Veränderungen durch Krebs
Franziska Krause sagt:
Ich glaube, ich habe früher auch immer schon das Gefühl gehabt, irgendwie total erwachsen zu sein. Manchmal habe ich scherzhaft gesagt: „Ich war schon immer 40 und werde irgendwie nur jünger.“ Aber das ist eine Perspektive, die sich natürlich total ändert, sobald du merkst, was Grenzen sind, und auch wie ich vorher schon sagte, irgendwie merkst, was es heißt, krank zu sein und nicht aufstehen zu können. Das ist mir eine sehr prägende Erfahrung geblieben, aus der ich aber mittlerweile sehr viel ziehen kann, weil ich merke, dass es auch okay ist, sitzen zu bleiben. Und es ist okay, da für sich einzustehen. Das ist, glaube ich, etwas, das ich lernen konnte, noch mehr darauf zu hören, was ich eigentlich brauche. Und gleichzeitig sehe ich auch, ist wieder in Reaktionen gespiegelt, was es heißt, so jung zu sein und so krank zu sein. Also ich glaube, ich habe dann schon relativ lernen müssen, damit umzugehen, und relativ schnell lernen müssen, was es heißt, sich vielleicht von Träumen oder Zielen zu verabschieden, und habe es als oft sehr emotional und sehr verletzend oder enttäuschend wahrgenommen, in anderen Menschen diese Angst vor Abschied zu sehen. Oder vielleicht ist „enttäuschend“ das falsche Wort, aber es war oft sehr verletzend, zu sehen, wie wenig damit umgegangen werden konnte, dass ich vielleicht bald nicht mehr da bin. Und es reichte von für manche Menschen so unaussprechbar, so unausdenkbar, dass der Kontakt abgebrochen ist oder so oberflächlich lief, dass ich mich damit nicht mehr wohlgefühlt habe. Und dieses Thema Abschiednehmen oder sich von Dingen verabschieden müssen hat, glaube ich, für mich viel Bedeutung auf einer Beziehungsebene. An all die Momente, und ich habe viele hinter mir, in denen ich einer Person das erste Mal erzählt habe, dass ich Krebs habe. Und es ändert sich natürlich während der Behandlung zu hinterher. Also jetzt sind es ganz andere Gespräche, die ich führe, wenn ich jetzt Menschen treffe und denen neu davon erzähle. Aber das sind immer wieder sehr anstrengende Gespräche, weil ich natürlich auch sichergehen möchte, dass die Person sich nicht verliert da in der Angst oder einer Trauer. Und am Ende habe ich auch das Gefühl, das wird mir nicht gerecht, wenn es nur auf so ein: „Dein Leben ist vorbei“, also ich habe dann zum Teil manchen Leuten schon angesehen, dass die schon meine Beerdigung planen und schon wissen, was sie genau anziehen werden. Und das ist natürlich auch schwer auszuhalten. Und für mich war es eine ganz, ganz starke, ganz wichtige Realisierung, die Narrative oder das Darüber-Sprechen nicht zu verschönern, beziehungsweise habe ich dann doch auch schon gemerkt, dass ich, um andere Menschen zu schützen, Dinge schöner mache, verschönere oder die abrunde und: „Aber ja, eigentlich ist alles gut.“ Und das war auch ein sehr wichtiger Prozess zu lernen, auch sich das rauszunehmen, zu sagen: „Nein, mir geht es schlecht. Und mir geht es auch noch lange schlecht und mir wird es auch noch lange schlecht gehen.“ Ja, so eine gewisse Ruhe, gewisse Entspanntheit in Bezug auf Stress oder Druck oder: „Was muss jetzt morgen sein oder was kann ich auch auf Übermorgen verschoben werden?“ Und ich glaube, das Entscheidende ist auch, dass ich merke, es fällt mir immer leichter, mich vielleicht noch mehr auf Dinge einzustellen, die so eine Überforderung sind. Also ich glaube, früher war ich viel damit beschäftigt, Dinge zu planen und zu kontrollieren. Und das ist auf jeden Fall mir klar geworden, dass das eine Illusion ist. Und das Leben einfach so anzunehmen, ist, glaube ich, eine, ja, genau, gute Erfahrung.
- person Franziska Krause
- coronavirus Hodgkin-Lymphom
-
Mehr erfahren: