Ich kämpfe fürs Leben, nicht gegen den Krebs!
„Lasst uns sprechen statt schweigen, und bleiben statt zu gehen – wenn es um Krebs geht, dann sprich!“
Im Interview erzählt Nadja Will wie sie gelernt hat, mit ihrer Krebserkrankung umzugehen und wie es ihr gelang, ihre kreativen Seiten zu entdecken und Freiraum hierfür zu schaffen. Mit Poetry Slam schafft sie es unangepasst und auf künstlerische Weise viel Offenheit für das Thema Krebs zu erzeugen und Tabus zu brechen: „So sag‘ es laut, Du lebst, denn ich hab‘ keinen Bock auf Krebs!“.
Beim Gespräch im Roten Sessel beschreibt sie auf eindrucksvolle Weise, wie sie heute lebt, was sie durch die Erkrankung gewonnen und verloren hat. Nadja nimmt uns auf eine Reise mit, die Mut macht und eindrucksvoll die unterschiedlichen Stationen beschreibt: von der Diagnose bis zum Leben heute..
Das Interview zum Nachlesen
Einleitung:
Ein ganz herzliches Hallo bei den CancerSurvivor zu einem, wie ich finde, heute eher poetischen Beitrag. Wir sind mit unserem Gespräch im roten Sessel in einem kleinen Theater hier in Berlin. Und das hat seinen ganz bestimmten Grund. Mit Poetry Slam und einer eigenen Fotoausstellung setzt sich unser Gast hörbar und sichtbar mit jeder Menge Humor, Poesie und Mut für das Leben ein. Sie sagt, Betroffene haben ein Recht darauf, mit ihrer neuen, anderen Gesundheit einen Umgang zu lernen und zu leben. Wir müssen mit dem Denken aufräumen, dass Krebs gleich tot ist. Nadja lebt in Bielefeld, ist 36 Jahre alt und verheiratet. Sie ist Mutter von zwei Kindern und erhielt 2017 an einem Freitag, dem 13., die Diagnose Brustkrebs. Sie arbeitet als Krankenschwester und wurde zur kranken Schwester. Inzwischen ist sie live on Stage und hat auf dem roten Survivor Chair Platz genommen. Herzlich Willkommen, Nadja Will.
Nadja Will: Hallo.
Moderator: Nadja, schön, dass du heute da bist.
Nadja Will: Ja, ich freue mich auch. Es gibt ja so einen Spruch. Man weiß erst, wie stark man ist, wenn es irgendwie darauf ankommt. Hättest du mich vor zwei Jahren gefragt, „Was machst du denn, wenn du die Diagnose kriegst?“, hätte ich gesagt, ich springe von der Brücke.
Moderator: Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Nadja Will: Ja, typisch. Mama, zwei Kinder, verheiratet, im Leben gestanden. Bin berufstätig gewesen als Anästhesieschwester. Ist meine Berufung. Meine Familie, meine Basis, die mich trägt. Es war alles in Ordnung, ja.
Moderator: Wie kam es zu der Diagnose Krebs, ausgerechnet an einem Freitag, dem 13. Oktober, und zwar 2017?
Nadja Will: Ja, wie kam es dazu? Die Diagnose ist ja nicht an dem Tag entstanden. Ich habe das weitaus eher gemerkt, zirka vier bis sechs Wochen selber an der Brust was getastet. Und habe dann gedacht, jetzt gehst du mal zur Frauenärztin und lässt es ohne-, das war mir wichtig. Ohne dass ich einen Hinweis gegeben habe, lässt du sie einfach mal eine Vorsorge machen und es untersuchen. Und hier ist einfach-, war alles in Ordnung laut ihrer Aussage. Und ich für mich war sehr unsicher und bin dann quasi nach der Untersuchung doch nochmal auf sie zugegangen und habe gesagt, also für mich ist da aber was. Man hat mir dann doch eine Ultraschallüberweisung gegeben, um das einfach nochmal abklären zu lassen, mir aber definitiv gesagt, es wäre eine Verspannung in der Brust, was sich dann Freitag, den 13., leider nicht so bestätigt hat. Die erste Untersuchung mit einem Ultraschall hat klar und deutlich formuliert, das ist was Bösartiges. Wir reden hier von Brustkrebs. Ich habe gedacht, Krebs, Angst, Tod. Also das war für mich, obwohl ich aus der Medizin komme und auch bestimmt Kompetenzen habe und viel auch gesehen habe, dass ja Krebs nicht gleich tot ist-, aber für mich war das ganz klar. Krebs, wie schrecklich, oh Gott.
