Einen Weg finden – trotz Querschnitt und Krebs
Benjamin Lenatz ist 36 Jahre jung, verheiratet mit seiner sympathischen Frau Frauke und ist gebürtig aus dem Bergischen Land. Ein Leben ohne Sport ist für ihn nicht mehr vorstellbar und dies, obwohl er im Jahr 2003 folgenschwer verunglückte. Sein Leben, so sagt er, wurde im Alter von 18 Jahren durch den Querschnitt auf Links gedreht. Seine bisherige Lebensgeschichte ist geprägt von extremen Herausforderungen, die kaum für uns alle vorstellbar sind. Man fragt sich schon: Wie geht das – wie kann man das Bewältigen und dabei so lebensfroh wie Benjamin sein?
Bewundernswert ist, wie erfolgreich er sich zurück ins Leben gekämpft hat und auf diesem Weg den Spitzensport für sich entdeckte: 13 Jahre hat er in der Bundesliga und Nationalmannschaft Basketball gespielt. So entdeckte er in weiterer Folge den Triathlon für sich und löste kurzerhand seinen Bausparvertrag gegen ein Hand-Bike ein.
Im Januar 2020 war er im Trainingslager auf Lanzarote und wollte sich für die Paralympischen Spiele für Tokio qualifizieren, als er bemerkte, dass etwas mit seiner körperlichen Verfassung nicht stimmt. Es ging ihm täglich zunehmend schlechter. Nach Rücksprache mit seinem Arzt brach er das Training ab und flog nach Hause. Ein paar Tage später kam es bei der Besprechung mit den Ärzten vom Universitätsklinikum zum zweiten schwerwiegenden Einschnitt in seinem jungen Leben: Es wurde eine CML, eine chronisch myeloische Leukämie diagnostiziert. Heute weiß er, dass die Therapie noch mindestens zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen wird.
Woher er diesen ungebrochenen Lebenswillen und seine ansteckende Lebensfreude bezieht, erfahren wir im Interview mit Stephan Pregizer. Dafür konnten ihn mit einem besonderen Drehort in Berlin überraschen und ihn sichtlich begeistern. Benjamin erzählt aus seinem Leben, von seinen Höhen und Tiefen und seinen Plänen. Im Gespräch wird sichtbar, dass er Traurigkeit in sich trägt, aber zugleich auch Mut und Hoffnung. Wir erleben einen sensiblen, sehr reflektierten CancerSurvivor, der sich jeden Tag auf großartige Weise wieder zurück ins Leben kämpft und höchste Bewunderung und unsere volle Wertschätzung für seine Haltung und das Geleistete verdient.
Das Interview zum Nachlesen:
Moderator: Ganz herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von „Ein Gespräch im roten Sessel“. Der rote Sessel hat heute seinen Platz an einem ganz besonderen Ort gefunden und das nicht ohne Grund. Denn unser Gast ist ein begeisterter Sportler und was er anfasst, wird schnell vergoldet. Gleich begrüßen wir Benjamin aus dem Bergischen Land. Mit dem Drehort haben wir ihn überrascht. Er hatte keine Ahnung, wohin die Fahrt geht. Und gerade hat er die Tür zum Set geöffnet. Die Überraschung ist gelungen: Wir sind im Berliner Olympiastadion für unser Interview zu Gast. Benjamin ist 36 Jahre jung und seine bisherige Lebensgeschichte ist geprägt von extremen Herausforderungen, die kaum für uns vorstellbar sind. Man fragt sich schon: Wie geht das? Wie kann man das bewältigen und dabei so lebensfroh sein, wie er das ist? 2003 wurde sein Leben, so sagt er, durch den Querschnitt auf links gedreht. Er hat sich zurück ins Leben gekämpft und dabei den Sport für sich entdeckt. 13 Jahre war er Spitzensportler und hatte in der Bundesliga und der Nationalmannschaft Basketball gespielt. Danach entdeckte er den Triathlon für sich und löste seinen Bausparvertrag gegen ein Hand-Bike ein. Der zweite Einschnitt in sein Leben kam im Januar 2020 mit voller Wucht. Als bei ihm eine chronische, myeloische Leukämie CML diagnostiziert wurde. Heute weiß er, dass die Therapie noch zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen wird. Woher er diesen ungebrochenen Lebenswillen und seine ansteckende Lebensfreude bezieht, das wollen wir jetzt von ihm erfahren. Ganz herzlich willkommen. Schön, dass du da bist, Benjamin Lenatz.
