Ziele vor Augen – beim Marathon und im Leben
Andrea Röhm ist eine junge, sportliche Frau und fasziniert durch ihre herzliche Ausstrahlung und ansteckende Lebensfreude. Sie ist richtig gut im Leben angekommen – im Job wie auch privat – als sie die Diagnose über einen Tumor im Nasenraum (Plattenepithelkarzinom) erhält. Der nächste Schock folgt: Der Krebs hat bereits Metastasen gebildet und die Leber befallen. Sie verzweifelt nicht daran, sondern setzt sich intensiv mit der Krankheit und den möglichen Konsequenzen auseinander. Andrea sagt:
Als informierte Patientin fällt es mir leichter, Entscheidungen zu treffen und somit auch Therapien besser durchzustehen. Ich will wissen, worauf ich mich einlasse.
Im Interview lernen wir die talentierte Hobbyköchin und charmante Gastgeberin Andrea kennen. Trotz der Diagnose Krebs geht sie mutig ihren Weg und hat ihr „Zurück ins Leben“ u.a. beim Berliner Marathon entdeckt. Offen und beherzt erzählt sie aus ihrem Leben, spricht über Höhen und Tiefen und wie sie ihr privates Glück gefunden hat. Man spürt, wie sehr sie dem Leben verpflichtet ist. Lebensfroh, humorvoll und kommunikativ erleben wir einen CancerSurvivor, die sich durch den Verlauf ihrer Erkrankung nicht von ihren Zielen und Idealen abbringen lässt und mit ihrer Geschichte beeindruckt. Chapeau für so viel Lebensstärke und Disziplin.
Das Interview zum Nachlesen:
Moderator: Ich darf Sie ganz herzlich willkommen heißen zu einer neuen Ausgabe von „Ein Gespräch im roten Sessel“. Wie Sie gleich sehen werden, sind wir heute in der Küche eines Lofts zu Gast und eine charmante und talentierte Hobbyköchin wird uns zum Gespräch begrüßen. Unsere Gastgeberin steht mit beiden Beinen im Leben, ist lebensfroh, humorvoll und vor allen Dingen sportlich. Andrea erhielt 2016 die Diagnose weißer Hautkrebs. Sie ist daran nicht daran verzweifelt, sondern hat sich intensiv mit der Krankheit und den möglichen Konsequenzen auseinandergesetzt. Sie sagt: „Als informierte Patientin fällt es mir leichter Entscheidungen zu treffen und somit auch Therapien besser durchzustehen. Ich will wissen, worauf ich mich einlasse. Gleich werden wir mit ihr über ihr junges Leben und über ihre Erkrankung sprechen. Jetzt hat sie bereits Platz genommen auf dem roten Survivor-Sessel. Ganz herzlich willkommen, Andrea Röhm.
Andrea Röhm: Hallo. Danke, dass ich hier sein darf und ich freu mich aufs Gespräch.
Moderator: Andrea, sei so lieb. Erzähl deine Geschichte. Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung.
Andrea Röhm: Also ich bin auf dem ländlichen groß geworden in Mecklenburg-Vorpommern, ein ganz kleines Dorf mit circa 200 Einwohnern als jüngstes Kind von vier Kindern. Bin nach der Schulausbildung nach Berlin gegangen zur Bankausbildung und ich wollte reisen, wollte andere Kulturen entdecken. Irgendwann dachte ich mir dann okay entweder eine Familie gründen, der passende Partner war aber nicht da, zu dem Zeitpunkt mit Mitte zwanzig, also habe ich mir gedacht, dann kannst du vielleicht noch ein Studium machen als Betriebswirtin in Abendform.
Moderator: Das war schon eine anspruchsvolle Zeit in der du da gelebt hast, das alles unter einen Hut zu bekommen.
Andrea Röhm: Das Abendstudium zwei Abende die Woche, Samstag während andere ausschlafen, bin ich zur Schule gefahren. Man ist trotzdem natürlich auch mal ausgegangen, aber es war nicht mehr so viel Privatleben wie vorher.
Moderator: Andrea wie kam es zur Diagnose Krebs?
Andrea Röhm: Ich hatte damals immer Mal wieder Erkältungen, Entzündungen, die auch nicht auskuriert waren. Dann kam Weihnachten. Ich war wieder erkältet bei der Familie und war wieder nicht fit und zwischen den Feiertagen bin ich zum HNO-Arzt gegangen, in der Mittagspause. Da war dann mal Zeit für den Arzttermin und der sagte mir, dass da etwas wächst in der Nase also das kann man nicht einfach beheben und hat dort eine Probe entnommen und im CT konnte man aber sehen, dass das ein Tumor war der 4cm schon groß war. Was nach außen hin nicht sichtbar war.
