
Kraft erhalten durch Kraft schenken
Wenn Annette Wenz ihre Geschichte erzählt, wird schnell deutlich, wie sehr im Leben der schönste und der traurigste Moment eng beieinander liegen können: Als sie im Alter von 20 Jahren ihren Sohn Domenik geboren hat, war sie überglücklich. Alles schien perfekt zu laufen. Doch zu diesem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, dass sich ihr Leben kurze Zeit später durch einen Schicksalsschlag noch einmal grundlegend ändern sollte. Die Ärzte diagnostizierten bei ihr eine chronisch myeloische Leukämie (CML).
Seit 35 Jahren bestimmt die Erkrankung nunmehr ihr Leben. Im Interview mit Stephan Pregizer erzählt sie, wie sie immer wieder Kraft im Ehrenamt findet. Als gelernte Kosmetikerin und Visagistin bringt sie bei Schminkkursen wieder Zuversicht in das Leben vieler Krebs betroffener Frauen und schenkt ihnen neue Kraft.
Mit den deutschlandweit stattfindenden Seminaren der DKMS-Life Look good – feel better schenkt Annette anderen viel positive Energie. Sie sagt:
Es lohnt sich zu kämpfen und mit einem Hauch von Farbe wieder ein Lächeln zu erhalten!
Für 20 Jahre ehrenamtliches Engagement erhielt sie 2016 einen Charity-Preis.
Das Interview zum Nachlesen:
Moderator: Herzlich willkommen meine Damen und Herren. Manchmal liegen im Leben die schönsten und die traurigsten Momente ganz eng beieinander, wie unser heutiger Gast zu erzählen weiß. Kurz nach der Geburt ihres Sohnes Dominik hat Annette im Alter von 20 Jahren die niederschmetternde Diagnose Leukämie erhalten. Wie sie durch diese und andere schwere Lebenskrisen ging und es geschafft hat, mit vier Rückfällen umzugehen, wird sie uns im Interview gleich erzählen. Die gelernte Kosmetikerin und Visagistin sagt: „Es lohnt sich zu kämpfen und mit einem Hauch von Farbe wieder ein Lächeln zu bekommen.“ Jetzt freuen wir uns, dass sie heute hier ist und im roten Survivor Chair Platz genommen hat. Herzlich willkommen, Annette Wenz.
Annette Wenz: Ich freue mich auch sehr hier sein zu dürfen.
Moderator: Annette, sei so lieb, erzähle uns deine Geschichte. Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Annette Wenz: Da ich in Köln geboren bin, habe ich eine Leichtigkeit und eine Frohnatur schon in die Wiege gelegt bekommen. Und deswegen war mein Leben vorher ja wie eine Feder so leicht.
Moderator: Wie kam es zur Diagnose Leukämie?
Annette Wenz: Ich habe 1989 im November meinen Sohn zur Welt gebracht. Wie es für einen Rheinländer sich gehört auch am 11.11. Man hat gedacht, man geht so weiter in das Leben, mit dem Kind zusammen und auch mit dem Ehepartner. Das war leider nicht an dem, weil am- genau ein halbes Jahr später, einen Tag vor meinem Geburtstag am 27. Juni 1990 hat man dann eine chronisch myeloische Leukämie diagnostiziert.
Moderator: Wie geht man damit um, wenn man im Alter von 20 Jahren eine solche folgenschwere Diagnose erhält?
Annette Wenz: Das hat mich gelähmt und hat mir auch ja den Boden unter den Füßen weggezogen. Also man ist in so einer Schockstarre, wo man überhaupt nicht realisiert, was das alles mit sich bringt.
Moderator: Woher kommt die Kraft, den ersten Schritt des Weges zu gehen?
Annette Wenz: Die Kraft war immer mein Kind. Ich hatte Angst. Es hat mir sehr viel Angst gemacht, aber ich habe gelernt, damit zu leben und ich habe es integriert. Auch immer wieder es zu erzählen, auch wenn es mancher nicht hören will. Das ist was, was ein Manko in meiner Familie war. Es wollte niemand darüber reden und damals war halt auch diese Schiene noch nicht so ausgebaut, dass ich einen Anlaufpunkt gehabt hätte. Dass man mir gesagt hätte, du gehst jetzt mal vorher zu einem Psychologen, der dich da stabilisiert, der dir da hilft.