Benjamin Lenatz: Danke, danke. Schön, hier zu sein in diesem unfassbaren Stadion mit dieser unfassbaren Atmosphäre.
Moderator: Jetzt möchte ich dich erstmal fragen: Wie ist das denn, wenn man hier olympische Luft einatmet? Wie geht es dir? Welches Gefühl überkommt einen da?
Benjamin Lenatz: Das ist ein Kribbeln, das ist ein freudiges Gefühl und natürlich der Wasserstand in den Augen wird schon höher.
Moderator: Jetzt bist du 36 Jahre jung. Wie war dein Leben vor deiner Krebsdiagnose?
Benjamin Lenatz: Mein Leben war immer mit viel Freude verbunden, mit viel Bewegung, mit viel, viel Sport und einem ganz, ganz großen Ziel, mit einem wunderbaren Team an der Seite, was da war und mich immer unterstütz hat.
Moderator: Du hast 2020 in einem Trainingslager auf Lanzarote einen Zustand erreicht, der nicht so als gut zu bezeichnen war. Was ist da genau passiert?
Ich war mit meinem Trainer auf Lanzarote, nachdem ich für mich entschieden habe, ein Jahr mich wirklich völlig auf die Paralympischen Spiele vorzubereiten, um das große Ziel auch wirklich erreichen zu können. War in einem Leistungsstand, den ich bis dato nie erreicht hatte. Also in einem wirklich guten Status und brauchte noch so ein richtig gutes Rennen, vielleicht ein zweites, um das Ziel Paralympische Spiele zu erreichen. Ich habe einfach gemerkt, mein Körper kämpft innerlich mit irgendwas. Ich habe dann irgendwann nachts gesagt: Jetzt reicht es. Wir müssen ins Krankenhaus. Ich habe zu viel Flüssigkeit verloren. Da muss mal geguckt werden, was denn da wirklich ist. Und nach so drei Tagen habe ich gemerkt: Okay, es ging mir zwar so besser, dass ich wieder normal essen konnte und alles, aber sobald wir eine Bewegung angestrebt haben, war es halt unfassbar anstrengend. Ich habe mich müde gefühlt. Und dann habe ich mit meinem Hausarzt mich kurzgeschlossen und irgendwann hat er zu mir auch gesagt: Jetzt wäre es, glaube ich, gut, wenn Sie nachhause kommen. Und hab dann so gedacht: Hm, jetzt fliegst du nachhause mit einem kleinen Wehwehchen, aber du weißt es eigentlich irgendwie nicht. Du wärst eigentlich lieber weiter auf der Insel und würdest das große Ziel nicht aus den Augen verlieren. Weil unterbewusst habe ich schon gemerkt: Da ist irgendwas, was nicht zu greifen ist. Und dann bin ich nachhause geflogen und mein Hausarzt hat mir dann, direkt morgens bin ich da hin, Blut abgenommen. Und montags hat er mich angerufen und hat gesagt: Sie fahren jetzt sofort ins Uniklinikum nach Köln. Und bin dann dageblieben und habe dann eine Woche mehr oder weniger dort verbracht mit Blutuntersuchungen. Und donnerstags abends war das den Ärzten wohl bekannt, dass es halt eine CML ist. Und sie haben es mir dann am 14. Februar, am Valentinstag, gesagt. Und ich habe meine Frau halt nur eine Nachricht geschrieben, habe gesagt: Ich habe CML. Und dann war sie schon auf dem Weg. Und ja, man fragt immer: Dieses Gefühl, was passiert da, wenn einer sagt okay, du hast Krebs. Oder in dem Fall CML. Ist ja in Anführungszeichen die beste Form, die man sich so aussuchen kann. (Moderator: Sind drei Buchstaben.) Genau, sind drei Buchstaben. Es ist irgendwie gar nichts Dolles, aber da ist irgendwie dieser gewisse Aufzug, der anfängt zu fallen und er fällt und er hört nicht auf zu fallen.