Moderator: Konntest du aussprechen, „Ich habe Krebs“?
Nadja Will: Nein, konnte ich ehrlich gesagt die ersten Tage nicht. Ich war tatsächlich auch drei, vier Wochen out of Order. Habe mein Handy ausgemacht, alles. Ich musste das erstmal für mich irgendwie annehmen.
Moderator: Du hast zwei kleine Kinder. Du hast einen Mann. Wie hast du es denen gesagt?
Nadja Will: Meine Kinder, die merken ganz genau, ob was mit Mama stimmt oder nicht stimmt. Meine Tochter hat dann darauf geantwortet, „Wie? Seit wann hast du denn so Fäden in der Brust, Mama? Wie kommt denn da der Knoten rein?“ Also in dem Moment, wo ich ja ehrlich auf meine Kinder zugehe, kommen die ja mit einer Direktheit, die mit Leichtigkeit gefüllt ist, auf einen zu und ermöglichen einem ja auch nochmal einen ganz anderen Blick.
Moderator: Dieses ausgeliefert sein, wie lange hat dieser Zustand angehalten?
Nadja Will: Bedeutend war, in dem Moment, wo ich gestanzt wurde, ich habe zu Tränen geweint. Ich habe gefleht, „Nehmen Sie mir jetzt die Brust ab.“ Ich war völlig „out of Order“. Der Doktor hat gesagt, „Also Nadja, ich verspreche Ihnen eines. Ich mache Sie wieder gesund. Aber Fakt ist, die mentale Einstellung ist entscheidend.“ Und jetzt im Nachgang, das ist so mein Branding oder mein Tattoo im Kopf, das hat mich getragen. Irgendwie habe ich da innerlich gedacht, Naddel, du musst dich jetzt schütteln. Wer regiert jetzt hier eigentlich? Also ich weiß gar nicht, wie das war. Das war so ein Setting. Ich habe mich fokussiert auf mich und habe gedacht, okay, standardmäßig. Zack, zack, zack, zack, das brauchst du. Da geht es lang. Dann können wir ja übermorgen mit der Chemo anfangen. So ungefähr. War ja auch so. Es war drei Tage später. Bis dahin bin ich „durchgescreent“ worden. Ich habe den Port bekommen und habe dann die erste Chemo gehabt.
Moderator: Eine ganz liebe Freundin von mir pflegt den Satz, „Du bist mehr als ein Tumor-Marker.“
Nadja Will: Genau das ist es. Zweieinhalb Zentimeter-, hat meine allerliebste Freundin zu mir gesagt, „Naddel, das meinst du doch nicht ernst.“ Zweieinhalb, die kriegen wir platt. Das stand eigentlich außer Frage. Alles, was bisher entstanden ist und so wie ich bin, sind viele Menschen daran beteiligt. Jeder hat mir ein Stück gereicht. Hat mir ein Stück angeboten. Ich habe entschieden, nehme ich das an oder nehme ich das nicht an. Das ist der größte Dank an alle, die mit mir-, die mich in dieser Situation aufgefangen haben und mit mir diesen Weg gegangen sind, egal ob Schulmediziner, Freunde, Kollegen. Alle die haben einen großen Bauklotz dazu beigetragen, dass ich diesen Weg auch so gehen konnte, ja.
Moderator: Hast du in der Gesamtzeit nur positive Erfahrungen gemacht oder gab es auch negative?
Nadja Will: Habe leider wirklich auch die Erfahrung machen müssen, dass Freunde, die man seit 20 Jahren kennt, einen nicht mehr angekuckt haben. Auch man ja Ohnmachtsgefühle bei anderen auslöst, indem man halt in die Kita kommt und angesprochen wird und sagt, „Mensch, Nadja. Du hier?“ „Naja, wo soll ich denn sonst sein?“ „Ja, dass du nicht im Bett liegst. Du hast doch Krebs.“ Eine Situation, wo ich dachte, sie wissen gar nicht, wovon sie reden und sie wissen auch gar nicht, mit welcher Art und Weise sie gerade jemanden verletzen. Die meinen das alle nicht böse. Die können das nicht anders. Ich habe leider die Erfahrung gemacht, manchmal mit emotional behinderten Menschen zu tun zu haben. Ich kann es nicht anders ausdrücken. Es tut mir leid. Das ist-, ja.
Moderator: Wenn du uns mitnehmen möchtest auf diese Reise, wie würdest du die Zeit der Diagnose titulieren und beschreiben?
Nadja Will: Angst und Traurigkeit. Das wäre die Überschrift.
Moderator: Die Operation?
Nadja Will: Großes Etappenziel.
Moderator: Die Bestrahlung?
Nadja Will: Das wäre meine positive Energie. „Radioactive Girl“.
Moderator: Die Chemo?
Nadja Will: Die Chemo war mein Heilwasser.
Moderator: Und die Hormontherapie?
Nadja Will: Meine Glückshormone.
Moderator: War dein Spiegelbild damals verändert, wenn du in den Spiegel geschaut hast? Hat eine andere Nadja zurückgeschaut?
Nadja Will: Eine Nadja, die sehr, sehr wach auf einmal war und verstanden hat, was es eigentlich heißt zu leben. Oben ohne, oh, wie wunderbar. Ich habe das ja auch in meinem Slam-Jahr nicht umsonst auch so beschrieben. Der Schutz der Haare war ja nun mal weg. Aber das hat mich vielleicht auch frei gemacht, was ich so hätte nie erfahren. Natürlich war der Anblick, das Angesicht ein ganz anderes, als ich in den Spiegel gekuckt habe, keines, was ich jemals verachten würde. Ich würde dieses ganze Kapitel, deshalb sind diese Bilder entstanden und meine Fotoausstellung-, ich habe eine ganz schwere Zeit durch, ein ganz krasser Weg. Aber ich habe ganz, ganz viel davon gelernt. Und dafür bin ich auch dankbar.
Moderator: Dann würde ich dich bitten, uns noch ein bisschen zu deiner Fotoausstellung zu erzählen.
Nadja Will: Ja, die Fotos sind nicht entstanden, weil ich eine Fotoausstellung machen wollte. Die Fotos sind entstanden, weil ich das Kapitel für mich halten wollte. Verschiedene Botschaften wollte ich damit für mich festhalten. Ich habe jedes Bild quasi betitelt. Mein schönstes Bild für mich ist der Augenblick. Es beschreibt ganz klar, dass ich fokussiere, wo ich hinmöchte. Fotoausstellung war dann irgendwann der zweite Schritt, weil die Fotos im Freundes- und Familienkreis ganz tolle Beachtung gefunden haben. Mit Glatze ist man als Frau ganz sicher nicht die typische Frau. Frau sein hat nicht unmittelbar was nur mit dem Haar zu tun. Das ist so nichtig, das Haar im Gegensatz zum Leben. Ich habe da keinen Ansatz gehabt, an meinem Haar zu trauern, weil ich für mich dachte, das ist das kleinste Übel, wenn ich dafür am Leben bleibe.
Moderator: Nadja, mit einem gewissen Abstand, was ist ein denkbarer Umgang mit der Diagnose Krebs?
Nadja Will: Dass der Fokus auf das Leben gerichtet ist und der Krebs natürlich einen Platz hat, aber nicht den ganzen Raum einnimmt. Für mich habe ich entschieden, ich kämpfe nicht wogegen, weil ich einfach gar nicht weiß, wer da der Gegner ist. Hat sich bei mir ja leider nicht vorgestellt. War einfach da, ganz ungebeten. Ich habe mir gedacht, ich kämpfe wofür und das ist mein Leben. In dem Moment, als ich mit der Chemotherapie angefangen habe, habe ich tatsächlich gelernt, wieder gelernt zu träumen. Und zwar indem ich meine pinken Kopfhörer aufgesetzt habe und mich an die verschiedensten Orte geträumt oder gebeamt habe. Ob ich bei Pink auf dem Konzert war, ob ich mit Elief ein Interview geführt habe, ob ich auf Hawaii war, ich war überall. Also Pink ist einfach für mich schon immer meine Lieblingsfarbe gewesen. Ein anderer Krebs hätte jetzt gar nicht gepasst. Deshalb pink, kein Bock auf Krebs. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass es da mehr Informationen gibt aus einer Hand. Man ist halt immer auf der Suche nach ganz vielen Möglichkeiten, was kann mir wie noch helfen. Und dazu noch immer wieder die Rechtfertigungen bringen, weil ich Krebs habe, das hat mich eigentlich am meisten gestört.
Moderator: Also eigentlich, ich höre raus, ist man mit der Situation ja schon mal überfordert. Und jetzt kommt die zweite Überforderung, dass man nach etwas suchen soll, von dem man gar nicht weiß, dass es das gibt.
Moderator: Genau, nach was suche ich eigentlich? Jetzt habe ich Krebs und weiß gar nicht, nach was ich suchen soll. Was kann mir eigentlich helfen? Das ist so schwer auch zu filtern. Es gibt so viele Möglichkeiten. Aber wir sind ja alle unterschiedlich. Ich habe einen ganz anderen Bedarf als eine ältere Dame, die mit 80 jetzt an Krebs erkrankt, ja.
Moderator: In dem Verlauf deiner Erkrankung, hast du gesagt, wurde deine Kreativität auf besondere Weise wachgeküsst. Erzähle uns ein wenig davon.
Nadja Will: Ja, es hat immer mit pink zu tun, ob das jetzt die Fotoausstellung ist, Poetry Slam, Gedichte zu schreiben oder Schweigen zu brechen und in die Sprache überzugehen. Wie wäre es, wenn man mal mit Bildern und einer gewissen harmonischen und humorvollen Sprache auch Dinge ausspricht, die ja so auch irgendwie leichter ins Ohr gehen. Also nimmt die Angst und bringt dem Gegenüber auch eine gewisse Leichtigkeit entgegen. Er nistet sich ein in jeder achten Brust und verbreitet so unglaublich viel Frust. Er gehört voll versenkt, denn er, er ist wohl das beschissenste Geschenk. Darum sage es laut, du lebst, denn ich, ich habe keinen Bock auf Krebs.
Moderator: Was hat dich während der Zeit deiner Erkrankung motiviert? Was hat dir Kraft und Energie gespendet?
Nadja Will: Motiviert hat mich ganz klar, das Ziel zu erreichen, zurück ins Leben zu kommen. Motiviert habe ich mich zum Teil versucht natürlich selber, indem ich immer wieder versucht habe, Anlauf zu nehmen und wieder aufzustehen. Auf der anderen Seite, weil das ganze Umfeld mir immer wieder eine Hand gereicht hat, mich mitzunehmen ins Leben. Unter anderem war eine Motivation, einfach Oma zu werden, ganz klar. Mit einem Lächeln dann auf dieses Kapitel zurückzublicken. Ich habe tatsächlich ein tolles Foto von einer älteren Dame. Ich kenne sie leider nicht. Die ist bestimmt um die 85. Sie hat die pinke Schleife hier tätowiert und lacht sich total schelmisch kaputt hinter meinem Kühlschrank. Das ist quasi mein bildgebendes Ziel. Und ich habe so tief unten gelegen, dass ich immer wieder aufgestanden bin. Habe immer wieder Anlauf genommen. Habe schon gelernt, was möglich ist und was nicht. Und wenn es einen Glauben gibt, ich sage das immer so oft, das ist mein Mantra irgendwie. Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, dann ist es der Glaube an die eigene Kraft. Und erst wenn ich an das Unmögliche glaube, kann ich das Mögliche möglich machen.
Moderator: Wie kommst du heute gut durch den Tag?
Nadja Will: Ich würde jetzt sagen, mit viel pinker Energie feiere ich jeden Tag Geburtstag, danke mir selber jeden Tag, primär meinem Körper, dass er mich bisher getragen hat und konzentriere mich eigentlich gar nicht auf diese so bekannten Lebenspläne, auf das, wo man überall mal hinmöchte und, und, und. Ich versuche wirklich, jeden Tag so sinnvoll zu nutzen, indem ich für mich Lebensqualität schaffe, ob da jetzt leckeres Essen ist, ein Kaffee, den man einfach mal wirklich wahrnimmt und nicht so nebenbei mal runterschlürft. Ich fange da ganz klein an zu denken.
Moderator: Es ist, glaube ich, für viele, die dieses Interview jetzt sehen können, ein großer Wert. Du bist eine Mutmacherin. Und ich glaube, es ist ganz großartig, mit welchem Standing und mit welcher Haltung du durch das Leben gehst. Ich wünsche dir, deinen beiden Kindern und deinem Mann Sebastian von Herzen das Beste, eine ganz gute Zeit und ich bin sicher, wir sehen uns wieder. Jetzt haben wir poetisch angefangen und ich darf dich bitten, poetisch zu enden.
Nadja Will: Fällt mir eigentlich der schönste Satz am Ende meines Lebens ein. So sage es laut, du lebst, denn ich habe keinen Bock auf Krebs. Also das ist eigentlich das, was es umfassend sagt.