Moderator: Wann ist das Wort Krebs zum ersten Mal ausgesprochen worden und von wem?
Andrea Röhm: Als ich im April 2016 dann in die Klinik kam und der Tumor dann herausoperiert wurde, die Pathologie hatte dann 14 Tage später den Befund geschickt und da war es dann bösartig und da saß ich dann wirklich auf einem Hocker und wäre im wahrsten Sinne fast vom Hocker gefallen, denn als die Diagnose es ist Krebs es ist ein Plattenepithelkarzinom, das Wort hatte ich vorher noch nie gehört, gesagt wurde, dann verschwimmt das drumherum. Man kann in dem Moment gar nicht damit umgehen, man weiß gar nicht, was hat das für Konsequenzen, was kommt da auf mich zu.
Moderator: Und man wird wahrscheinlich gar nichtmehr zuhören können, was dann noch gesagt wird.
Andrea Röhm: Genau, man ist gar nicht aufnahmefähig, genau. Sie hat dann natürlich erklärt was folgt und trotzdem bin ich an dem Tag aus der Klinik gegangen und bin ohne Ziel gelaufen und habe geweint und
Moderator: Was waren die ersten Gedanken als du wieder ein bisschen klarer geworden bist?
Andrea Röhm: Was ist der nächste Schritt? Und der wurde natürlich von der Klinik vorgegeben. Man hat ein CT vom Oberkörper gemacht um zu überprüfen, ob der Krebs metastatiert hat. Das Ergebnis war zu dem Zeitpunkt, dass ich Glück im Unglück hatte. Es bedarf keiner Chemotherapie, keine Bestrahlung, auch die Lymphknoten konnten drinbleiben. War eigentlich Glück im Unglück.
Moderator: Dann hast du wahrscheinlich erstmal gedacht: Das Projekt ist hiermit abgeschlossen.
Andrea Röhm: Genau. Und auch der Arzt sagte, es steht mir frei. Ich kann eine Anschluss-Reha-Behandlung machen. Ich kann wieder zu arbeiten beginnen, ich kann auch wieder Sport machen. Zu dem Zeitpunkt war mein Ziel den Marathon zu laufen.
Moderator: Das heißt du hast die nächsten Ziele definiert, du hast Pläne geschmiedet. Dann gab es glaube ich auch einen Mann in deinem Leben, den du damals kennengelernt hast?
Andrea Röhm: Genau, den habe ich kurz vor meinem Marathon kennengelernt. Der kam eigentlich zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn mein Leben war fixiert auf die Lauferei.
Moderator: Hat der Marathon stattgefunden und wenn ja genau wann?
Andrea Röhm: Ja, er hat stattgefunden und zwar am 25. September 2016 war mein großer Tag, ja ging es am frühen Morgen los, 42 Kilometer waren das Ziel.
Moderator: Durch Berlin?
Andrea Röhm: Durch Berlin, einmal quer durch Berlin und bei bestem Wetter. Jeder Kilometer war mit einem Lächeln im Gesicht, denn ich hatte eine Vorgeschichte, ich hätte gedachte nicht, dass ich das erreichen kann und das Training hat sich ausgezahlt.
Moderator: Welche Gefühle überkommen einen da, wenn man da durch das Ziel läuft und sich auch ein Stück weit daran erinnert, wie schlecht es einem vorher ging?
Andrea Röhm: Also es sind sehr viele Emotionen. Auch unterwegs kamen die Tränen, denn die letzten Monate lässt man Revue passieren, den Kampf gegen den Krebs, die Operationen bis zu meinem 30. Lebensjahr war ich nie im Krankenhaus, dann war ich eben sehr oft im Krankenhaus, dann wieder das Training, der Sommer, das Ziel des Marathons. Schon während der letzten Meter war, das war üblich für mich, war man eigentlich schon weiter, denn man wusste man hat es geschafft. Also ich wusste dieses Ziel erreichst du jetzt, du hast es geschafft und jetzt kannst du viel erreichen, also….
Moderator: Andrea das könnte ein Lauf gewesen sein, so hört es sich für mich an, zurück ins Leben. Alles ist wieder auf Leben ausgerichtet.