Moderator: Hast du das Gefühl, dass deine Eltern damals überfordert waren mit der Situation?
Annette Wenz: Ja. Definitiv. Also, ich bin damals in die Knochentransplantation gegangen und man ist davon ausgegangen, dass ich hinterher nach Hause komme und es ist alles so wie vorher. Und es hat sich einfach dann auch niemand mehr damit beschäftigt. Es war nochmal zusätzlich eine Belastung zu wissen, dass da jetzt niemand ist, der mich auffängt und wo ich dann den Halt kriege. Ich habe dann irgendwann mit einer Therapie begonnen. Das findet auch heute immer noch statt, um das Ganze halt aufzufangen und zu verarbeiten. Weil ich bin selber Mutter und für mich ist eins ganz klar: egal was mit meinem Sohn wäre, ich wäre immer und jederzeit für ihn da.
Moderator: Wie geht man damit um, zunächst bei einer Diagnose Leukämie keine Handlungsoptionen zu haben?
Annette Wenz: Ich bin halt immer davon ausgegangen, dass es irgendeinen Lösungsvorschlag in irgendeiner Schublade gibt, der mich da schon wieder rausholt. Also habe ich mir über die Tragweite überhaupt gar keine Gedanken gemacht. Also mir stand- es stand auch nie in der Frage, ob das gut geht oder nicht. Es stand für mich immer fest, dass ich weiterleben werde.
Moderator: Hat man das Gefühl, dass vorher die Krankheit schon mal im Körper ganz viel ausrichtet und dass jetzt nochmal etwas von außen kommt, etwas Fremdes, was wieder eine extreme Reaktion bei einem hervorruft?
Annette Wenz: Man hat meinem Körper eine große Menge an Knochenmark entnommen. Hat das in Stickstoff eingefroren, als Lebensversicherung, wenn ich das neue Knochenmark abgestoßen hätte. Und ich habe mich halt an dieser Stickstoffreserve festgehalten und habe immer gedacht, wenn das jetzt nicht funktioniert, was das da jetzt mit mir tut, dann möchte ich das bitte wiederhaben, damit ich wieder ich bin. Weil auch die Ganzkörperbestrahlung- man merkt, wie Kräfte schwinden, wie der Körper sich auflöst. Und dann gab es eine Hochdosis Chemotherapie hintendrauf. Weil man macht ja alles, was im Körper ist, tot. Und dann kommt der Tag Null, dann ist der Professor vor der Schleuse gestanden mit dem Koffer in der Hand und hat gesagt: „Ich fliege jetzt nach Frankreich mit dem Hubschrauber und hole dein neues Leben.“ Und hat dann halt das Knochenmark abgeholt, frisch aus Frankreich. Das Mädel lebt in Cannes und ja- und hat mir dann diesen Blutbeutel da angehangen. Ich weiß bis heute nicht, wie es abgelaufen ist. Man hat gewartet auf Reaktionen, die dann auch kamen. Mein Vater hat das alles live miterleben müssen, weil, der hat die ganze Zeit an meinem Bett gesessen, hat mir die „Säulen der Erde“ vorgelesen. Ich musste das Buch hinterher nochmal lesen, weil, ich kann mich daran nicht erinnern.
Moderator: Wie geht das Annette? Wie schafft man das? Einmal den Krebs bereits überlebt zu haben und dann kommt das erste Rezidiv, das zweite und das dritte und jetzt sogar das vierte?
