
Kontrollverlust versus Lebensdurst
Aus Lust zum Leben – als junger Mensch den Krebs besiegen
Mit 23 Jahren Diagnose „Hodgkin Lymphom“. Franziska Krause sagt, darüber zu sprechen, habe sie wieder handlungsfähig gemacht. Mit beeindruckender Offenheit und Klarheit beschreibt die Berliner Studentin im Gespräch mit Stephan Pregizer die wichtigsten Stationen ihrer Krebserkrankung, die immer eine völlig individuelle Erfahrung ist. Mit einer faszinierenden Reflexionsfähigkeit spricht sie von ihrer Diagnose, Therapie und Heilung und zeigt auf, wie sie heute als einer von ca. 4 Millionen CancerSurvivorn lebt.
Das Interview zum Nachlesen
Moderator: Herzlich Willkommen Franziska Krause. Erzähl uns doch bitte deine Geschichte. Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Franziska Krause: Ich bin hier in Berlin-Neukölln aufgewachsen, also waschechte Berlinerin. Bin hier zur Schule gegangen, hab mich dann auch dazu entschieden hier in Berlin mit dem Studium weiterzumachen. Und hab also ein ganz unbekümmertes, relativ zielorientiertes Leben geführt.
Moderator: Welche Auffälligkeiten gab es damals, die dich dazu veranlasst haben zum Arzt zu gehen?
Franziska Krause: Wenn ich jetzt zurückblicke, dann merke ich so eine gewisse Müdigkeit und Erschöpftheit, die mit nichts zu vergleichen ist. Ich bin tagelang nicht aus dem Bett gekommen, bei zehn Stunden Schlaf, bei acht Stunden Schlaf.
Moderator: Und das nicht, weil du jeden Abend im Karaoke Club warst?
Franziska Krause: Nicht weil ich jeden Abend im Karaoke Club war. Aber das war es, was ich erst dachte. „Ich bin Studentin, ich bin müde, seit ich mit dem Studium angefangen habe.” Also so habe ich das wahrgenommen und ein bisschen gehört das ja auch dazu, müde zu sein wenn man die Nacht vorher gelernt hat natürlich. Ich habe dann Ende September einen vergrößerten Lymphknoten entdeckt am Hals und bin einfach zur Ärztin hin und bin mehr oder weniger direkt ins Krankenhaus überwiesen worden. Relativ schnell war klar, das muss raus genommen werden, es muss geguckt werden, was das ist. Dann, als der Arzt es aussprach und „Lymphom” sagte, fragte ich – völlig aus allen Wolken fallend – „also Krebs?”. Weil es so entfernt war von der Realität die ich gelebt habe und dann merkte er selber erst, was er da eigentlich zu mir sagt. Er fing gleich an das typische Programm runter zu rattern: Hodgkin Lymphom, sehr gute Heilungschancen. Aber ehrlich gesagt, hab ich dann schon gar nicht mehr zugehört.
Moderator: Wie hast du versucht, diese unverrückbare Tatsache in dein Leben zu integrieren?
Franziska Krause: Am Tag der Diagnose musste ich jedes Mal anfangen zu weinen und als ich dann nach Hause kam, daran erinnere ich mich sehr gut, stellte ich mich dann vor den Spiegel und hab so oft gesagt „Ich habe Krebs” bis ich aufgehört habe zu weinen. Bis die Tränen nicht mehr kamen. Und hab da zum ersten Mal gemerkt, wenn ich das schaffen kann, dann schaffe ich den Rest auch.
Moderator: Franziska, wie geht man damit um erstmal scheinbar keinerlei Handlungsoptionen zu haben?
Franziska Krause: Ich hab relativ schnell gemerkt, dass darüber zu sprechen mich handlungsfähig macht.
Moderator: Kannst du verstehen, dass es Menschen gibt, die eine Krebsdiagnose bekommen und nicht darüber sprechen?
Franziska Krause: Ich kann sehr verstehen, dass Menschen sich da schützen wollen und denken „Ich sag es nicht, dann muss ich mich auch nicht mit den Reaktionen konfrontieren”.
Moderator: Wie war das für deine Eltern? Konnten deine Eltern das aussprechen: Unsere Tochter hat Krebs?