Andrea Röhm: Es ist schon erstaunlich, was man dem Körper wieder abrufen kann, dass er eigentlich zu den Trainingseinheiten vor der Erkrankung wieder anknüpfen kann.
Moderator: Gab es Menschen in deinem persönlichen Umfeld oder auch von Ärzteseite, die gesagt haben: na, überleg dir, dass doch mit dem Marathon, ob das nicht ein bisschen viel ist.
Andrea Röhm: Die Ärzte sagten: auf die Belastungsgrenze achten und nicht drüber hinaus. Für mich war es eben einfach schauen, wie weit kannst du gehen und sicherlich alles drum herum, ob Ernährung, ob viel Schlaf und wenig Weggehen, feiern gehen zu dem Zeitpunkt, dass man genug Energie hat für das Training, für das Laufen.
Moderator: Für was steht die Medaille, wenn du heute draufschaust?
Andrea Röhm: Die steht für mein Durchhaltevermögen und du kannst das schaffen. Wenn du etwas möchtest, kannst du das schaffen?
Moderator: Wie ging es in deinem Leben nach dem Marathon weiter?
Andrea Röhm: Das erste war Urlaub. Ich hatte mir schon wirklich einen Tag nach dem Marathon gebucht. Ich hatte nur gehofft, dass meine Wehwehchen nicht ganz so stark sind, dass du auch ja zum Flughafen kommst und mit dem Koffer zum Urlaubsort. Nachdem ich wieder auf der Arbeit eingestiegen bin, dachte ich jetzt hast du es aber geschafft, jetzt hast du auch dein Immunsystem wieder stabilisiert. Und kannst arbeiten gehen, kannst wieder ausgehen. Wir haben das Leben genossen zu zweit, es hat gar nicht so lange gedauert, bis wir gedacht haben wir wollen dann auch eine Familie gründen. Ich habe gedacht aufgrund der Vorgeschichte, lass das nochmal abklären, lass nochmal ein CT vom Oberkörper machen. Zu dem Zeitpunkt hat man eben festgestellt, dass im CT mehrere Läsionen an der Leber gesehen wurden. Das war natürlich zu dem Zeitpunkt ein Schock, denn eigentlich wollte man eine Familie planen und jetzt hat man eben zu dem Zeitpunkt wieder Angst, der Krebs könnte wieder da sein. Läsionen sind erstmal nur Verletzungen der Leber, man musste natürlich erstmal untersuchen, was ist das, wo kommt das her?
Moderator: Das war ein Jahr nach dem Marathon?
Andrea Röhm: Ja, genau. Ich habe immer versucht an etwas Positives zu denken. Genau zu dem Zeitpunkt denke ich hat mir der Marathon auch Kraft gegeben, denn dass hast du schon geschafft und…
Moderator: Dann schaffst du auch das.
Andrea Röhm: Genau, dann zu Beginn des neuen Jahres stand fest, das sind Metastasen, Fernmetastasen in der Leber, die eben durch den Körper von der Nase r wanderten
Moderator: Hast du gedacht, jetzt habe ich es einmal geschafft, jetzt schaffe ich es auf jeden Fall ein zweites Mal?
Andrea Röhm: Zu Beginn auf jeden Fall. Es war wieder ein Projekt mit Meilensteinen. Ein Schritt nach dem anderen. Zunächst wollten die Chirurgen schauen, dass man eventuell operieren kann also das Glück wie damals. Eine Operation, dann ist es erledigt aber nach einem genauerem MRT hat sich eben herausgestellt, es sind beide Leberlappen betroffen, chirurgisch ist da zu dem Zeitpunkt nichts möglich, das nächste ist eine Chemotherapie, die gemacht werden muss, um erstmal die Metastasen zurückzudrängen. Bevor die Chemotherapie begann hatte mein Hausarzt noch die Empfehlung gegeben, sich zu informieren, in einer Kinderwunschpraxis, was möglich wäre, Zwecks Unfruchtbarkeit durch die Chemotherapie und auch das haben wir in Anspruch genommen, haben uns beraten lassen. Kurz bevor die Chemotherapie begann und man nochmal ein MRT gemacht hat, waren es schon mindestens 15 Metastasen. Man wusste nicht, wie viel Zeit hat man und da man auch nicht wusste, wie übersteht man die Chemotherapie und die weitere Behandlung war halt das Thema Kinderwunsch zu dem Zeitpunkt erstmal genommen.