Moderator: Hast du bei dem Begriff Leukämie sofort an Krebs gedacht?
Benjamin Lenatz: Eigentlich gar nicht.
Moderator: Wusstest du, dass es mehrere Formen von Leukämie gibt?
Benjamin Lenatz: Nein, in dem Augenblick nicht. Ich hatte auch natürlich so Leukämie, so das Erste war: Okay, du hast jetzt hier definitiv eine krasse Chemo vor dir oder eine Stammzellentransplantation eventuell. Das war schon das. Die DKMS kam mir in den Kopf. Was man jetzt tun muss, um mir dann auch irgendwie helfen zu können, um auch weiter bei meiner Frau lange bleiben zu dürfen. Das war aber so dieses Wort Krebs- war da noch gar nicht so tief verankert, sage ich jetzt mal.
Moderator: Wie war das als du für dich realisiert hast, ich habe Krebs?
Benjamin Lenatz: Unreal, ungreifbar in dem Moment. Weil ich gedacht habe: So mies kann doch keiner sein, jemandem zwei so große Baustellen zu geben. Und wenn das so tatsächlich sein soll, dann nehme ich das an und arbeite mich da jetzt durch und versuche, diese Krankheit in den Griff zu kriegen.
Moderator: Wie war das als du zum ersten Mal mit deinen Liebsten darüber gesprochen hast?
Benjamin Lenatz: Meine Frau, die war eigentlich sofort parat. Und das Erste, was ich gemacht habe, war tatsächlich eine Nachricht verfasst an Familie und auch Freunde. Und habe die informiert. Vor allem die, die mir am engsten nahestehen. In dem Moment habe ich nicht sprechen können. Wie soll ich selber da über irgendwas sprechen, was ich selber noch nicht angenommen habe. (Moderator: Was einen sprachlos macht.) Ja, absolut.
Moderator: Am 23. März 2003 war dein Motorradunfall. Was genau ist passiert?
Benjamin Lenatz: Ich bin früher mit einem Quad Motocross gefahren und bin an der Talsperre entlanggefahren und in den Gegenverkehrt geraten. Dabei habe ich mir den ersten Lendenwirbel gebrochen und wurde dann in Bochum im Bergmannsheil operiert und habe da auch meine Reha-Maßnahmen gemacht, um wieder fit für den Alltag zu werden im Rollstuhl.
Moderator: Wie ist das, wenn man zwei Mal in seinem jungen Leben mit der Zerbrechlichkeit des Körpers konfrontiert wird?
Benjamin Lenatz: Es relativiert viele Dinge. Die Zerbrechlichkeit- man sieht wirklich, wie kurzweilig bestimmte Dinge sein können. Und für mich muss ich sagen und bin da auch so drangegangen: Okay, ich habe jetzt einmal einen Schicksalsschlag hinter mir und ich versuche zumindest das, was ich da gelernt habe, auch wenn ich da erst 18 war, trotzdem ein bisschen zu adaptieren und zu versuchen, das zu übernehmen, was mir damals geholfen hat. Wobei das einfach nochmal eine ganz andere Baustelle ist. Zerbrechlichkeit trifft es wirklich auf den Punkt. Das ist so wichtig, den Moment zu genießen und den Moment einfach mal aufzusaugen. Den Moment auch in einem Stadion zu sitzen und einfach zu sagen: Was für eine Ehre, da zu sitzen, wo Weltmeister und Olympiasieger ihre Erfolge gefeiert haben. Und das ja, lerne ich aktuell wirklich mit am meisten. Und das vielleicht zum zweiten Mal, vielleicht aber jetzt erst richtig.
Moderator: Was wiegt schwerer? Der Motorradunfall oder die Leukämie?