Franziska Krause: Das ist ein Thema, da wird mir heute auch noch immer ganz mulmig, wenn ich darüber nachdenken muss, dass meine Eltern es auch ihren eigenen Eltern erzählen mussten. Ich stelle mir das sehr grausam vor. Mir gegenüber waren die beiden sehr offen und kommunikativ, sehr interessiert daran mit mir zu sprechen und es nicht zu verheimlichen. Nicht so zu tun, als wär nichts.
Moderator: Was für eine Anmutung ist das, wenn man gerade mal 23 Jahre jung ist, das ganze Leben vor sich hat und schlagartig mit der eigenen Begrenztheit und Zerbrechlichkeit konfrontiert wird?
Franziska Krause: Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag der Diagnose, als ich im Zwiegespräch war und darüber gesprochen hab wie das so sein wird. Ich habe mich nur als Person imaginieren können, die das schon durchgemacht hat. Ich glaube das ist eine Sache, die mir sehr schmerzlich bewusst geworden ist sobald die Chemotherapie angefangen hat, wie wenig ich mit 23 davon wusste, was krank sein bedeutet. Was es heißt, die Treppen nicht mehr hochzukommen. Nicht nur körperlich, sondern auch die Tage nach der Chemo den Kopf so leer zu haben, dass ich gar nicht sprechen möchte, weil ich gar nichts zu sagen habe.
Moderator: Übernimmt die Krankheit da das Sagen in deinem Leben?
Franziska Krause: Total! Es ist wie auf Pause drücken und alles andere geht weiter. Alle anderen Menschen leben ihr Leben weiter. Auch die, die total für mich da sind, leben trotzdem ihr Leben weiter und mein eigenes Leben fühlt sich wie mit einem extra schweren Rucksack an. Also auch das, was sowieso schon nicht läuft, ist auch noch schwerer.
Moderator: Du hast gesagt, du bist zuhause wieder eingezogen während deiner Erkrankung und deine Eltern haben sich um dich gekümmert. War das ein ganz normales Verhältnis oder gab es da neue Situationen, wo du gemerkt hast, da spricht jetzt eine andere Franziska zu euch, liebe Eltern, die es vorher so nicht gab?
Franziska Krause: Ich glaube es ist sehr schwer aushaltbar zu sehen, dass auch ich irgendwann nicht mehr stark bin und das mit zu gehen ohne zu versuchen mich aufzumuntern. Es gab auf jeden Fall mehr als einen Moment, als ich gebeten habe, ich brauche kein „Du schaffst das!”, sondern „Du darfst jetzt Weinen, du darfst jetzt traurig und wütend sein”.
Moderator: Welchen Traum hast du immer wieder geträumt, weil er dir möglicherweise sehr viel Kraft gegeben hat?
Franziska Krause: Mein kleiner Cousin, der heiratet, oder mein Patenkind, was geboren wird. Das sind die Momente, in denen ich am meisten Angst hatte, mich am meisten gesorgt habe, weil diese Vorstellung nicht da zu sein sehr schmerzvoll war. Das sind Dinge, die mich immer sehr motiviert haben. Vielleicht ist das nicht unbedingt ein Traum aber es waren schon Momente in denen ich realisiert habe, das möchte ich noch, dafür mache ich das!
Moderator: Ganz viele Krebserkrankte haben ja berichtet, dass sie sehr häufig die ganze Kraft, die sie haben, dafür verwendet haben, es anderen leicht zu machen darüber zu sprechen.
Franziska Krause: Für mich war es eine ganz starke, wichtige Realisierung das Darüber-Sprechen nicht zu verschönern und nicht so zu tun…
Moderator: …als ob es das nicht gäbe?
Franziska Krause: Genau! Beziehungsweise habe ich schon gemerkt, dass ich Dinge verschönere um andere zu schützen. Oder sage, eigentlich ist alles gut. Das war auch ein sehr wichtiger Prozess zu lernen, sich das rauszunehmen zu sagen, „nein, mir geht es schlecht”. Ich glaube eine der schmerzvollsten Erfahrungen für mich war tatsächlich eine Art Kontrollverlust, weil mir schnell klar wurde, was ich nicht mehr alles kontrollieren kann. Mir wurde auch bewusst, was für eine Illusion das auch schon vorher war, dass ich etwas kontrollieren kann. Ich merke, dass es auch eine neu gefundene Freiheit ist, zu verstehen, ich kann so viel planen, wie ich will. Morgen kann es schon vorbei sein. Das klingt so abgedroschen, aber es geht gar nicht um das tatsächliche Ende oder meinen Tod. Sondern morgen geht es mir vielleicht nicht gut genug um etwas zu machen und das ist dann auch okay. Was ich oft auch auf schmerzliche Weise verstehen musste ist, dass das Thema Krebs so eine kollektive Erfahrung ist, so ein öffentliches Gut. Ich fühlte mich oft davon überfordert oder war irritiert, wie ich vermischt wurde mit der Idee, was es heißt Krebs zu haben, was gut für mich ist. Ich erinnere mich an so Sachen, wie „die Glatze wird dir stehen, du musst dir keine Sorgen machen!”. Und ich dachte nur, ich mache mir keine Sorgen. Jede Person soll ihre Krankheit selbst so annehmen, wie sie will. Wenn eine Person über das Ausfallen der Haare am traurigsten sein will, dann soll es so sein.