Moderator: Aus dem was du sagst höre ich heraus, dass du dennoch trotz aller Widrigkeiten, Umstände, Schwierigkeiten, Herausforderungen und auch dem Leid immer wieder ans Leben geglaubt hast?
Andrea Röhm: Ja, also schon während der Therapien, immer mit dem Gang vorher ins Krankenhaus vorher schon anrufen, wann beginnt der nächste Zyklus, haben wir versucht die Zeit eben trotzdem zu genießen. Wenn es zwei, drei Tage an der Ostsee waren, ein Familienfest, Geburtstagsfeier der Freunde. Immer wieder sich Ziele zu stecken, auch dazwischen und wenn es eben sein musste, dass eben der nächste Zyklus der Chemotherapie zwei, drei Tage nach hinten schieben musste. Es kam dann zu einer Sirrt, das ist eine Radioembolisation, wo man von innen bestrahlt wird und Ich hatte eine ganze Weile Ruhe, also es waren etwa drei Kontrollverlaufstermine, wo man Stillstand und sogar etwas Rückgang hatte und man somit sagen konnte, dass die Bestrahlung auch etwas geholfen hat.
Moderator: Wie ist es dir gelungen, dem Krebs nicht so viel Beachtung und nicht so viel Raum zu geben?
Andrea Röhm: Ich hatte eine Therapeutin zu dem Zeitpunkt auch, die mich durch die Erkrankung begleitet hat, Freunde, Partner, mein Bruder, der mich sehr unterstützt hat, die Familie, die gesagt hat, trotz Entfernung von Mecklenburg-Vorpommern nach Berlin, wir setzen uns sofort ins Auto, wir kommen. Alle waren für mich da, und haben sich für mich angeboten, ob es ein Spaziergang war, ob es ein gemeinsames Essen war.
Moderator: Was hat dir die Beziehung zu deinem Freund Joachim bedeutet?
Andrea Röhm: Sehr viel. Ich bin nicht gläubig aber zu Beginn dieses Projekts habe ich auch öfter auch schon öfter zu meinen Freunden gesagt, der liebe Gott hat mir doch noch einen Engel geschickt, um dieses Projekt zu bewältigen.
Moderator: Wie schafft man es immer fortwährend die Zuversicht vor dem nächsten Schritt zu gewinnen?
Andrea Röhm: Positiv denken. Also ich glaube mit jedem. Alles was noch so negativ und schlecht verlief, hat meine Therapeutin mir beigebracht positiv zu denken. Ob es bei der Chemotherapie die Tasche mit der Flasche des Medikaments war. Genau dieses Medikament belastet dich jetzt so, fügt die Schmerzen und Leid zu und dann kam eine Freundin und hat mir an die Tasche, wo das Medikament drin war einen Engel drangehangen und hat mir gesagt, dass ist dein Glück, das heilt dich, bringt dich wieder da hin, zu deinem Leben vorher und das hat mir wirklich gutgetan.
Moderator: Würdest du deine Krebserkrankung als eine chronische Erkrankung mittlerweile bezeichnen?
Andrea Röhm: Ja, es ist immer wieder ein Auf und Ab der Erkrankung. Ich habe genug Rückschläge erlebt aber eben auch Erfolgserlebnisse zwischendurch aber mittlerweile weiß ich, dass es nicht komplett weggehen kann. Dass ich mit den Metastasen leben muss und alles so darauf ausrichte, dass der Körper eben, dass ich mich wohlfühle, dass ich fit bleibe, sportlich, beweglich, ernährungstechnisch, von der Psyche natürlich positiv bleibe. Alles was eben zur Unterstützung der Krankheit und des Zurückdrängens des Wachstums helfen kann.
Moderator: Geht es darum bei der Bewältigung einer Krebserkrankung immer den nächsten Schritt zu gehen?
Andrea Röhm: Ja, also eigentlich, wenn eine Behandlung wieder ansteht, immer schon ein Zeil danach zu haben. Das können unterschiedliche Dinge sein. Jetzt steht demnächst wieder eine Behandlung an in den nächsten Tagen, es wird wieder eine Bestrahlung gemacht und danach geht es eben weiter, was ist das nächste Urlaubsziel, vielleicht mal der Salsa-Tanzkurs, der schon lange im Hinterkopf ist, der dann angegangen wird. Ja, also da sind so einige Sachen.