Annette Wenz: Da gab es einen kleinen Jungen und den gibt es immer noch. Da bin ich sehr stolz drauf. Das ist mein Sohn Dominik und ja- das war das- und das war derjenige, wo ich mich immer daran festgehalten habe und habe gedacht, du kannst das Kind nicht alleine lassen. Es ist sonst niemand da. Du möchtest ihn groß werden sehen und möchtest viel schöne Zeit mit ihm erleben und das tue ich es auch. Auch wenn er beruflich nicht bei mir in Augsburg lebt, ist er halt immer an meiner Seite und fragt auch immer nach, Mama, einmal am Tag, ob es mir gut geht. Und ja- das ist ein großer Halt in meinem Leben und das ist etwas, was ich auch niemals missen möchte.
Moderator: Mir drängt sich die Frage auf, wie lebt man 30 Jahre mit Krebs?
Annette Wenz: Ich streiche mir immer über den Arm und sage, er darf in mit wohnen, aber er muss die Füße stillhalten. Und wenn ich jeden Tag die Tragweite reflektieren würde, die mich da einholen kann, dann würde ich kaputt gehen.
Moderator: Das ist eine chronische myeloische Leukämie. Da liegt das Wort chronisch schon mit drin. Würdest du deine Krebserkrankung als eine chronische Erkrankung sehen?
Annette Wenz: Nach den vier Rezidiven muss ich ehrlich sagen, fühlt sich das anders an. Chronisch hört sich ja so an, als ist es still und es ruht. Ich schmeiße jeden Tag eine Chemokapsel ein.
Moderator: Worin hat die Krankheit dich verändert?
Annette Wenz: Es rücken andere Sachen viel stärker in den Fokus. Das ist halt ein gesundes Umfeld zu haben, was einem Kraft gibt, Freundschaften zu pflegen, eine Natur wahrzunehmen, ein Gras zu riechen-. Viele werden sich jetzt denken, was erzählt die da? Wenn man ein halbes Jahr voll isoliert war und kein Fenster aufmachen durfte, ist das ein Einschnitt ins Leben, wie im Gefängnis, nur die dürfen noch das Fenster aufmachen, die haben zwar Gitter davor. Ich konnte noch nicht mal ein Fenster öffnen. Da ist die Wahrnehmung, wie ich das erste Mal wieder nach draußen kam und habe Vogelgezwitscher gehört und habe die Wärme der Sonne gespürt und habe das Gras gerochen, das ist so-. Das kann man sich nicht vorstellen, wie das in einem arbeitet. Und dann fängt man an zu überlegen, was eigentlich gottgegeben ist und deswegen genießt man viele viele Momente in der ganz anderen Form, wie man das vorher getan hat.
Moderator: Du arbeitest seit über 20 Jahren im Ehrenamt und beziehst durch diese Tätigkeit jede Menge Energie. Du hast positive Erlebnisse mit den Frauen, denen du deine Kompetenz, deinen beruflichen Hintergrund zu Teil werden lässt. Magst du uns ein bisschen darüber berichten?
Annette Wenz: Ja, sehr gerne. Das ist mir auch eine Herzensangelegenheit. Bei mir ist es damals so entstanden, dass ich dann nach der Transplantation immer in die Ambulanz musste zu meinem Professor nach München und die Geschäftsführerin hat damals mich in der Ambulanz angesprochen und hat gesagt: „Mensch, ich habe gehört, Sie kommen aus Köln. Sie sind auch vom Fach. Sie sind Kosmetikerin und Visagistin. Hätten Sie nicht Lust, das mit uns aufzubauen?“ Die DKMS LIFE Seminare finden bei verschiedenen Ärzten oder auch an den Kliniken statt. Wir sind mittlerweile sehr sehr gut vernetzt deutschlandweit und diese „look good feel better“ Seminare laufen weltweit. Und ich habe mich dann noch mehr darüber gefreut, dass mein Arbeitgeber 2008 dann auch als Hauptsponsor da mit eingetreten ist. Weil die Patientinnen eine Tasche geschenkt bekommen, wo alle Produkte drin sind, von Pflege über Dekorative, mit dem Haarprogramm, mit der Anleitung auch, dass sie es zu Hause fortführen können und ja, da sind wir ganz ganz stolz darauf, dass wir da so tatkräftig auch unterstützt werden.
Moderator: Was erlebst du konkret in den Seminaren? Welche Reaktionen gibt es?
