Was man gewinnen und verlieren kann
Evelyn Kühne sagt:
Ich bin durch den Krebs zur Autorin geworden. Ich bin zum Schreiben gekommen. Ich habe nach der Krebsdiagnose zunächst erstmal wieder versucht, ins Leben zurück zu kommen. Irgendwann kriegt man ja dann gesagt: „Sie sind gesund.“ Ich habe mir wieder eine Arbeit gesucht und habe dann aber festgestellt, dass mir irgendwo die Kraft für diese Arbeit fehlte, musste die wieder aufgeben, es ging nicht. Und es begann eine endlose Ursachensuche. Warum war ich so erschöpft und krank? Und man hat mich dann zu einer Psychoonkologin geschickt, überwiesen und die stellte fest, dass ich sehr viel mit meinem Körper, mit mir selbst gehadert habe. Weil, irgendwo hatte ich so das Gefühl, mein Körper lässt mich so im Stich. Warum funktioniert er nicht mehr? Und da hat sie mir so als kleinen Tipp gegeben: „Schreiben Sie doch einfach mal auf, was Sie alles schon durchgemacht haben in letzter Zeit. Angefangen bei Ihrer Erkrankung, die ganzen Behandlungen. Bringen Sie das mal zu Papier. Stichpunktartig oder machen Sie eine Geschichte daraus.“ Und das habe ich gemacht, das habe ich aufgeschrieben. Das war sehr heilsam. Ich habe an meinem Laptop gesessen und habe teilweise geheult ohne Ende. Aber mir wurde halt auch bewusst, was habe ich alles durchgemacht in den letzten Monaten, was ist da alles gewesen? Wie hat mein Körper mich getragen? Während so einer Behandlung, da strömt so vieles auf einen ein. Man hat da einen Arzttermin, dort eine Untersuchung, OPs und das ist alles so, wenn man zurück schaut, ist das so wie im Nebel dann nur noch. Man hat gar keine Erinnerung mehr so richtig daran und da ist es gut, das mal zu Papier zu bringen und mal zu überlegen, was bist Du alles für Schritte gegangen in den letzten Monaten? Und ja, dann irgendwann war das fertig. Es war zu Papier gebracht, es war geschrieben und ich habe für mich festgestellt, och, das hat mir unheimlich viel Freude gemacht, aufzuschreiben. Und ich habe mit anderen Frauen gesprochen, die gesagt haben, ach, ich tue jetzt Töpfern, ich tue Malen und ich habe so gedacht, dieses Schreiben, das ist irgendwie toll. Das mache ich weiter, das kann ich irgendwo so auch in mein Leben integrieren in meinem Rhythmus schreiben. Wenn es mir gut geht, schreibe ich, wenn es mir nicht gut geht, schreibe ich halt nicht. Und ja, so kann man sagen, bin ich zur Autorin geworden, weil, ich habe dann einfach weiter geschrieben. Ich habe durch die Krebserkrankung gewonnen, dass ich das Leben jetzt viel viel bewusster lebe wie früher. Dass ich viel mehr im Hier und Jetzt bin, dass ich die Dinge in Dankbarkeit annehme, überhaupt annehmen, was ich früher manchmal schlecht konnte. Also es gibt sehr sehr viele positive Effekte. Was habe ich verloren? Vielleicht ein Stück weit diese Unbeschwertheit, einfach so in den Tag rein zu leben und sich zu sagen, man hat noch 40, 50 Jahre. Ich glaube, das ist so ein Stück weit verloren gegangen, dass man halt jetzt halt weiß, es kann eventuell mal ganz schnell vorbei sein. Das hat man immer gewusst. Aber durch diese Erkrankung ist mir das noch mal bewusster geworden. Also ich glaube, so eine kleine Leichtigkeit, die ist verloren gegangen.
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