Moderator: Andrea, wir sind am Ende unseres Interviews angekommen. Ich fand es ein ausgesprochenes Beeindruckendes Erlebnis mit dir heute ins Gespräch zu gehen, zu hören, zu spüren mit welcher positiven Haltung du bisher durch dein Leben gegangen bist. Ich wünsche dir ab jetzt nur noch Höhen und keine Tiefen mehr. Alles Gute für dich.
Andrea Röhm: Dankeschön.
Transcript
Ich darf Sie ganz herzlich willkommen heiu00dfen zu 1 neuen Ausgabe von ein Gespru00e4ch im roten Sessel.Wie Sie gleich sehen werden, sind wir heute in der Ku00fcche 1 Lofts zu Gast und eine charmante und talentierte Hobbyku00f6chin wird uns zum Gespru00e4ch begru00fcu00dfen.Unsere Gastgeberin steht mit beiden Beinen im Leben, ist lebensfroh, humorvoll und vor allen Dingen sportlich.Andrea erhielt 20 16 die Diagnose weiu00dfer Hautkrebs.Sie ist daran nicht verzweifelt, sondern hat sich intensiv mit der Krankheit und den mu00f6glichen Konsequenzen auseinandergesetzt.
Sie sagt, als informierte Patientin fu00e4llt es mir leichter, Entscheidungen zu treffen und somit auch Therapien besser durchzustehen.Ich will wissen, worauf ich mich einlasse.Gleich werden wir mit ihr u00fcber ihr junges Leben und u00fcber ihre Erkrankung sprechen.Jetzt hat sie bereits Platz genommen auf dem roten Survivor Chair.Ganz herzlich willkommen, Andrea Rulm.
Hallo, danke, dass ich hier sein darf und ich freu mich aufs Gespru00e4ch.
Andrea, sei so lieb.Erzu00e4hl uns deine Geschichte.Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Also ich bin auf dem Lu00e4ndlichen grou00df geworden in Mecklenburg Vorpommern, ein ganz kleines Dorf mit circa 200 Einwohnern als ju00fcngstes Kind von 4 Kindern.Bin nach der Schulausbildung nach Berlin gegangen zur Bankausbildung und ich wollte reisen, wollte andere Kulturen entdecken.Irgendwann dacht ich mir dann, okay, entweder eine Familie gru00fcnden, der passende Partner war aber nicht da zu dem Zeitpunkt mit Mitte 20.Also hab ich mir gedacht, dann kannst Du vielleicht auch noch ein Studium machen als Betriebswirtin in Abendform.
Das war schon eine anspruchsvolle Zeit, in der Du da gelebt hast, das alles unter einen Hut zu kriegen.
Das Abendstudium 2 Abende die Woche, samstags, wu00e4hrend andere ausschlafen, bin ich zur Schule gefahren.Man ist trotzdem natu00fcrlich auch mal ausgegangen, aber es war dann nicht mehr so viel Privatleben wie vorher.
Andrea, wie kam es zur Diagnose Krebs?
Ich hatte damals mal mal wieder Erku00e4ltungen, Entzu00fcndungen, die auch nicht auskuriert waren.Dann kam Weihnachten, ich war wieder erku00e4ltet bei der Familie und war wieder nicht fit.Und zwischen den Feiertagen bin ich dann zum HNO Arzt gegangen in der Mittagspause.Da war dann mal Zeit fu00fcr den Arzttermin.Und der sagte mir, dass da etwas wu00e4chst in der Nase, also das kann man nicht einfach beheben, hat dort eine Probe entnommen.
Und im CT konnte man aber sehen, dass das ein Tumor war, der 4 Zentimeter schon grou00df war, was nach auu00dfen hin nicht sichtbar war.
Wann ist das Wort Krebs zum ersten Mal ausgesprochen worden und von wem?
Als ich im April 2016 dann in die Klinik kam und der Tumor insofern herausobjektiert wurde, die Pathologie hatte dann 14 Tage spu00e4ter den Befund geschickt und da war's dann bu00f6sartig.Und da sau00df ich dann wirklich auf einem Hocker und wegen im wahrsten Sinne fast vom Hocker gefallen, denn als die Diagnose, es ist Krebs, es ist ein Plattenepithelkarzinom, das Wort hatte ich vorhin noch nie gehu00f6rt, gesagt wurde, dann verstimmt das Drumherum.Man man kann in dem Moment gar nicht damit umgehen.Man weiu00df gar nicht, was hat das fu00fcr Konsequenzen, was kommt jetzt auf mich zu?
Und man wird wahrscheinlich auch gar nicht mehr zuhu00f6ren ku00f6nnen, was dann noch gesagt wird.