Annette Wenz: Ich habe zum Beispiel im letzten Seminar in Kassel eine Patientin gehabt, die hatte eine künstliche Nase, was ich zuerst überhaupt nicht gesehen habe. Und sie fragte mich dann, ja, sie hätte da so einen Übergang an der Nasenwurzel, ob man das ausgleichen könnte. Und wenn man dann das ihr zeigen, wie sie kaschieren, kann und wie man das schön ausarbeiten kann und man guckt in diese strahlenden Augen und weiß, was man der Frau gerade Gutes getan hat. Dann ist das für mich wie- es schnippt so viel Lebensenergie in mir an, dass es mir auch zeigt, dass es definitiv sich immer lohnt zu kämpfen.
Moderator: Also ich lerne gerade, indem was du sagst: Es ist mehr wie Schminken bei Krebs?
Annette Wenz: Definitiv. Es ist nicht nur eine soziale Kompetenz, sondern es ist das Fühlen, eine Struktur zu geben. Eine Augenbraue wieder dahin zu zaubern, wo sie hingehört. Da ist es ganz ganz wichtig, die Sicherheit zu geben und zu sagen: „Sie können ruhigen Gewissens irgendwo hingehen und auch den Spaß und die Freude daran haben.“
Moderator: In einem Satz. Was bekommst du aus diesem ehrenamtlichen Engagement?
Annette Wenz: Ich habe 2016 von meinem Arbeitgeber und der DKMS einen Charity Preis für 20 Jahre ehrenamtliche Arbeit bekommen, mit noch zwei anderen Kolleginnen. Ich bekomme eine wahnsinnige Wertschätzung, die mir hilft, immer wieder mich zu fokussieren, was die Krankheit mit mir gemacht hat und was sie mit mir macht.
Moderator: Annette, warum hast du speziell diese Location für unser Interview heute ausgesucht?
Annette Wenz: Ja, das Foto- und Schminkstudio spiegelt das wieder, was im Moment die Relevanz in meinem Leben hat. Und die Spiegel geben einem die Veränderungen im Leben zurück.
Moderator: Wenn du in einen dieser Spiegel schaust, welche Annette, die bald 50 wird, schaut aus dem Spiegel zurück?
Annette Wenz: Aus dem Spiegel schaut zurück eine Kämpfernatur, die auch weiter in der Position sein wird, zu fördern, dass es gerecht zugeht, bei allem was passiert.
Moderator: Was ist dein Tipp für andere Betroffene?
Annette Wenz: Ich muss sagen, sie sollten sich auf gar keinen Fall ins Bockshorn jagen lassen. Weil, wir haben kein gebrochenes Bein, sondern da geht es um ein Leben, um ein Menschenleben. Und da ist es immer wichtig, dass man sich auf die Hinterfüße stellt, um zu seinem Recht zu kommen.
Moderator: Wer ist dein Fels in der Brandung?
Annette Wenz: Mein Sohn. Das ist mein Fels in der Brandung. Der ja zaubert mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht wenn er sagt: „Na, alte Mutti, alles klar?“ Wir nullen alle beide dieses Jahr. Er wird 30, ich werde 50. Keiner meiner Ärzte hätte einen Pfifferling darauf verwettet, dass ich überhaupt so alt werde. Aber ich muss halt natürlich auch sagen, meine Ärzte, die mir das Leben gerettet haben, die sind natürlich auch für mich der Fels in der Brandung. Definitiv.
Moderator: Was magst du an der Annette, wie sie heute ist, besonders gern?
Annette Wenz: Ich bin mit meinen Aufgaben gewachsen und da bin ich sehr stolz drauf und das ist die Annette heute, die mit beiden Beinen im Leben steht und das Leben genießt.
Moderator: Annette, wir sind am Ende unseres Interviews angekommen. Lass dir herzlich Danke sagen. Es verlangt mir sehr viel Respekt und Wertschätzung ab für das, was ich gehört habe und wie ich dich erlebt habe. Und ich wünsche dir persönlich das Allerbeste. Und auf ein Wiedersehen jederzeit.
