Das lange Warten auf die Therapie
Diagnose ohne unmittelbare Therapie – das lange Warten auf den richtigen Moment
Bei Andreas Dirksen wurde Knochenmarkkrebs diagnostiziert. Die Diagnose war ein Zufallsbefund im Zusammenhang mit der Behandlung einer Lungenentzündung im Jahr 2008.
Dieser Krebs – das Multiple Myelom – wird erst ab einem bestimmten Zeitpunkt behandelt. Andreas erhielt die Prognose, dass er noch vier bis fünf Jahre warten müsse, bis es so weit sei. Andreas nutzte diese lange Wartezeit bis zur Therapie, um einen Plan zu entwickeln und sich vorzubereiten. Nach fünf langen Jahren war es dann so weit: Die Werte seines Körpers zeigten an, dass die Erkrankung nun therapiert werden müsse, und das lange Warten hatte ein Ende.
Der heute 67-jährige sagt, er habe die Erkrankung gut in sein Leben integriert, denn „man kann auch mit Krebs gut leben“.
Transcript
Herzlich willkommen zu einem neuen Beitrag unserer Reihe Ein Gespru00e4ch im Roten Sesson.Wir befinden uns hier an einem kreativen Ort, in einem grou00dfen Fotostudio und das hat einen guten Grund.Unser heutiger Protagonist kann professionell mit der Kamera umgehen und hat durch seine Erkrankung das Fotografieren fu00fcr sich so richtig entdeckt.Andreas hat 2008 die Diagnose 1 multiplen Myeloms, also Knochenmarkkrebs erhalten.Er hat es auf beachtliche Weise verstanden, die Krankheit in sein Leben zu integrieren und sagt, man kann auch mit Krebs gut leben.
Jetzt hat er Platz genommen auf dem roten Survivor Share.Herzlich willkommen, Andreas Dirksen.
Hallo.
Andreas, sei so lieb.Erzu00e4hl uns deine Geschichte.Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Es war so, dass ich fru00fch schon in der Kindheit mit 1 Erkrankung, 1 Menegitiserkrankung, 1 Hirnhaubenentzu00fcndung konfrontiert wurde.Im Alter von 9 Jahren hatte ich meine Mutter verloren.Sie starb an Gebu00e4rmutterhalskrebs.Und in den anschlieu00dfenden Jahren hatte ich dann auch die Zeit eben u00fcber die Schule, u00fcber Vereinssport, nachher auch im Segelsport die Jahre verbracht.Als ich meine Frau kennenlernte, begann die Zeit, wo man auch daran dachte, eine Familie zu gru00fcnden.
1986 kam dann auch unsere erste Tochter zur Welt und nach diesem wunderschu00f6nen Moment musste man aber auch schon ein Jahr spu00e4ter einen Tiefschlag erleben, dass nu00e4mlich mein Vater mit 54 Jahren fru00fchzeitig an Magen- und Darmkrebs verstarb Und die daraus folgenden Jahre, muss ich sagen, hat man bedingt durch das angenehme Berufsleben und auch durch das harmonische Familienleben und 7 Jahre spu00e4ter durch unsere zweite Tochter doch wunderbare Jahre erlebt.
Wie kam es bei dir zur Diagnose multiples Myelom?
Ja, das war zuru00fcckblickend 2008, wo ich wu00e4hrend 1 Krankenhausaufenthalts mit 1 Lungenentzu00fcndung, da wurde festgestellt, dass eine Erkrankung in Richtung multiples Myelom sich entwickeln ku00f6nnte.
Beim multiplen Myelom gibt es eine beobachtende Phase, bei der noch keine Behandlung stattfindet.Wie geht man mit so 1 Situation
Ist eine schwierige Zeit.Ich hab sie so erlebt, dass man ja wusste, die Krebserkrankung wird therapiert werden.Ich hatte ja sogar eine Aussage, dass sie in 4 bis 5 Jahren therapiepflichtig werden wu00fcrde und dann wartet man natu00fcrlich im Prinzip auf diesen Zeitpunkt und mu00f6chte eigentlich eher, dass morgen schon therapiert wird.