Genau, man ist gar nicht aufnahmefu00e4hig.Genau.Und sie hat dann natu00fcrlich erklu00e4rt, was folgt und trotzdem bin ich an dem Tag aus der Klinik gegangen und und bin ohne Ziel gelaufen und habe geweint und
Was waren die ersten Gedanken, als Du wieder ein bisschen klarer geworden bist?
Was ist der nu00e4chste Schritt?Und der wurde natu00fcrlich von der Klinik vorgegeben.Man hat CT vom Oberku00f6rper gemacht, zu pru00fcfen, ob der Krebs metastasiert hat.Das Ergebnis war zu dem Zeitpunkt, dass ich Glu00fcck im Unglu00fcck hatte.Es bedarf keine Chemotherapie, keine Bestrahlung.
Auch die Lymphknoten konnten drin bleiben.War eigentlich Glu00fcck im Unglu00fcck.
Dann hast Du wahrscheinlich erst mal gedacht, das Projekt ist hiermit abgeschlossen.
Genau.Und auch der Arzt sagte, es steht mir frei, ich kann eine Anschlussreabehandlung machen.Ich kann wieder zu arbeiten beginnen.Ich kann auch wieder Sport machen.Zu dem Zeitpunkt war mein Ziel, den Marathon zu laufen.
Das heiu00dft, Du hast die nu00e4chsten Ziele definiert, Du hast Plu00e4ne geschmiedet.Dann gab's, glaub ich, auch einen Mann in deinem Leben, den Du damals kennengelernt hast, Den
habe ich kurz vor meinem Magathon sozusagen kennengelernt.Der kam eigentlich zu einem ungu00fcnstigen Zeitpunkt, denn mein Leben war fixiert auf die Lauferei.
Hat der Marathon stattgefunden und wenn ja genau wann?
Ja, er hat stattgefunden, und zwar am fu00fcnfundzwanzigsten September 2016 war mein grou00dfer Tag.Ja, ging es am fru00fchen Morgen los, 42 Kilometer.
Durch Berlin.
Waren das Ziel durch Berlin, einmal quer durch Berlin und bei bestem Wetter.Jeder Kilometer war mit einem Lu00e4cheln im Gesicht, denn ich hatte eine Vorgeschichte.Ich hu00e4tte nicht gedacht, dass dass ich das erreichen kann und das Training hat sich ausgezahlt.
Welche Gefu00fchle u00fcberkommen einen da, wenn man wenn man da durchs Ziel lu00e4uft und sich auch ein Stu00fcck weit dran erinnert, wie schlecht es einem vielleicht vorher da ging.
Also es sind sehr viele Emotionen.Man auch unterwegs kamen die Tru00e4nen, denn die letzten Monate lu00e4sst man eine Gebu00fchr passieren.Den Kampf gegen den Krebs, die Operation.Bis zu meinem dreiu00dfigsten Lebensjahr war ich nie im Krankenhaus.Dann war ich eben sehr oft im Krankenhaus.
Dann wieder das Training, der Sommer, der das Ziel des Marathons.Schon wu00e4hrend der letzten Meter war, das war u00fcblich fu00fcr mich, war man eigentlich schon weiter, denn man wusste, man man hat es geschafft.Also ich ich wusste, dieses Ziel erreichst Du jetzt.Du hast das geschafft und jetzt kannst Du viel erreichen, also.
Andrea, das ku00f6nnte ein Lauf gewesen sein, so hu00f6rt sich's fu00fcr mich an, zuru00fcck ins Leben.Alles ist wieder auf Leben ausgerichtet.Es
ist schon erstaunlich, was man dem Ku00f6rper wieder abrufen kann, dass er eigentlich zu den Trainingseinheiten vor der Erkrankung wieder anknu00fcpfen kann.
Gab es Menschen in deinem persu00f6nlichen Umfeld oder auch von u00c4rzteseite, die gesagt haben, na, u00fcberleg dir das doch mal mit dem Marathon, ob das nicht bisschen viel ist.
Ja, die u00c4rzte sagten eben, auf die Belastungsgrenze achten und nicht dru00fcber hinaus.Fu00fcr mich war es eben einfach schauen, wie wie weit kannst Du gehen?Und sicherlich alles Drumherum, ob Ernu00e4hrung, ob viel Schlaf und wenig weggehen, feiern gehen zu dem Zeitpunkt, dass man eben genug Energie hat fu00fcr das Training, fu00fcr das Laufen.