Annette Wenz: Vielen herzlichen Dank. Das hat mir ganz ganz viel bedeutet.
Transcript
Herzlich willkommen, meine Damen und Herren. Manchmal liegen im Leben die schu00f6nsten und die traurigsten Momente ganz eng beieinander, wie unser heutiger Gast zu erzu00e4hlen weiu00df. Kurz nach der Geburt ihres Sohnes Dominik hat Annette im Alter von 20 Jahren die niederschmetternde Diagnose Leuku00e4mie erhalten. Wie sie durch diese und andere schwere Lebenskrisen ging und es geschafft hat, mit 4 Ru00fcckfu00e4llen umzugehen, wird sie uns im Interview gleich erzu00e4hlen. Die gelernte Kosmetikerin und Visagistin sagt, es lohnt sich zu ku00e4mpfen und mit einem Hauch von Farbe wieder ein Lu00e4cheln zu bekommen.
Jetzt freuen wir uns, dass sie heute hier ist und im roten Survivor Chair Platz genommen hat. Herzlich willkommen, Annetti Menz.
Ich freu mich auch sehr, hier sein zu du00fcrfen.
Annetti, sei so lieb. Erzu00e4hl uns deine Geschichte. Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Da ich in Ku00f6ln geboren bin, hab ich eine Leichtigkeit und eine Frohnatur schon in die Wiege gelegt bekommen. Und deswegen war mein Leben vorher, ja, wie eine Feder so leicht.
Wie kam's zur Diagnose Leuku00e4mie?
Ich habe neunzehnhundertneunundachtzig im November meinen Sohn zur Welt gebracht, wie's fu00fcrn Rheinlu00e4nder sich gehu00f6rt, auch am elften Elften. Man hat gedacht, man geht so weiter ins Leben mit dem Kind zusammen und auch mit dem Ehepartner. Das war leider nicht an dem, weil am genau ein halbes Jahr spu00e4ter, einen Tag vor meinem Geburtstag, am siebenundzwanzigsten Juni neunzehnhundertneunzig, hat man dann eine chronisch myeloische Leuku00e4mie diagnostiziert.
Wie geht man damit wenn man im Alter von 20 Jahren eine solch folgenschwere Diagnose erhu00e4lt?
Das hat mich gelu00e4hmt und hat mir auch ja, den Boden unter den Fu00fcu00dfen weggezogen. Also man ist in soner Schockstarre, wo man u00fcberhaupt nicht realisiert, was das alles mit sich bringt.
Woher kommt die Kraft, den ersten Schritt des Weges zu gehen?
Die Kraft war immer mein Kind. Ich hatte Angst. Das hat mir sehr viel Angst gemacht. Aber ich hab gelernt, damit zu leben und ich hab's integriert, auch immer wieder es zu erzu00e4hlen, auch wenn es mancher nicht hu00f6ren will. Das ist was, was ein Manko in meiner Familie war.
Es wollte niemand daru00fcber reden und damals war halt auch diese diese Schiene noch nicht so ausgebaut, dass dass ich Anlaufpunkt gehabt hu00e4tte, dass man mir gesagt hu00e4tte, Du gehst jetzt mal vorher zu Psychologen, der der der dich da stabilisiert, der dir da hilft.
Hast Du das Gefu00fchl, dass deine Eltern damals u00fcberfordert waren mit der Situation?
Ja, definitiv. Also ich bin damals in die Knochenmarktransplantation gegangen und man man ist davon ausgegangen, dass ich hinterher nach Hause komme und es ist alles so wie vorher und es hat sich einfach dann auch niemand mehr damit beschu00e4ftigt. Es war noch mal zusu00e4tzlich eine Belastung zu wissen, dass dass da jetzt niemand ist, der mich aufhu00e4ngt und und wo ich dann den Halt kriege. Ich hab dann irgendwann mit Therapie begonnen. Das findet auch heute immer noch statt, das Ganze halt aufzufangen und zu verarbeiten, weil ich bin selber Mutter und fu00fcr mich ist 1 ganz klar, egal, was mit meinem Sohn wu00e4re, ich wu00e4re immer und jederzeit fu00fcr ihn da.
