sagen: „Nein. Das möchte ich nicht.“ Das ist ein gewisser, ich nenne das mal gesunder Egoismus. Das ist ja-, das ist ja eine sehr, sehr wichtige Sache. Zum Beispiel ich sitze und es kommt jemand und setzt sich neben mich und: „Ist hier noch frei?“ Dann sage ich: „Ja. Selbstverständlich, setzen Sie sich hin.“ Und der sitzt und fängt dann irgendein Gespräch mit mir an. Und dann kann ich auch schonmal sagen: „Entschuldigung. Ich habe keine Lust auf Gespräche. Ich möchte einfach nur frühstücken.“ Das ist eine Sache, wo man sagt, das ist vielleicht unhöflich, aber das bin ich. Ich habe in dem Moment keine Lust und das muss der andere letztendlich auch akzeptieren. Und ich akzeptiere das selbstverständlich auch. Das sind Dinge, die lernt man durch diese-, durch dieses einschneidende Ergebnis mit dieser-, Erlebnis mit dieser Diagnose. In der Öffentlichkeit, also bei der Bäckerei oder beim Metzger, dann bei der Bestellung von drei Brötchen und dem Brot, gehen schon teilweise etliche Köpfe rum und schauen dann, wer mit dieser Stimme spricht. Am schönsten ist es eigentlich mit Kindern. Die sind völlig unbedarft und schauen Dich dann auch an und sehen: Der macht da irgendwas und sagen dann schonmal: „Was hast denn Du da?“ Oder: „Wie sprichst denn Du?“ Oder so. Die Kinder, wenn man denen das erklärt in zwei, drei Worten und dann haben die das schon abgehakt. Dann ist das für die ganz normal. Ja, der Onkel spricht eben so. Fertig, aus. Das ist auch eine ganz tolle Erfahrung. Mit Kindern ist eine ganz tolle Erfahrung. Erwachsene sind eben von ihrer Art her schon eher zurückhaltend und sind dann, wenn sie es sehen: Da stimmt irgendwas nicht. Der ist nicht nur erkältet, sondern der hat was. Und dann sind die schon eher zurückhaltend und fragen wenig und schauen auch teilweise weg. Und ich gehe da relativ offen mit um. Also ich frage dann auch teilweise: „Kann ich Ihnen helfen? Möchten Sie irgendwas wissen?“ Ich bin ja da relativ offen, was das-, was diese Art von Kommunikation angeht. Dadurch, dass ich in der Selbsthilfe eben sehr engagiert bin, möchte ich eben auch, dass die Leute wissen um was es da geht, ja? Damit man keine Ressentiments hat, dass-, damit man damit eben auch offen umgehen kann.
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