Moderator: Franziska, warum hast du diese Location ausgesucht? Ist Karaoke oder Singen ein gutes Mittel, um zu gesunden?
Franziska Krause: Weil das Singen und dabei Rumgrölen und sich „trashig” verhalten im Sinne von, das trashigste Lied auszusuchen, dafür gefeiert zu werden, dass es schon wieder die Spice Girls sind.
Moderator: Du bist gerade 26 geworden vor wenigen Tagen. Nochmal herzlichen Glückwunsch dazu. Ist dein Leben, wenn du heute darauf schaust in Ordnung, wie es ist? Würdest du sagen, es ist ein gutes Leben?
Franziska Krause: Ja, total. So viele Dinge, die seitdem passiert sind und ich gehe davon aus, das wird auch noch so bleiben, bedeuten mir so viel, sind so bereichernd. Genauso auch zu wissen, das schon geschafft zu haben, können nicht viele Menschen von sich behaupten. Ich bin eigentlich auch glücklich, dass das nicht viele machen müssen, aber das gibt mir eine Ruhe oder Coolness in manchen Momenten, die mir ganz gut gefällt.
Moderator: Wie reagieren denn die Menschen im Alltag auf die neue Franziska?
Franziska Krause: Ich glaube, wenn du meine Eltern fragst, würden die antworten, so neu ist die gar nicht. Aber es gibt ganz viele Menschen die erstmal erstaunt sind. Wenn ich sagen würde was zur neuen Franziska gehört, dann sich auseinandersetzen mit der Krankheit, darüber sprechen und dies auch einfordern und da bekomme ich die unterschiedlichsten Reaktionen. „Vergiss es doch, ist jetzt vorbei und alles wieder in Ordnung. Warum redest du noch darüber?” Damit kann ich gar nichts anfangen und äußere dann auch sehr klar, dass das nicht der Weg ist, den ich gehen möchte.
Moderator: Was würdest du anderen Betroffenen raten?
Franziska Krause: Ich hab im April 2014 die Chemo beendet und hab im Oktober 2014 das Studium wieder aufgenommen. Das war ein halbes Jahr. Noch ein Jahr zu warten hätte mir auch nicht gepasst. Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt. Und als ich es gemacht habe, war es der richtige Zeitpunkt, weil ich es gemacht habe. Mutig sein und sich trauen.
Moderator: Du hast während der Therapie gesagt „Schlimmer geht immer”. Warum gerade dieser Satz?
Franziska Krause: Ich sehe in so vielen Geschichten, die ich seither gehört habe Dinge, die mich so beeindrucken, wie Menschen es geschafft haben. Ich stelle mir immer die Frage, wie wäre ich damit umgegangen. Ich finde da passt dieses „Schlimmer geht’s immer”, auch wenn es platt klingt, total gut.
Moderator: Heidi Sand hat uns berichtet, dass sie am tiefsten Punkt ihres Lebens den Entschluss gefasst hat zum höchsten Punkt der Erde zu gehen. Sie hat den Mount Everest bestiegen.
Franziska Krause: Wow, das ist nicht wie ich meine Krankheit bearbeite. Es ist so schön zu sehen, wie eine Person aus der Krankheit und dem eigenen Hobby so eine Symbiose schaffen kann. Dass es so heilsam wird, das ist völlig beeindrucken.
Moderator: Was macht einen CancerSurvivor aus?