Wie schafft man das, sich in einem solchen Vakuum aufzuhalten?
Ja, mein Plan war ja schon ganz fru00fch, dass ich meine Blutwerte immer in 1 Excel Datei gesammelt habe.
Ist da dein beruflicher Hintergrund ein guter Ratgeber dafu00fcr gewesen?
Vielleicht ist es so gewesen.Das war ja auch Zeitpunkt, wo ich wusste, die Erkrankung wird auf mich zukommen und da wollte man einfach mal noch zusu00e4tzlich sone Selbstkontrolle haben, auch mu00f6glichst fru00fch den Startpunkt, ja, zu erwischen.
2013 hast Du die Diagnose erhalten, dass das Multiplen Myelom nun therapiepflichtig fu00fcr dich ist.Erinnerst Du dich noch genau daran, was der Arzt zu dir gesagt hat?
Ja, 2013 hab ich dann durch eine Zweitmeinung, die ich eingeholt habe, erfahren, dass eine Therapiepflicht jetzt entsteht und das ist dann die Folge in der Folge gewesen, dass man eine Hochdosistherapie bekommt im beim Krankenhausaufenthalt und anschlieu00dfend die Stammzellen, die gesammelt wurden, zuru00fcckbekommt.
Andreas, konntest Du ohne grou00dfe Probleme aussprechen, ich habe Krebs?
Ja, das Wort Krebs konnte ich schon sehr gut aussprechen, weil ich mich im Vorfeld sehr gut u00fcber die Krebserkrankung informiert hatte und ich auch der Auffassung war, dass ich mit der Erkrankung in der weiteren Zukunft eigentlich sehr gut umgehen konnte.
Was ist ein denkbarer Umgang mit der Diagnose Krebs?
Also man sollte bestimmt sich fru00fchzeitig sehr gut informieren u00fcber die Erkrankung.Bei mir wirkte sich auch aus ein positives familiu00e4res Umfeld, was auch immer wichtig ist.Und ja, auch beruflich konnte man seitens des Arbeitgebers auch damit umgehen und im Ergebnis kann man sagen, gab es eigentlich keine Belastung fu00fcr mich.
Jetzt bist Du ja ein sportlicher Typ, wie man sieht.Konntest du Anleihen beim Sport nehmen in der Bewu00e4ltigung deiner Erkrankung?
Also auch wu00e4hrend der Therapie habe ich festgestellt, auch bedingt durch Medikamente wie das Kortison, dass ich recht aktiv war wu00e4hrend der Therapie, dass ich fast tu00e4glich mindestens 15 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren bin und mich sehr viel bewegt habe.Natu00fcrlich gibt es auch Einschru00e4nkungen, dass es Tiefpunkte gibt, wo die Medikamente eben sich negativ auswirken durch Mu00fcdigkeit und Abgeschlagenheit und auch in Verbindung mit Wesensveru00e4nderungen, wo man einfach unkonzentrierter ist und Gedu00e4chtnisverlust hat.Also diese Phasen gehu00f6ren auch dazu.Aber der Sport, die Bewegung, die sind heute eigentlich sehr wichtig und die sollte man, wenn mu00f6glich, auch immer nutzen.
Hast Du zu irgendeinem Zeitpunkt das Gefu00fchl gehabt, dass die Krankheit das Sagen in deinem Leben u00fcbernimmt?
Dass die Krankheit das Sagen u00fcbernimmt, kann man vielleicht vergleichen mit einem Marathonlauf, wo ich dann vielleicht festgestellt habe, dass ich zu Beginn 1 Therapie, wo die Medikamente auf einen wirken, etwas langsamer auch werde und dem Krebs einen gewissen Vorsprung geben muss und dass im Anschluss, wu00e4hrend die Therapie dem Ende zugeht, fu00fcr mich selber festgestellt habe, dass ich auch wieder besser auf die Beine komme, mich besser wieder fortbewegen kann bis zu dem Zeitpunkt, wo man die Therapie hinter sich lassen konnte und im Anschluss festgestellt hat, jetzt bin ich wieder vor dem Krebs und kann wieder schneller mich fortbewegen.