Fu00fcr was steht die Medaille, wenn Du heute drauf schaust?
Die steht fu00fcr mein Durchhaltevermu00f6gen und Du kannst das schaffen.Wenn Du etwas mu00f6chtest, dann kannst Du das schaffen.
Wie ging es in deinem Leben nach dem Marathon weiter?
Das Erste war Urlaub.Ich hatte mir schon wirklich einen Tag nach dem Marathon gebucht.Ich hab nur gehofft, dass meine Wehwehchen nicht ganz so stark sind, dass Du auch, ja, zum Flughafen kommst und mit dem Koffer dann auch im Urlaubsort.Und nachdem ich wieder auf der Arbeit eingestiegen bin, dacht ich so, jetzt hast Du's aber geschafft.Jetzt hast Du auch dein Immunsystem wieder stabilisiert und kannst arbeiten gehen, kannst wieder ausgehen.
Wir haben das Leben genossen zu zweit und es hat gar nicht so lange gedauert, bis wir gedacht haben, wir wollen dann auch eine Familie gru00fcnden.Ich hab gedacht aufgrund der Vorgeschichte, lass das noch mal abklu00e4ren, lass noch mal ein CT vom Oberku00f6rper machen.Zu dem Zeitpunkt hat man eben festgestellt, dass im CT mehrere Lu00e4sionen an der Leber gesehen wurden.Das war natu00fcrlich zu dem Zeitpunkt Schock, denn eigentlich wollte man eine Familie planen und jetzt hat man eben zu dem Zeitpunkt wieder Angst, der Krebs ku00f6nnte wieder da sein.Lu00e4sionen sind erst mal nur Verletzungen der Leber.
Man musste natu00fcrlich erst mal untersuchen, was ist das?Wo kommt es her?
Das war ein Jahr nach dem Marathon?
Ja, genau.Ich hab immer versucht, an etwas Positives zu denken.Genau zu dem Zeitpunkt, denk ich, hat mir der Magathon auch Kraft gegeben, denn das hast Du schon geschafft.Und Dann
schaffst Du auch das.
Genau.Dann zu Beginn des neuen Jahres stand fest, das sind Metastasen, Fernmetastasen in der Leber, die eben durch den Ku00f6rper von der Nase wanderten.
Hast Du gedacht, jetzt hab ich's einmal geschafft, jetzt schaff ich's auf jeden Fall auch das zweite Mal?
Zu Beginn auf jeden Fall.Es war wieder ein Projekt mit Meilenstein, einen Schritt nach dem anderen.Zunu00e4chst wollten die Chirurgen schauen, dass man eventuell operieren kann.Also vielleicht das Glu00fcck wie damals, eine Operation, dann ist es erledigt.Aber nach einem genauen MRT hat sich eben herausgestellt, es sind beide Leberlappen betroffen.
Chirurgisch ist da zu dem Zeitpunkt nichts mu00f6glich.Das Nu00e4chste ist eine Chemotherapie, die gemacht werden muss, erst mal die Metastasen zuru00fcckzudru00e4ngen.Bevor die Chemotherapie begann, hatte mein Hausarzt noch die Empfehlung gegeben, sich mal zu informieren in 1 Kinderwunschpraxis, was mu00f6glich wu00e4re zwecks Unfruchtbarkeit durch die Chemotherapie.Und auch das haben wir in Anspruch genommen, haben uns beraten lassen, Kurz bevor die Chemotherapie begann und man noch mal MRT gemacht hat, waren es schon mindestens 15 Metastasen.Man wusste nicht, wie viel Zeit hat man.
Und da man auch nicht wusste, wie u00fcbersteht man die Chemotherapie und die Weiteru00fcberhandlung, war das Thema Kinderwunsch zu dem Zeitpunkt erst mal, ja, genommen.
Aus dem, was Du sagst, hu00f6re ich heraus, dass Du dennoch trotz aller Widrigkeiten, Umstu00e4nde, Schwierigkeiten, Herausforderungen und auch dem Leid immer wieder ans Leben geglaubt hast.