Franziska Krause: Was uns alle vereint ist, eine Erfahrung, die so einschneidend und unkontrollierbar ist, dass sie überfordert und das war es auch schon. Ab dann sind wir alle wieder Individuen, die anders mit der Krankheit umgehen müssen und können. Jedes Mal wenn ich mich mit anderen Krebsbetroffenen austausche, gibt es Momente, wo ich denke, wow das müssen wir uns nicht erklären. Das ist das Schöne an unserem Gespräch. Genauso gibt es Momente wo ich denke, das war gar kein Thema für mich. Darin auch einen Wert zu sehen, das ist total cool.
Moderator: Welche Pläne hast du? Was steht als Nächstes an?
Franziska Krause: Die klassischen Ziele, wie Heirat, kann ich mir nicht so gut vorstellen. Was ich mir wünschen würde, wäre ein kleines Gärtchen mit mehreren Personen, Kollektiv gedacht, mit eigenen Kartoffeln und so.
Moderator: Wir sind am Ende unseres Gesprächs angekommen und ich sage ganz herzlich, Danke Franziska, fürs Teilen, fürs lebendig machen deiner sehr besonderen Geschichte. Für den persönlichen Einblick in dein junges, bisher doch auch sehr bewegtes Leben. Dankeschön Franziska.
Transcript
Hallo und herzlich willkommen zu 1 neuen Folge unserer Interviewreihe, bei der wir Ihnen heute wieder eine beeindruckende Persu00f6nlichkeit, einen Cancer Survivor vorstellen wollen. Unser heutiger Gast hat gerade ihren sechsundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Und obwohl sie so jung ist, hat sie schon eine unglaubliche Klarheit entwickelt und trotz 1 Krebsdiagnose nie ihre Lebensfreude und ihre faszinierende Ausstrahlung verloren. Schlimmer geht's immer, sagte sie, als sie mit dem Hodgkin Lymphom erkrankte und danach am Tiefpunkt ihres bisher jungen Lebens angekommen war. Heute hat sie Platz genommen auf unserem roten Survivor Chair, mitten in ihrer Lieblingslocation, dem Berliner Karaoke Club Green Mango.
Herzlich willkommen, Franziska Grause. Erzu00e4hl uns doch bitte deine Geschichte. Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Ich bin hier in Berlin Neuku00f6lln aufgewachsen, also waschechte Berlinerin, bin hier zur Schule gegangen, hab dann mich da auch entschieden, hier in Berlin mit dem Studium weiterzumachen und hab also ein ganz unbeku00fcmmertes, relativ zielorientiertes Leben gefu00fchrt.
Welche Auffu00e4lligkeiten gab es damals, die dich dazu veranlasst haben, zum Arzt zu gehen?
Wenn ich jetzt zuru00fcckblicke, dann merke ich sone gewisse Mu00fcdigkeit und sone Erschu00f6pftheit, die die mit nichts zu vergleichen ist. Also ich bin tagelang nicht aus dem Bett gekommen bei 10 Stunden Schlaf, bei 8 Stunden Schlaf.
Und das nicht, weil Du jeden Abend im Karaoke Klub warst?
Nee, weil ich jeden Abend Aber das war zumindest, was ich dachte. Ich bin Studentin, ich bin mu00fcde, seit ich mit
dem Studium angefangen habe. So habe
ich das irgendwie wahrgenommen und so ein bisschen gehu00f6rt das ja auch dazu, mu00fcde zu sein, wenn man die Nacht vorher irgendwie gelernt hat natu00fcrlich. Ich habe dann so Ende September einen vergru00f6u00dferten Lymphknoten bemerkt am Hals und bin einfach irgendwie zur u00c4rztin hin und bin eigentlich sofort mehr oder weniger ins Krankenhaus u00fcberwiesen worden, weil relativ schnell klar war, das muss rausgenommen werden, es muss geguckt werden, was das ist. Und als der Arzt das aussprach und Lymphom sagte, fragte ich vu00f6llig aus allen Wolken fallend, also Krebs? Weil das so entfernt war von der Realitu00e4t, die ich erwartet habe oder die ich gelebt habe. Und dann merkt er es selber erst, was er da eigentlich irgendwie zu mir sagt und fing gleich an, das typische Programm runterzurattern.
Hat Hodgins Lymphomen, sehr gute Heilungschancen. Aber ehrlich gesagt habe ich dann schon gar nicht mehr zugehu00f6rt.
Wie hast du versucht, diese unverru00fcckbare Tatsache in dein Leben zu integrieren?