Benjamin Lenatz: Definitiv die Leukämie. Weil sie einfach so absolut unberechenbar ist. Die Querschnittslähmung hat auch ihre Begleiterscheinungen, die einfach behandelt werden müssen und die bei mir auch nicht ohne waren. Aber die Leukämie ist- also es gibt einen Tag, da wache ich morgens auf: Oh, mir geht es super. Alles perfekt. Habe ich irgendwas? So ungefähr. Und dann kann es aber vier Stunden später sein, dass ich komplett im Eimer bin und einfach eine Stunde pennen muss. Ich lerne diese gewissen Momente besser zu leben und die Perspektiven dann mal zu ändern. Und das ist, glaube ich, schon eine wichtige Tugend, die ich jetzt mir aneignen kann. Auch für alle um mich herum, dass das auch entspannter wird.
Moderator: Wie schaut denn dein Erfolg gegen die Leukämie aus?
Benjamin Lenatz: Also meine letzten Gespräche der Ärzte waren eigentlich nochmal sehr wichtig und sehr gut. Die mir einfach nochmal aufgezeigt haben, der erste Step ist erreicht. Wir haben die Leukämie im Griff und das ist das Wichtigste, das Leben zu erhalten. Und alles was jetzt kommt, müssen wir jetzt noch gestalten. Das heißt, jetzt kommt der nächste Step. Wir müssen die Nebenwirkungen in den Griff bekommen und das, sage ich mal, ist jetzt Ziel Zwei. Und danach kommen natürlich die großen Ziele, wo man dann sagt: Okay, man will sein altes Leben so ein bisschen zurückhaben. Auch die sportliche Beweglichkeit. Die Dinge, die man mit Freunden macht, die jetzt schon auch immer mit- jetzt wieder möglich sind, Gott sei Dank. Aber mit viel Gedanken auch zu tun haben. Ich meine, so ein Querschnitt hat bestimmte Nebenwirkungen auch. Blase, Darm, die einfach auch betroffen sind. Und wenn dann Medikation dazukommt, die das Gleiche nochmal verschlimmern, überlegt man sich drei Mal: Okay, geht man jetzt überhaupt raus oder nicht? Ich mache mir da schon Gedanken dazu. Oder mir geht es einfach schlecht, ich bin müde, die ganzen typischen Nebenwirkungen, die solche Chemotherapeutika mit sich bringen. Im besten Falle kann ich irgendwann die Therapie pausieren oder abbrechen und bin dann frei von der Therapie. Im schlechtesten Fall bleibt halt, ich sage mal, mein Lebensretter, die aktuelle Medikation, der Begleiter von mir. Aber da darf ich noch bisschen solche Dinge wie hier erleben und mit netten Leuten zusammensitzen.
Moderator: Benjamin, hast du immer einen Plan im Leben?
Benjamin Lenatz: Das scheint immer so, wenn ich das eine oder andere Gespräch führe, aber es gab weitaus in den letzten zwölf Monaten viele Momente, wo ich planlos oder aktuell auch einfach gewisse Pläne nicht zu erreichen scheinen, die ich mir so ausmale.
Moderator: Was hilft dir denn? Und was gibt dir die größte Kraft, immer wieder sich den Aufgaben, den Herausforderungen und auch der Krankheit zu stellen?
Benjamin Lenatz: In erster Linie wirklich die Leute um einen herum. Bei mir ist es meine Frau. Sie gibt die Kraft und macht Spaß und man muss wissen, welche wichtigen Eckpfeiler für einen da sind, die einen unterstützen.
Moderator: Darf man sagen: Ich habe trotzdem das Gefühl, dass dein Leben in Ordnung ist?
Benjamin Lenatz: Also mittlerweile würde ich es betiteln. Aber es ist aktuell schon auch noch hart, das würde ich auch nicht verneinen. Aber das Wichtige ist: Die wichtigsten Leute, die um mich herum sind, sind da und unterstützen mich. Und darauf kommt es irgendwo an.
Moderator: Was würdest du anderen Leukämie-Patienten mutmachender Weise mit auf den Weg geben wollen?
Benjamin Lenatz: Jeder schwere Tag lohnt sich, denn es kommen trotzdem auch an diesem schweren Tag absolut schöne Momente. Man muss sie nur erkennen. Und das ist die Schwierigkeit in den Augenblick einfach daran. Und ich glaube, ob man jetzt in der Klinik sitzt, gerade die Chemo bekommt oder gerade transplantiert ist und wirklich in einem Raum sitzt und niemand darf zu einem kommen. Trotzdem kommen die Schwestern und das ist- mit denen hat man Kontakt. Und auch da entstehen häufig sehr gute Gespräche. Vielleicht auch nicht zu viel sich auf die Krankheit selber konzentrieren, sondern auf die Dinge, die einem guttun, zu konzentrieren.
Moderator: Benjamin, wir sind am Ende unseres Interviews angelangt. Ich möchte mich herzlichst bedanken. Du bist ein echter Mutmacher und hast ein großartiges Beispiel gesetzt, wie man auch mit einem Handicap, mit einer schweren Erkrankung umgehen kann. Alles Liebe für dich und alles Gute. Und ich bin auch sicher, dass wir uns wiedersehen.
Benjamin Lenatz: Das hoffe ich. Danke.

Awareness-Monat
Blutkrebs
Dieser Artikel ist ein Beitrag aus der Serie des Awareness-Monats „Blutkrebs“. Weitere spannende Interviews, Artikel und Talk-Sendungen finden Sie in der Übersicht zum Blutkrebs-Monat.
Transcript
Ganz herzlich willkommen zu 1 neuen Ausgabe von Ein Gespru00e4ch im Roten Sessel.Der Rote Sessel hat heute seinen Platz an einem ganz besonderen Ort gefunden und das nicht ohne Grund, denn unser Gast ist ein begeisterter Sportler und was er anfasst, wird schnell vergoldet.Gleich begru00fcu00dfen wir Benjamin aus dem Bergischen Land.Mit dem Drehort haben wir ihn u00fcberrascht.Er hatte keine Ahnung, wohin die Fahrt geht.
Und gerade hat er die Tu00fcre zum Set geu00f6ffnet.Die u00dcberraschung ist gelungen, wir sind im Berliner Olympiastadion fu00fcr unser Interview zu Gast.Benjamin ist 36 Jahre jung und seine bisherige Lebensgeschichte ist gepru00e4gt von extremen Herausforderungen, die kaum fu00fcr uns vorstellbar sind.Man fragt sich schon, wie geht das?Wie kann man das bewu00e4ltigen und dabei so lebensfroh sein, wie er das ist?
2003 wurde sein Leben, so sagt er, durch den Querschnitt auf links gedreht.Er hat sich zuru00fcck ins Leben geku00e4mpft und dabei den Sport fu00fcr sich entdeckt.13 Jahre war er Spitzensportler und hat in der Bundesliga und der Nationalmannschaft Basketball gespielt.Danach entdeckte er den Triathlon fu00fcr sich und lu00f6ste seinen Bausparvertrag gegen ein Handbike ein.Der zweite Einschnitt in sein Leben kam 20 20 mit voller Wucht, als bei ihm eine chronische myeloische Leuku00e4mie, CML, diagnostiziert wurde.
Heute weiu00df er, dass die Therapie noch 2 bis 3 Jahre in Anspruch nehmen wird.Woher er diesen ungebrochenen Lebenswillen und seine ansteckende Lebensfreude bezieht, das wollen wir jetzt von ihm erfahren.Ganz herzlich willkommen.Schu00f6n, dass Du da bist, Benjamin Lennartz.
Danke, danke.Schu00f6n, hier zu sein in diesem unfassbaren Stadion und mit dieser unfassbaren Atmosphu00e4re.
Jetzt mu00f6cht ich dich erst mal fragen, wie ist das denn, wenn man hier olympische Luft einatmet?Wie geht's dir?Welches Gefu00fchl bekommt einen da?
Ach, das ist Kribbeln, das ist, ja, freudiges Gefu00fchl und natu00fcrlich der Wasserstand in in den Augen wird schon wird schon hu00f6her.
Jetzt bist Du 36 Jahre jung.Wie war dein Leben vor deiner Krebsdiagnose?
Mein Leben war immer mit viel Freude verbunden, mit viel Bewegung, mit viel, viel Sport und einem ganz, ganz grou00dfen Ziel, mit einem wunderbaren Team an der Seite, was da war und mich immer unterstu00fctzt hat.
Du hast 20 20 in einem Trainingslager auf Lanzarote einen Zustand erreicht, der nicht so als gut zu bezeichnen war.Was ist da genau passiert?