Wie geht man damit zunu00e4chst bei 1 Diagnose Leuku00e4mie keine Handlungsoptionen zu haben.
Ich bin halt immer davon ausgegangen, dass es irgend 'n Lu00f6sungsvorschlag in irgend Schublade gibt, der mich da schon wieder rausholt. Also ich hab mir u00fcber die Tragweite u00fcberhaupt gar keine Gedanken gemacht. Also mir mir stand es das stand auch nie in der Frage, ob ob das gut geht oder nicht. Fu00fcr es stand fu00fcr mich immer fest, dass ich weiterleben werde.
Hat man das Gefu00fchl, dass vorher die Krankheit schon mal im Ku00f6rper ganz viel anrichtet und dass jetzt noch mal etwas von auu00dfen kommt, etwas Fremdes, was wieder eine extreme Reaktion bei einem hervorruft.
Man hat meinem Ku00f6rper eine grou00dfe Menge an Knochenmark entnommen, hat das im Stickstoff eingefroren als Lebensversicherung, wenn ich das Neuknochenmark abgestou00dfen hu00e4tte. Und ich hab mich halt an dieser an dieser Stickstoffkonserve festgehalten und hab immer gedacht, wenn das jetzt nicht funktioniert, was das da jetzt mit mir tut, dann dann mu00f6chte ich das bitte wiederhaben, damit ich wieder ich bin. Weil auch die Ganzku00f6rperbestrahlung, wenn man merkt, wie wie wie die Kru00e4fte schwinden, wie der Ku00f6rper sich auflu00f6st. Und dann gab's eine Hochdosis Chemotherapie hinten drauf, weil man macht ja alles, was im Ku00f6rper ist, tot. Und dann kommt der Tag 0.
Dann ist der Professor vor der Schleuse gestanden mit dem Koffer in der Hand und hat gesagt, flieg jetzt nach Frankreich mitm Hubschrauber und hol dein neues Leben. Und hab dann halt das Knochenmark abgeholt, frisch aus Frankreich. Das Mu00e4del lebt in Cannes und ja und hat mir dann diese diesen Blutbeutel da angehangen. Ich weiu00df bis heute nicht, wie's abgelaufen ist. Man hat gewartet auf Reaktionen, die dann auch kamen.
Mein Vater hat das alles live miterleben mu00fcssen, weil der hat die ganze Zeit an meinem Bett gesessen, hat mir die Su00e4ulen der Erde vorgelesen. Ich muss das Buch hinter noch mal lesen, weil ich kann mich nicht dran erinnern.
Wie geht das an der Idee? Wie schafft man das, einmal den Krebs bereits u00fcberlebt zu haben und dann kommt das erste Rezitativ, das zweite und das dritte und jetzt sogar das vierte.
Da gab es einen kleinen Jungen und den gibt es immer noch, da bin ich sehr stolz drauf. Das ist mein Sohn Dominik und ja, das war das und das war derjenige, wo ich mich immer dran festgehalten habe und hab gedacht, Du kannst das Kind nicht alleine lassen. Es ist sonst niemand da. Du mu00f6chtest ihn grou00df werden sehen und mu00f6chtest viel schu00f6ne Zeit mit ihm erleben und das tue ich. Er ist auch, wenn er beruflich nicht nicht bei mir in Augsburg lebt, ist er halt immer an meiner Seite und fragt auch immer nach, Mama, einmal am Tag, ob's mir gut geht Und ja, das ist ein grou00dfer Halt in meinem Leben und das ist was, was ich auch niemals missen mu00f6chte.
Mir dru00e4ngt sich die Frage auf, wie lebt man 30 Jahre mit Krebs?
Ich streichel mir immer u00fcber den Arm und sage, er darf in mir wohnen, aber er muss die Fu00fcu00dfe stillhalten. Und wenn ich jeden Tag die Tragweite reflektieren wu00fcrde, die mich da einholen kann, dann wu00fcrd ich kaputtgehen.
Das ist eine chronische myeloische Leuku00e4mie. Da liegt das Wort chronisch schon mit drin. Wu00fcrdest Du deine Krebserkrankung als eine chronische Erkrankung sehen?
Nach den 4 Rezidiven, muss ich ehrlich sagen, fu00fchlt sich das anders an. Chronisch hu00f6rt sich ja so an, als ist es still und es ruht. Ich schmeiu00df jeden Abend eine Chemokapsel ein.
Worin hat dich die Krankheit veru00e4ndert?
Es ru00fccken andere Sachen viel stu00e4rker in den Fokus. Das ist halt ein gesundes Umfeld zu haben, was einem Kraft gibt, Freundschaften zu pflegen, ein eine Natur wahrzunehmen, ein Gras zu riechen. Viele werden sich jetzt denken, was erzu00e4hlt die da? Wenn man ein halbes Jahr voll isoliert war und kein Fenster aufmachen du00fcrfte, ist das ein Einschnitt ins Leben wie in einem Gefu00e4ngnis. Nur die du00fcrfen noch das Fenster aufmachen.
Die haben 2 Gitter davor, ich konnt noch nicht mal Fenster u00f6ffnen. Da ist die Wahrnehmung, wie ich das erste Mal wieder nach drauu00dfen kam und habe Vogelgezwitscher gehu00f6rt und hab die Wu00e4rme der Sonne gespu00fcrt und hab das Gras gerochen. Das ist so, das das kann man sich nicht vorstellen, wie das wie das in einem arbeitet. Und dann fu00e4ngt man an zu u00fcberlegen, was eigentlich Gott gegeben ist. Und deswegen genieu00dft man viele, viele Momente in ganz anderen Form, wie man das vorher getan hat.
Du arbeitest seit u00fcber 20 Jahren im Ehrenamt und beziehst durch diese Tu00e4tigkeit jede Menge Energie. Du hast positive Erlebnisse mit den Frauen, denen Du deine Kompetenz, deinen beruflichen Hintergrund zuteilwerden lu00e4sst? Magst Du uns ein bisschen daru00fcber berichten?
Ja, sehr gerne. Das ist mir auch eine Herzensangelegenheit. Bei mir ist es damals so entstanden, dass ich dann nach der Transplantation immer in die Ambulanz musste zu meinem Professor nach Mu00fcnchen und die Geschu00e4ftsfu00fchrerin hat damals mich in der Ambulanz angesprochen und hat gesagt, Mensch, ich hab gehu00f6rt, Sie kommen aus Ku00f6ln. Sie sind auch vom Fach. Sie sind Kosmetikerin und Visagistin.
Hu00e4tten Sie nicht Lust, das mit uns aufzubauen? Die DKMS LIVE Seminare finden bei verschiedenen u00c4rzten oder auch an den Kliniken statt. Wir sind mittlerweile sehr, sehr gut vernetzt deutschlandweit und diese Look Good fu00fcr Better Seminare laufen weltweit. Und ich hab mich dann noch mehr daru00fcber gefreut, dass mein Arbeitgeber 2008 dann auch als Hauptsponsor da mit eingetreten ist, weil die Patientinnen eine Tasche geschenkt bekommen, wo alle Produkte drin sind, von der Pflege u00fcber die Dekorative, mit dem Haarprogramm, mit der Anleitung auch, dass sie's zu Hause fortfu00fchren ku00f6nnen. Und ja, und da sind wir ganz, ganz stolz drauf, dass wir da so tatkru00e4ftig auch unterstu00fctzt werden.
Was erlebst Du konkret in den Seminaren? Welche Reaktionen gibt es?