Den Tag der Diagnose musste ich jedes Mal anfangen zu weinen und als ich dann nach Hause kam, daran erinner ich mich sehr gut, stellte ich mich dann vor den Spiegel und hab so oft gesagt, ich hab Krebs, bis ich aufgehu00f6rt hab zu weinen, bis die Tru00e4nen nicht mehr kamen und hab das da zum ersten Mal gemerkt, wenn ich das schaffen kann, dann schaff ich das auch.
Franziska, wie geht man damit scheinbar erst mal keinerlei Handlungsoptionen zu haben?
Ich hab ja relativ schnell gemerkt, dass das Daru00fcbersprechen mich handlungsfu00e4hig macht.
Kannst Du verstehen, dass es Menschen gibt, die eine Krebsdiagnose bekommen und die nicht daru00fcber sprechen?
Ich kann sehr verstehen, dass Menschen sich da schu00fctzen wollen und sagen, ich sag's nicht, dann muss ich mich nicht konfrontieren mit Reaktionen.
Wie war das fu00fcr deine Eltern? Konnten deine Eltern das aussprechen? Unsere Tochter hat Krebs?
Das ist ein Thema, da wird mir heute auch noch immer ganz mulmig, wenn ich daru00fcber nachdenken muss, dass meine Eltern es auch ihren eigenen Eltern erzu00e4hlen mussten und ich stell mir das auch sehr grausam vor. Mir gegenu00fcber waren die beiden sehr, sehr offen, sehr kommunikativ, sehr interessiert daran, mit mir daru00fcber zu sprechen und es nicht zu verheimlichen, nicht so zu tun, als wu00e4re nichts.
Was fu00fcr eine Anmutung ist das, wenn man gerade mal 23 Jahre jung ist, das ganze Leben vor sich hat und schlagartig mit der eigenen Begrenztheit und Zerbrechlichkeit konfrontiert wird?
Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag der Diagnose, als ich in einem Zweigespru00e4ch war und daru00fcber gesprochen habe, wie das so sein wird und daru00fcber nachgedacht habe und habe mich einfach nur als Person imaginieren ku00f6nnen, die das schon durchgemacht hat. Ich glaub, das ist eine Sache, die mir sehr schmerzlich schnell bewusst geworden ist, sobald die Therapie angefangen hat, die Chemotherapie, wie wenig ich mit 23 wusste, was es heiu00dft, krank zu sein, was es heiu00dft, die Treppen nicht hochzukommen, was es heiu00dft, und auch nicht nur ku00f6rperlich, sondern auch irgendwie die Tage nach der Chemo den den Kopf so leer zu haben, dass ich gar nicht sprechen mu00f6chte, weil ich gar nichts zu sagen habe.
u00dcbernimmt die Krankheit da das Sagen in deinem Leben?
Total. Ist wie auf auf Pause dru00fccken und alles alles andere geht weiter. Alle anderen Menschen leben ihr Leben weiter. Auch die, die total auf mich konzentriert sind und total fu00fcr mich da sind, leben trotzdem ihr Leben weiter und mein mein Leben fu00fchlt sich an nicht nur wie auf Pause, sondern auch noch irgendwie mit extra schweren Rucksack. Also auch noch das, was irgendwie schon nicht lu00e4uft, ist auch noch schwerer.
Du hast gesagt, du bist zu Hause wieder eingezogen wu00e4hrend deiner Erkrankung und deine Eltern haben sich dich geku00fcmmert. War das ein ganz normales Verhu00e4ltnis oder gab es da neue Situationen, wo du gemerkt hast, da spricht jetzt eine andere Franziska zu euch, liebe Eltern, die es vorher so nicht gab?
Ich glaube, es ist sehr schwer aushaltbar zu sehen, dass auch ich irgendwann nicht mehr stark bin und das mitzugehen und nicht zu versuchen, mich aufzumuntern, gab es auf jeden Fall mehr als einen Moment, wo ich einfach drum gebeten hab, ich brauch jetzt keinen, Du schaffst das, Du darfst jetzt weinen und Du darfst jetzt traurig sein und Du darfst jetzt wu00fctend sein.
Welchen Traum hast Du immer wieder getru00e4umt, weil er dir mu00f6glicherweise sehr viel Kraft gegeben hat?