Ich war mit meinem Trainer auf Lanzarote, nachdem ich fu00fcr mich entschieden hab, ein Jahr mich wirklich vu00f6llig auf die paralympischen Spiele vorzubereiten und das grou00dfe Ziel auch wirklich erreichen zu ku00f6nnen, War in 'nem, ja, Leistungsstand, den ich bis dato nie erreicht hatte, also wirklich guten Status und brauchte noch so ein richtig gutes Rennen, vielleicht zweites, das Ziel, paralympische Spiele zu erreichen.Ich hab einfach gemerkt, mein Ku00f6rper ku00e4mpft innerlich mit irgendwas.Ich hab dann irgendwann nachts gesagt, so, jetzt jetzt reicht's, wir mu00fcssen ins Krankenhaus, ich hab so viel Flu00fcssigkeit verloren, da muss mal geguckt werden, was denn da wirklich ist.Und nach ja, so 3 Tagen hab ich gemerkt, okay, es ging mir zwar so besser, dass ich wieder normal essen konnte und alles und aber sobald wir eine Bewegung angestrebt haben, war's halt unfassbar anstrengend.Ich hab mich mu00fcde gefu00fchlt.
Ja, und dann hab ich mit meinem Hausarzt mich kurzgeschlossen.Irgendwann hat er zu mir auch gesagt, jetzt wu00e4r's, glaub ich, gut, wenn Sie nach Hause kommen.Und ich hatte so gedacht, so, jetzt fliegst Du nach Hause mit mit kleinen Wehwehchen, aber Du weiu00dft es eigentlich irgendwie nicht.Du wu00e4rst eigentlich lieber weiter auf der Insel und wu00fcrdest das grou00dfe Ziel nicht aus den Augen verlieren, weil unterbewusst hab ich schon gemerkt, da ist irgendwas, was nicht zu greifen ist.Ja, und dann bin ich nach Hause geflogen und mein Hausarzt hat mir dann direkt morgens bin ich dahin, Blut abgenommen und montags hat er mich angerufen, hat gesagt, Sie fahren jetzt sofort ins Uniklinikum nach Ku00f6ln und bin dann dageblieben, hab dann eine Woche mehr oder weniger dort verbracht mit Blutuntersuchungen und donnerstags abends war das den u00c4rzten wohl bekannt, dass es halt eine CML ist.
Und sie haben's mir dann halt am vierzehnten Februar, am Valentinstag gesagt und ich hab meiner Frau halt nur eine Nachricht geschrieben, hab gesagt, ich hab CML und da war sie schon auf dem Weg und ja, man fragt immer dieses Gefu00fchl, was ist, was passiert da, wenn 1, wenn 1 sagt, okay, Du hast Krebs oder in dem Sinne war ja immer CML, ist ja, Anfu00fchrungszeichen die beste Form, die man sich so aussuchen
kann.Sind 3 Buchstaben?
Genau, sind 3 Buchstaben, sind irgendwie gar nichts Dolles, aber da ist dieser gewisse Aufzug, der einfach anfu00e4ngt zu fallen und er fu00e4llt und er hu00f6rt nicht auf zu fallen.
Hast Du bei dem Begriff Leuku00e4mie sofort an Krebs gedacht?
Eigentlich gar nicht.
Wusstest Du, dass es mehrere Formen von Leuku00e4mie gibt?
Nee, in dem Augenblick nicht.Ich hatte auch natu00fcrlich so Leuku00e4mie, so das Erste war, okay, Du hast jetzt hier definitiv eine eine eine krasse Chemo vor dir oder eine Stammzellentransplantation eventuell.Das war schon das, die die die KMS kam mir in Kopf, was man jetzt tun muss, mir dann auch irgendwie helfen zu ku00f6nnen, auch weiter bei meiner Frau lange bleiben zu du00fcrfen.Und ja, das war aber so dieses Wort Krebs war da noch gar nicht so, ja, so tief verankert, sag ich jetzt mal.
Wie war das, als Du fu00fcr dich realisiert hast, ich habe Krebs?