Wer war dein Fels in der Brandung?Wer stand dir immer zur Seite?
Ja, mir stand zur Seite natu00fcrlich in erster Linie meine Frau, gerade in der Zeit, wo es verschiedene Tiefpunkte wu00e4hrend 1 Therapiephase gibt, aber auch schon davor und danach bis zum heutigen Tag, wo ich ja immer noch im Prinzip in 1 Erhaltungstherapiephase bin.Dann die Kinder, die standen auch weiter dahinter und konnten damit umgehen.Aber auch ganz wichtig, die Hu00e4matologin, die man ja eigentlich regelmu00e4u00dfig in kurzen Zeitabstu00e4nden besuchen musste, damit Laborwerte festgestellt werden konnten.Und ein ganz grou00dfer Dank und deshalb hatte ich mich auch im Anschluss sehr aktiv in die Selbsthilfe eingebracht, geht fu00fcr mich an die an das Uniklinikum in Heidelberg, da wo ich den Professor kennenlernte und auch sein ganzes Team, welches wirklich sehr viel zu diesem multiplen Myelom, zur Erforschung und auch fu00fcr die Patienten beitru00e4gt.
Welche Reaktionen hast Du von deinen Freunden erhalten?
Was so die Reaktionen betrifft von Freunden, auch in meinem ganzen Umfeld, musste ich feststellen, das ist dann hu00e4ufig doch eher zuru00fcckhaltend.Da war dann eher gefragt meine Initiative, dass ich da etwas dazu gesagt habe.
Wie reagieren Menschen im Alltag auf dich?Glauben sie dir das, dass Du eine schwere Erkrankung hinter dir hast?
Das ist so hu00e4ufig, muss ich feststellen, nicht gleich zu erkennen.Da kann ich vielleicht gleich Beispiel nennen.Erst vor Kurzem, vor wenigen Tagen, als mein Abteilungsleiter mich ansprach, wie geht es dir?Du siehst ja aus wie das blu00fchende Leben.Daran konnte ich ja feststellen, wie man von auu00dfen wirkt trotz dieser Erkrankung.
Warum hast Du diese spezielle Location, dieses Fotostudio fu00fcr unser heutiges Gespru00e4ch ausgesucht?
Ja, die Fotografie ist ja so ein Teil meines Lebens geworden, auch wenn erst vor wenigen Jahren.Das war einfach der Grund, sich in dieser Location mit einzubringen, weil es auch ein ganz nettes Umfeld ist.
Was hat dich wu00e4hrend deinem Krankheitsverlauf bislang am meisten Energie gekostet und was hat dir Energie geschenkt?
Dass ich gelernt habe, mir positive Inseln zu schaffen.Ich hatte angefangen wu00e4hrend der Therapie mit Acrylmalerei zum Beispiel, dann mit der Fotografie, das hatte ich dann auch intensiver betrieben und auf jeden Fall im Weiteren auch immer die sportlichen Aktivitu00e4ten, sofern das mu00f6glich war.
Was hat Energie gekostet?
Energie gekostet hat bestimmt mal das eine oder andere Zeitfenster, wo die Nebenwirkungen auf einen mehr eingewirkt haben.
Was wu00fcrdest Du anderen raten?Wie setzt man sich gute und vor allen Dingen auch erreichbare Ziele?
