Freundschaft & Krebs: Ein Balanceakt
In einer Zeit der Furchtsamkeit, der emotionalen Auf und Abs entwickeln Paare und Familien ihre eigene Überlebensstrategie. Angehörige nehmen sich im Alltag oft zurück, obwohl sie Zuwendung ebenso dringend nötig haben, wie die Betroffenen selbst.
Wie würden Sie Ihre emotionale Belastung beschreiben? Haben Sie sich psychologische Hilfe geholt?
Zurück zum Themen-Special "Angehörige"Wir hatten auch eine Freundin, die Kinderpsychologin ist, die sich meiner Kinder angenommen hat. Die Einzeltherapiegespräche geführt hat. Ich persönlich habe mir auch professionelle Hilfe geholt. Auch ich hatte eine Psychoonkologin, die mich über das ganze Jahr sehr professionell begleitet hat, sodass ich immer dann, wenn auch ich für mich Krisensituationen hatte denn man hat ja wirklich phasenweise wirkliche Existenzängste mich aufgefangen hat und mir meine eigenen Grenzen aber auch meine Perspektiven aufgezeigt hat, und das war für mich auch sehr, sehr wichtig. Ja, das soziale Umfeld verändert sich. Es wenden sich Freunde von einem ab, von dem man das nie gedacht hätte, weil sie die Belastung der Diagnose nicht aushalten. Und es gibt aber andere Freunde, von denen man das vorher vermutet oder erhofft hat, die ganz uneigennützig auf einen zukommen und sagen: Jetzt habe ich Zeit, wo kann ich helfen? Und dort hatten wir das Glück, dass wir zwei sehr gute, befreundete Ehepaare hatten, die uns wirklich ganz treu, ganz nachhaltig, ganz regelmäßig auch im Umgang mit den Kindern das ganze Jahr über wirklich sehr, sehr gut betreut haben. Das waren vorher schon unsere beste Freunde und sind es jetzt erst recht. Aber was auch interessant ist, dass neue Menschen dazukommen, die mit Kleinigkeiten auf sich aufmerksam machen, liebevolle Gedanken einbringen, plötzlich mal einen Kuchen vor die Tür stellen. Und das sind Menschen, von denen hätte man das vorher gar nicht vermutet. Und die bereichern dann natürlich auch den neuen Freundeskreis. Aber jeder, der so eine Diagnose gestellt bekommt, wird die Erfahrung machen, dass sich da schon so ein wenig die Spreu vom Weizen trennt. Freundschaften sind immer im Fluss und so eine Diagnose einer malignen Erkrankung verändert auch die Freundschaft zu anderen Menschen. Und ich will das eigentlich positiv darstellen, weil wirklich nachhaltige Freundschaften vertiefen sich dadurch werden. Noch wertvoller. Andere Freundschaften halten nicht das, was man vielleicht von ihnen sich gewünscht hat. Aber diese Freundschaften sind es dann womöglich auch nicht wert. Und deshalb ist das eine Erfahrung, wie auch auf so vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens, dass man sagt, Nicht alles, was im Umgang mit einer Bewältigung einer Krebserkrankung vor sich geht, muss auch schlecht sein. Und die Bewertung von Freundschaften ist ein ganz zentrales Thema. Ja, die Grenzen werden einem immer dann bewusst, wenn man überfordert ist. Das kann in Kleinigkeiten des Alltäglichen Lebens sein, wenn der Umgang mit den Kindern nicht so klappt, wie man sich das vorstellt, weil man ja sowieso das ganze Therapiejahr über Kompromisse fahren muss. Das können Kleinigkeiten sein. Viel schwieriger ist es, als Angehöriger oder als Partner, wenn die Therapie nicht so läuft, wie sie laufen soll und akute Krisensituation im Rahmen der Therapieweges entstehen. Und da hat man dann wirklich auch als Angehöriger Existenzängste. Das geht bis hin zu Selbstmordgedanken. Und wenn man dann nicht jemanden hat, der einen auffängt und der professionell mit so einer Situation umgehen kann, dann kommen Menschen sicherlich in unüberschaubare Krisensituationen. Und da ist es meiner Ansicht nach sehr, sehr wichtig, das auch Angehörige und eben nicht nur die Patienten selbst professionelle Hilfe bekommen.
Andreas Cramer