Unreal, ungreifbar in dem Moment, weil ich gedacht hab, so mies kann doch keiner sein, jemandem 2 so grou00dfe Baustellen zu geben.Und wenn das so tatsu00e4chlich sein soll, dann nehm ich das an und arbeite mich da jetzt durch und versuch, diese Krankheit in den Griff zu kriegen.
Wie war das, als Du zum ersten Mal mit deinen Liebsten daru00fcber gesprochen hast?
Meine Frau, die war eigentlich sofort sofort parat.Und das Erste, was ich gemacht habe, war tatsu00e4chlich eine eine Nachricht verfasst an, ja, Familie und auch Freunde und hab die informiert, vor allen Dingen die, die mir am engsten jetzt nahestehen.Ich konnte in dem Moment hu00e4tte ich nicht sprechen ku00f6nnen.Das war ich selber, wie soll ich selber da u00fcber irgendwas sprechen, was ich selber noch nicht angenommen habe.
Was einen sprachlos macht.Ja, ja, absolut.Am dreiundzwanzigsten Dritten 2003, dein Motorradunfall.Was genau ist passiert?
Ich bin fru00fcher mit Quad Motocross gefahren und bin an Talsperre entlanggefahren und in den Gegenverkehr geraten.Dabei hab ich mir den ersten Lendenwirbel gebrochen und wurde dann in Bochum im Bergmannsheil operiert und hab da auch meine Rehamau00dfnahmen gemacht, wieder fit fu00fcr den Alltag zu werden im Rollstuhl.
Wie ist es, wenn man zweimal in seinem jungen Leben mit der Zerbrechlichkeit des Ku00f6rpers konfrontiert wird?
Es relativiert viele Dinge.Ja, die Zerbrechlichkeit.Man man sieht wirklich, wie wie wie kurzweilig bestimmte Dinge sein ku00f6nnen.Und fu00fcr mich muss ich sagen und bin da auch so drangegangen, okay, ich hab jetzt einmal Schicksalsschlag hinter mir und ich versuch zumindest das, was ich da gelernt hab, auch wenn ich da erst 18 war, trotzdem son bisschen zu adaptieren und zu versuchen, das zu u00fcbernehmen, was mir damals geholfen hat, wobei das einfach noch mal eine ganz andere Baustelle ist.Zerbrechlichkeit trifft's wirklich aufn Punkt.
Das ist so wichtig, den Moment zu genieu00dfen und den Moment einfach mal aufzusaugen, den Moment auch in dem Stadion zu sitzen und einfach zu sagen, boah, was, ja, was fu00fcr eine Ehre da zu sitzen, wo wo Weltmeister und Olympiasieger ihre Erfolge gefeiert haben.Und das, ja, lerne ich aktuell wirklich mit am meisten und das vielleicht zum zweiten Mal, vielleicht aber jetzt erst richtig.
Was wiegt schwerer?Der Motorradunfall oder die Leuku00e4mie?
Definitiv die Leuku00e4mie, weil sie einfach so absolut unberechenbar ist.Die die Querschnittslu00e4hmung hat auch ihre Begleiterscheinungen, die einfach behandelt werden mu00fcssen und die bei mir auch nicht ohne waren.Aber die die Leuku00e4mie ist Also es gibt Tag, da wache ich morgens auf, oh, mir geht's super, alles perfekt, hab ich irgendwas, so ungefu00e4hr.Und dann kann's aber 4 Stunden spu00e4ter sein, dass ich komplett im Eimer bin und einfach eine Stunde pennen muss.Und ich lerne, diese gewissen Momente besser zu leben und die Perspektiven dann mal zu u00e4ndern.
Und das ist, glaube ich, schon eine eine wichtige wichtige Tugend, die ich jetzt mir aneignen kann, auch fu00fcr alle mich rum, dass das auch entspannter wird.
Wie schaut denn dein Erfolg gegen die Leuku00e4mie aus?Also
meine letzten Gespru00e4che der u00c4rzte waren eigentlich noch mal sehr wichtig und sehr gut, die mir einfach noch mal aufgezeigt haben, der erste Step ist erreicht.Wir haben wir haben die die Leuku00e4mie im im Griff und das ist das Wichtigste, das Leben zu erhalten.Und alles, was jetzt kommt, mu00fcssen wir jetzt noch gestalten.Das heiu00dft, jetzt kommt der nu00e4chste Step.Wir mu00fcssen die die die Nebenwirkungen in Griff bekommen.