Ja, was die Zielsetzung betrifft, habe ich eigentlich die Erfahrung gesammelt, nicht nur fu00fcr mich, auch in meinem Umfeld, wenn man es in kleinen Schritten tut.Das kann sein als Beispiel schon zum Therapiebeginn, dass ich nicht da schon daran denke, was ist in 6 Monaten vielleicht bei der Hochdosis Therapie oder bei der Stammzellentransplantation, was ist danach, sondern einfach, so bin ich verfahren, dass ich einfach mir gedacht habe, jetzt schaue ich erst mal eine Woche oder vielleicht auch 4 Wochen voraus, wie entwickelt sich jetzt meine Therapie und dann anschlieu00dfend weitere 3, 4 Wochen.Und ja, man stellt eben fest, dass es da auch Veru00e4nderungen gibt, wie man sich entwickelt in der Therapie.Es gibt ja da auch Hu00f6hen und Tiefen und das kann man eigentlich nur in kleinen Schritten bewu00e4ltigen.
Du sagst, man kann gut mit Krebs leben.Wie lebst du heute?
Ja, ich lebe trotz der weiterhin vorhandenen Krebserkrankung zufrieden in einem harmonischen Familienleben.Ich hab meinen Freundeskreis.Ich kann weiterhin meine Fotografie in der Vereinsarbeit durchfu00fchren und meinen Hobbys soweit nachgehen und ohne jetzt einen weiteren Gedanken daran zu verlieren, dass irgendwann mal das Rezidiv kommen wird.Aber auf der anderen Seite durch meine Arbeit in der Selbsthilfeinitiative ist man eigentlich fast jeden Tag mit der mit dem Krankheitsbild beschu00e4ftigt.Aber ich kann das auf jeden Fall sehr gut trennen.
Wu00fcrdest Du das dabei sein in 1 Selbsthilfegruppe jedem Krebserkrankten empfehlen?
Ich wu00fcrde schon also jedem Krebspatienten empfehlen, im ersten Schritt sich 1 Selbsthilfegruppe anzuschlieu00dfen.Man muss ja nicht dabei bleiben, aber fu00fcr mich war es sehr wertvoller Schritt und ich hab auch die Erfahrung gesammelt, dass Patienten, die auch erst u00fcberlegt haben, gehe ich den Schritt in eine Selbsthilfe, letztendlich davon u00fcberzeugt waren, dass sie den richtigen Schritt gegangen sind.
Was erlebst Du in der Selbsthilfe?Wie gehen andere Patienten mit dem Multiplen Myelom in genau dieser Zeit des Beobachtens, des Wartens
Die Erfahrung zeigt, dass hu00e4ufiger durch eben auch wie bei mir durch einen Zufallsbefund Patienten zu uns in eine Gruppe kommen, die auch schon in einem Fru00fchstadium wie in diesem Beobachtungsstadium mit dieser Krankheit konfrontiert werden.Da hab ich in meiner Gruppe 3 Patienten, 2, wo ich feststellen muss, die sind so u00e4hnlich gelagert, wie ich es erfahren habe, dass sie unheimlich viel im Vorfeld vor der Therapie u00fcber die Krankheit wissen wollen, sich schon auch ernu00e4hrungsmu00e4u00dfig darauf einstellen, zum Beispiel ohne Zucker sich ernu00e4hren, ne, da ist ein Patient mit dabei, aber auch eine Person, die in dieser Situation die Erkrankung vu00f6llig ablehnt und davon ausgeht, dass sie die gar nicht bekommen wird.
Andreas, wir sind fast am Ende unseres Gespru00e4ches.Was ist dein Lebensmotto?Was ist dein Credo?
Sei ein gut informierter Patient, lebe jeden Tag so, dass er mit 1 guten Lebensqualitu00e4t verbunden ist.
Mir bleibt mich ganz herzlich bei dir zu bedanken, dass du uns einen sehr schu00f6nen und auch bereichernden Einblick in dein Leben gewu00e4hrt hast.Ich wu00fcnsch dir, deiner Familie alles Gute, hab eine gute Zeit und gerne auf ein gesundes und schu00f6nes Wiedersehen.
Vielen Dank.
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- person Andreas Dirksen
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