Ich hab zum Beispiel jetzt im letzten Seminar in Kassel eine Patientin gehabt, die hatte eine eine ku00fcnstliche Nase, was was ich zuerst u00fcberhaupt nicht gesehen habe. Und sie fragte mich dann ja, sie hu00e4tte da son son u00dcbergang an der Nasenwurzel, ob man das ausgleichen ku00f6nnte. Und wenn man dann ihr das zeigen kann, wie sie das kaschieren kann und wie man das schu00f6n ausarbeiten kann und man guckt in diese strahlenden Augen und und weiu00df, was man der Frau grade Gutes getan hat, dann ist das fu00fcr mich wie, es schnippt so viel Lebensenergie in mir an, dass dass es mir auch zeigt, dass es definitiv sich immer lohnt zu ku00e4mpfen.
Also ich lerne grade in dem, was Du sagst, es ist mehr wie schminken bei Krebs.
Definitiv. Es ist ein nicht nur eine soziale Kompetenz, sondern es ist das das Fu00fchlen, eine Struktur zuru00fcckzugeben, eine Augenbraue wieder dahin zu zaubern, wo sie hingehu00f6rt. Da ist es ganz, ganz wichtig, die Sicherheit zu geben und zu sagen, Sie ku00f6nnen ruhigen Gewissens irgendwo hingehen und auch den Spau00df und die Freude daran haben.
In einem Satz, was bekommst Du aus diesem ehrenamtlichen Engagement?
Ich hab 2016 von meinem Arbeitgeber und der DKMS einen Charitypreis fu00fcr 20 Jahre ehrenamtliche Arbeit bekommen mit noch 2 anderen Kolleginnen. Ich bekomme eine wahnsinnige Wertschu00e4tzung, die mir hilft, immer wieder mich zu fokussieren, was die Krankheit mit mir gemacht hat und was sie mit mir macht.
Annette, warum hast Du speziell diese Location fu00fcr unser Interview heute ausgesucht?
Ja, das Foto- und Schminkstudio spiegelt das wider, was im Moment die Relevanz in meinem Leben hat. Und die Spiegel geben einem die Veru00e4nderungen im Leben zuru00fcck.
Wenn Du in einen dieser Spiegel schaust, welche Annette, die bald 50 wird, schaut aus dem Spiegel zuru00fcck?
Aus dem Spiegel schaut zuru00fcck eine Ku00e4mpfernatur, die auch weiter in der Position sein wird, zu fu00f6rdern, dass es gerecht zugeht bei allem, was passiert.
Was ist dein Tipp fu00fcr andere Betroffene?
Ich muss sagen, Sie sollten sich auf gar keinen Fall ins Bockshorn jagen lassen, weil wir haben kein gebrochenes Bein, sondern da geht es ein Leben, ein Menschenleben und da ist es immer wichtig, dass man sich auf die Hinterfu00fcu00dfe stellt zu zu seinem Recht zu kommen.
Wer ist dein Fels in der Brandung?
Mein Sohn. Das ist mein Fels in der Brandung. Der zaubert mir immer wieder Lu00e4cheln ins Gesicht, wenn er sagt, na, alte Mutti, alles klar. Nun, das ist das so. Wir nullen alle beide dieses Jahr.
Er wird 30, ich werd 50. Keiner meiner u00c4rzte hu00e4tte Pfifferling darauf verwettet, dass ich u00fcberhaupt so alt werde. Aber ich muss halt natu00fcrlich auch sagen, meine u00c4rzte, die mir das Leben gerettet haben, die sind natu00fcrlich fu00fcr mich auch der Fels in der Brandung, definitiv.
Was magst Du an der Annette, wie sie heute ist, besonders gern?
Ich bin mit meinen Aufgaben gewachsen und da bin ich sehr stolz drauf und das ist die Annette heute, die mit beiden beiden im Leben steht und das Leben genieu00dft.
Annette, wir sind am Ende unseres Interviews angekommen. Lass dir herzlich Danke sagen. Es verlangt mir sehr viel Respekt und Wertschu00e4tzung ab fu00fcr das, was ich gehu00f6rt hab und wie ich dich erlebt hab. Und ich wu00fcnsch dir persu00f6nlich das Allerbeste und auf ein Wiedersehen jederzeit.
Vielen, vielen herzlichen Dank. Das hat mir ganz, ganz viel bedeutet.
- timer ca. 15 Minuten
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