Ja, also schon wu00e4hrend der Therapien immer mit dem Gang ins Krankenhaus vorher anrufen, wann beginnt der nu00e4chste Zyklus, haben wir versucht, die Zeit eben trotzdem zu genieu00dfen.Wenn es 2, 3 Tage an der Ostsee waren, ein Familienfest, Geburtstagsfeier der Freunde, immer wieder sich Ziele zu stecken, auch dazwischen.Und wenn es sein musste, dass eben der nu00e4chste Zyklus der Chemotherapie 2, 3 Tage nach hinten verschoben werden musste.Es kam dann zu 1 Sirt, das ist eine Radioembolisation, wo man von innen bestrahlt wird.Und also ich hatte doch eine ganze Weile Ruhe.
Also es waren etwa 3 Kontrollverlaufstermine, wo man Stillstand und sogar etwas Ru00fcckgang hatte und man somit sagen konnte, dass die Bestrahlung doch auch geholfen hat.
Wie ist es dir gelungen, dem Krebs nicht so viel Beachtung und nicht so viel Raum zu geben?
Ich hatte eine Therapeutin zu dem Zeitpunkt auch, die mich durch die Erkrankung begleitet hat.Freunde, Partner, mein Bruder, der mich sehr unterstu00fctzt hat.Die Familie, die gesagt hat, trotz Entfernung von Mecklenburg Vorpommern nach Berlin, wir setzen uns sofort ins Auto, wir kommen.Alle waren fu00fcr mich da und jeder hat sich angeboten, ob's Spaziergang war, ob's gemeinsames Essen war.
Was hat dir die Beziehung zu deinem Freund Joachim bedeutet?
Sehr viel.Ich bin nicht glu00e4ubig, aber zu Beginn dieses Projekts hab ich u00f6fter auch schon zu meinen Freunden gesagt, der liebe Gott hat mir doch noch einen Engel geschickt, dieses Projekt zu bewu00e4ltigen.
Wie schafft man das, immer wieder die Zuversicht fu00fcr den nu00e4chsten Schritt zu gewinnen?
Positiv denken.Also ich glaube, mit jedem Alles, was noch so negativ und schlecht verlief, hat meine Therapeutin mir beigebracht, positiv zu denken.Also ob es bei der Chemotherapie die Tasche mit der Flasche des Medikaments war, genau dieses Medikament belastet dich jetzt so, fu00fcgt dir Schmerzen und Leid zu.Und dann kam meine Freundin und hat mir in die Tasche, wo das Medikament drin war, einen Engel rangehangen.Und sie hat gesagt, das ist dein Glu00fcck, das heilt dich, bringt dich wieder dahin zu deinem Leben vorher und das hat mir wirklich gutgetan.
Wu00fcrdest Du deine Krebserkrankung als eine chronische Erkrankung mittlerweile bezeichnen?
Ja, es ist immer wieder Auf und Ab der Erkrankung.Ich hab genug Ru00fcckschlu00e4ge erlebt, aber eben auch Erfolgserlebnisse zwischendurch.Aber mittlerweile weiu00df ich, dass es nicht komplett weggehen kann, dass ich mit den Metastasen leben muss und alles so darauf ausrichte, dass der Ku00f6rper eben, dass ich mich wohlfu00fchle, dass ich fit bleibe, sportlich, beweglich, ernu00e4hrungstechnisch, von der Psyche natu00fcrlich positiv bleibe.Alles, was eben zur Unterstu00fctzung der Krankheit und des Zuru00fcckdru00e4ngens des Vaktums eben helfen kann.
Geht es darum, bei der Bewu00e4ltigung 1 Krebserkrankung immer den nu00e4chsten Schritt zu gehen?
Ja, also eigentlich, wenn eine Behandlung wieder ansteht, immer schon ein Ziel danach zu haben.Das ku00f6nnen unterschiedliche Dinge sein.Also jetzt steht mir nu00e4chst eine Behandlung eben wieder an in den nu00e4chsten Tagen.Es wird wieder eine Bestrahlung gemacht und danach geht's eben weiter, was ist das nu00e4chste Urlaubsziel?Vielleicht mal der Salsa Tanzkurs, der schon lange im Hinterkopf ist, der der dann angegangen wird.
Ja, also da sind so einige Sachen.
Andrea, wir sind am Ende unseres Interviews angekommen.Ich fand es ein ausgesprochen beeindruckendes Erlebnis, mit dir heute ins Gespru00e4ch zu gehen, zu hu00f6ren, zu spu00fcren, mit welcher positiven Haltung Du bisher durch dein Leben gegangen bist.Ich wu00fcnsch dir ab jetzt nur noch Hu00f6hen und keine Tiefen mehr.Alles Liebe fu00fcr dich.
Dankeschu00f6n.
- timer ca. 16 Minuten
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