Und das ist, sag ich mal, jetzt Ziel 2.Und danach kommen natu00fcrlich die grou00dfen Ziele, wo man dann sagt, okay, man will sein sein altes Leben son bisschen zuru00fcckhaben.So die auch die sportliche Beweglichkeit, die die Dinge, die man mit Freunden macht, die jetzt schon auch immer mit mit, ich mein jetzt wieder mu00f6glich sind, Gott sei Dank, aber mit mit viel Gedanken auch zu tun haben.Ich mein, son Querschnitt hat bestimmte Nebenwirkungen auch, Blasedarm, die einfach mit betroffen sind.Und wenn dann so Medikation dazukommt, die das Gleiche noch mal verschlimmern, u00fcberlegt man sich dreimal, okay, geh ich jetzt wirklich raus oder nicht, mach mir da schon Gedanken zu oder mir geht's einfach schlecht.
Ich bin mu00fcde, die ganzen typischen Nebenwirkungen, die solche Chemotherapeutika mit sich bringen.Ja, im besten Falle kann ich irgendwann die Therapie pausieren oder abbrechen und bin dann frei von der Therapie.Im schlechtesten Fall bleibt halt, ich sag mal, mein Lebensretter, die aktuelle Medikation, der Begleiter von mir.Aber dafu00fcr darf ich noch bisschen solche Dinge wie hier erleben und mit netten Leuten zusammensitzen.
Benjamin, hast Du immer einen Plan im Leben?
Das scheint immer so, wenn man wenn ich das ein oder andere Gespru00e4ch fu00fchre, aber es gab weitaus in den letzten 12 Monaten viele Momente, wo ich planlos oder aktuell auch einfach gewisse Plu00e4ne nicht zu erreichen scheinen, die ich mir so ausmale.
Was hilft dir denn und was gibt dir die gru00f6u00dfte Kraft, immer wieder sich den Aufgaben, den Herausforderungen und auch der Krankheit zu stellen?
An erster Linie wirklich die die Leute einen rum.Bei mir ist es, meine Frau gibt die Kraft und macht Spau00df und man muss wissen, welche wichtigen Eckpfeiler fu00fcr sich fu00fcr sich da sind oder fu00fcr einen da sind, die einen unterstu00fctzen.
Darf man sagen, ich hab trotzdem das Gefu00fchl, dass dein Leben in Ordnung ist?
Also mittlerweile wu00fcrd ich's betiteln.Aber es ist aktuell schon auch noch hart, das da das wu00fcrd ich auch nicht verneinen.Aber das Wichtige ist, die wichtigsten Leute, die mich rum sind, sind da und unterstu00fctzen mich und darauf kommt's irgendwo an.
Was wu00fcrdest Du anderen Leuku00e4miepatienten mutmachenderweise mit auf den Weg geben wollen?
Jeder schwere Tag lohnt sich, weil es kommen trotzdem auch in diesem schweren Tag absolut schu00f6ne Momente.Man muss sie nur erkennen und das ist die Schwierigkeit dann in dem dem Augenblick einfach dadran.Und ich glaube, ob man jetzt in der Klinik sitzt, grad die Chemo bekommt und oder grad transplantiert ist und wirklich in einem Raum sitzt und niemand darf zu einem kommen, trotzdem kommen die Schwestern.Und das ist, mit denen hat man Kontakt und auch da entstehen hu00e4ufig sehr gute Gespru00e4che.Vielleicht auch nicht zu viel sich auf die Krankheit selber konzentrieren, sondern auf die Dinge, die einem guttun, zu konzentrieren.
Benjamin, wir sind am Ende unseres Interviews angelangt.Ich mu00f6cht mich herzlichst bedanken.Du bist ein echter Mutmacher und hast ein grou00dfartiges Beispiel gesetzt, wie man auch mit einem Handicap, mit 1 schweren Erkrankung umgehen kann.Alles Liebe fu00fcr dich und alles Gute und ich bin auch sicher, dass wir uns wiedersehen.
Das hoffe ich, danke.
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