Mein kleiner Cousin, der heiratet oder mein Patenkind, dass das geboren wird. Sind, das ist, wenn ich mich zuru00fcckerinnere, das sind die Momente, in denen ich am meisten Angst hatte, mich am meisten gesorgt hab, weil diese Vorstellung, nicht da zu sein, sehr schmerzvoll war. Und das sind Dinge, die mich immer sehr motiviert haben. Und vielleicht ist das nicht unbedingt ein Traum, aber das sind schon Momente, in denen ich realisiert habe, das mu00f6chte ich noch und dafu00fcr mache ich das.
Ganz viele Krebserkrankte haben mir berichtet, dass sie sehr hu00e4ufig die ganze Kraft, die sie haben, dafu00fcr verwendet haben, es anderen leicht zu machen, daru00fcber zu sprechen.
Fu00fcr mich war es eine ganz, ganz starke, ganz wichtige Realisierung, die Narrative oder das Daru00fcber Sprechen nicht zu verschu00f6nern und nicht so zu tun
mit Als ob es das nicht gu00e4be.
Genau, beziehungsweise habe ich dann doch auch schon gemerkt, dass ich, andere Menschen zu schu00fctzen, Dinge schu00f6ner mache, verschu00f6nere oder die abrunde und aber ja, eigentlich ist alles gut. Und das war auch ein sehr, sehr wichtiger Prozess zu lernen, auch sich das rauszunehmen, zu sagen, nein, mir geht's schlecht. Ich glaub, eine der schmerzvollsten Erfahrungen fu00fcr mich war tatsu00e4chlich sone Art Kontrollverlust, weil mir schnell bewusst geworden ist, was ich alles nicht mehr kontrollieren kann und mir auch sehr schmerzlich bewusst geworden ist, was fu00fcr eine grou00dfe Illusion das auch schon vorher war, dass ich irgendwas kontrollieren kann. Und ich merke, dass es 1 gewissen Art vielleicht auch eine neu gefundene Freiheit ist zu verstehen, ich kann so viel planen, ich will, morgen kann es auch schon vorbei sein. Das klingt so abgedroschen und es geht gar nicht das tatsu00e4chliche Ende, morgen bin ich tot, sondern morgen geht's mir vielleicht nicht gut genug, das zu machen und dann ist es auch okay.
Was ich oft auch auf schmerzliche Weise verstehen musste, ist, dass das Thema Krebs und die Krankheit Krebs so eine kollektive Erfahrung ist, so ein u00f6ffentliches Gut und dass ich ganz oft mich sehr davon u00fcberfordert gefu00fchlt hab und irritiert war, wie ich da verhandelt worden bin und zusammengemischt worden bin mit der Idee, was es heiu00dft, Krebs zu haben.
Was gut fu00fcr dich ist.
Was gut fu00fcr mich ist oder wie Ich erinnere mich an an so Sachen wie, ja, das die die Glatze wird dir stehen. Und ich dachte mir, Du musst dir keine Sorgen machen. Und ich dachte mir, mach mir keine Sorgen. Aber jede Person soll ihre Krankheit selbst so annehmen, wie sie will. Und wenn jemand, wenn eine Person daru00fcber am traurigsten sein will, dass die Haare ausfallen, dann soll es so sein.
Franziska, warum hast Du diese Location ausgesucht? Ist Karaoke oder Singen ein gutes Mittel, zu gesunden?
Weil das singen und dabei rumgru00f6len und sich sozusagen trashig verhalten im Sinne von das trashigste Lied auszusuchen und dafu00fcr gefeiert zu werden, dass es schon wieder die Spice Girls sind.
Du bist gerade 26 geworden vor wenigen Tagen, noch mal alles Gute, herzlichen Glu00fcckwunsch dazu. Ist dein Leben, wenn du heute drauf schaust, so in Ordnung, wie es ist? Wu00fcrdest du sagen, ist ein gutes Leben?
Ja, total. So viele Dinge, die seitdem passiert sind und ich geh mal davon aus, das wird auch noch weiter so so bleiben, sind so, bedeuten mir so viel und sind so bereichernd fu00fcr mich. Genauso auch zu wissen, das schon mal geschafft zu haben. Das ku00f6nnen nicht viele Menschen von sich behaupten und es ist auch okay und es ist auch voll gut und ich bin eigentlich ganz glu00fccklich, dass nicht so viele Menschen das machen mu00fcssen. Aber das gibt mir eine Ruhe oder eine Coolness in manchen Momenten, die mir ganz gut gefu00e4llt.
Wie reagieren denn die Menschen im Alltag auf die neue Franziska?
Ich glaub, wenn Du meine Eltern fragst, dann antworten die. Also neu ist die gar nicht. Die kriegen natu00fcrlich eine ganz andere Person mit. Aber es gibt, glaub ich, ganz viele Menschen, die erst mal erstaunt sind. Wenn ich jetzt sagen wu00fcrde, was gehu00f6rt zur neuen Franziska, dann das sich auseinandersetzen mit der Krankheit, daru00fcber sprechen, sich das auch rausnehmen, daru00fcber zu sprechen und das einzufordern.
Und da bekomme ich die unterschiedlichsten Reaktionen von Vergiss es doch, ist doch jetzt vorbei, ist doch alles gut, ist doch jetzt alles wieder in Ordnung, warum redest Du noch daru00fcber? Womit ich ganz anfangen kann und wo ich auch sehr ungehalten klar u00e4uu00dfere, dass das nicht der Weg ist, den ich gehen mu00f6chte.
Was wu00fcrdest Du anderen Betroffenen raten?
Ich hab im April die 2014 die Chemo beendet und hab im Oktober 2014 mit dem Studium wieder angefangen. Das war halbes Jahr. Hu00e4tte ich noch Jahr gewartet, das hu00e4tt mir auch nicht gepasst. Und es war, es hu00e4tt es gibt keinen richtigen Zeitpunkt. Und als ich's gemacht hab, war's der richtige Zeitpunkt, weil ich's gemacht habe.
Mutig sein und sich trauen.
Du hast wu00e4hrend der Therapie gesagt, schlimmer geht immer. Warum genau dieser Satz?
Ich sehe in so vielen Geschichten, die ich seitdem gehu00f6rt habe, in so vielen Leben, die ich irgendwie teilen konnte, Dinge, die mich so die mich so beeindrucken, wie Menschen es geschafft haben und ich mir immer die Frage stelle, wie wu00e4r ich damit umgegangen? Und ich finde, da passt das, schlimmer geht's immer, auch wenn's ganz platt klingt, total gut.
Heidi Sand hat uns berichtet und erzu00e4hlt, dass sie am tiefsten Punkt ihres Lebens den Schluss gefasst hat, zum hu00f6chsten Punkt der Erde zu gehen. Und sie hat den Mount Everest bestiegen.
Wow, das ist nicht, wie ich meine Krankheit bearbeite und es ist so schu00f6n zu sehen, wie eine Person aus 1 aus 1 aus ihrer aus der Krankheit und dem eigenen Hobby so eine Symbiose schaffen kann, dass es so heilsam wird, das ist vu00f6llig beeindruckend.
Was macht einen Kancer Survivor aus?
Was uns alle vereint, ist ein eine Erfahrung, die so einschneidend ist, dass sie unkontrollierbar ist, u00fcberfordernd und das war's auch schon. Ab dann sind wir alle wieder Individuen, die anders mit der Krankheit umgehen mu00fcssen und ku00f6nnen. Und jedes Mal, wenn ich mich mit anderen Krebs Betroffenen oder Krebserkrankten austausche, gibt es Momente, wo ich denke, wow, das mu00fcssen wir uns nicht erklu00e4ren. Das ist das Schu00f6ne an unserem Gespru00e4ch. Und es gibt Momente, an denen ich denke, wow, das war gar kein Thema fu00fcr mich.
Und darin auch Wert zu sehen, das ist das ist total cool.
Welche Plu00e4ne hast Du? Was steht als Nu00e4chstes an?
So die klassischen Ziele, so Heirat oder so, das war irgendwie ist nie son richtiges Thema fu00fcr mich gewesen. Was ich mir trotzdem ganz gut vorstellen kann, wir sind kleines Gu00e4rtchen mit mehr als irgendwie nur 1 Person irgendwie son bisschen kollektiv gedacht, vielleicht sogar mit eigenen Kartoffeln und so. Vielleicht vielleicht Gu00e4rtchen. Wir
sind am Ende unseres Gespru00e4ches angekommen und ich sage ganz herzlich Danke, Franziska fu00fcrs Teilen, fu00fcrs lebendig machen deiner sehr besonderen Geschichte, von dem persu00f6nlichen Einblick in dein news, bisher doch auch sehr bewegtes Leben. Wu00fcnsch dir von Herzen das Allerbeste. Dankeschu00f6n, Franziska.
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