Transcript
Ein ganz herzliches Hallo bei den zu einem, wie ich finde, eher poetischen Beitrag.Wir sind mit unserem Gespru00e4ch im Roten Sessel in einem kleinen Theater hier in Berlin und das hat seinen ganz bestimmten Grund.Mit Poetry Slam und 1 eigenen Fotoausstellung setzt sich unser Gast hu00f6rbar und sichtbar mit jeder Menge Humor, Poesie und Mut fu00fcr das Leben ein.Sie sagt, Betroffene haben ein Recht darauf, mit ihrer neuen anderen Gesundheit einen Umgang zu lernen und zu leben.Wir mu00fcssen mit dem Denken aufru00e4umen, dass Krebs gleich Tod ist.
Nadja lebt in Bielefeld, ist 36 Jahre alt und verheiratet.Sie ist Mutter von 2 Kindern und erhielt 2017 an einem Freitag, dem Dreizehnten, die Diagnose Brustkrebs.Sie arbeitet als Krankenschwester und wurde zur Krankenschwester.Inzwischen ist sie live on stage und hat auf dem roten Survivor Chair Platz genommen.Herzlich willkommen, Nadja Wild.
Hallo.
Nadja, schu00f6n, dass Du heute da bist.
Ja, ich freu mich auch.Es gibt ja son Spruch, man weiu00df erst, wie stark man ist, wenn's irgendwie drauf ankommt.Hast Du mich vor 2 Jahren gefragt, was machst Du, wenn Du die Diagnose kriegst?Da hu00e4tt ich gesagt, ich spring von Bru00fccke.
Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Ja, typisch Mama, 2 Kinder, verheiratet, im Leben gestanden.Bin berufstu00e4tig gewesen als Anu00e4sthesieschwester.Ist meine Berufung, meine Familie, meine Basis, die mich tru00e4gt.Es war alles in Ordnung, ja.
Wie kam es zur Diagnose Krebs ausgerechnet an dem Freitag, den dreizehnten Oktober und zwar 2017.
Ja, wie kam es dazu?Die Diagnose ist ja nicht an dem Tag entstanden.Ich hab das weitaus eher gemerkt, wo circa 4 bis 6 Wochen selber an der Brust was getastet und hab dann gedacht, na, jetzt gehst Du mal zur Frauenu00e4rztin und lu00e4sst's ohne, das war mir wichtig, ohne dass ich Hinweis gegeben habe, lu00e4sst Du sie einfach mal eine Vorsorge machen und lu00e4sst es untersuchen.Und hier ist einfach war alles in Ordnung laut ihrer Aussage und ich fu00fcr mich war sehr unsicher und bin dann quasi nach der Untersuchung doch noch mal auf sie zugegangen und hab gesagt, also fu00fcr mich ist da aber was.Man hat mir dann doch eine Ultraschallu00fcberweisung gegeben, das einfach noch mal abklu00e4ren zu lassen, mir aber definitiv gesagt, das wu00e4ren Verspannungen in der Brust, was sich dann Freitag, den Dreizehnten leider nicht so bestu00e4tigt hat.
Die erste Untersucherin mit Ultraschall hat klar und deutlich formuliert, das ist was Bu00f6sartiges.Wir reden hier von Brustkrebs.Ich hab gedacht, Krebs, Angst, Tod.Also das war fu00fcr mich, obwohl ich aus der Medizin komme und auch bestimmt Kompetenzen habe und viel auch gesehen habe, dass ja Krebs nicht gleich tot ist, aber fu00fcr mich war das ganz klar, Krebs wie schrecklich, oh Gott.
Konntest Du aussprechen, ich habe Krebs?
Nein, konnte ich ehrlich gesagt die ersten Tage nicht.Ich hab tatsu00e4chlich, war tatsu00e4chlich auch 3, 4 Wochen out of order, hab mein Handy ausgemacht, alles.Ich konnte musste das erst mal fu00fcr mich irgendwie annehmen.
Du hast 2 kleine Kinder, Du hast einen Mann.Wie hast Du es denen gesagt?
Meine Kinder, die merken ganz genau, ob was mit Mama stimmt oder nicht stimmt.Meine Tochter hat dann darauf geantwortet, wie seit wann hast Du denn so Feen in der Brust, Mama?Wie kommt denn da der Knoten rein?Also in dem Moment, wo ich ja ehrlich auf meine Kinder zugehe, kommen die ja mit 'ner Direktheit, die mit Leichtigkeit gefu00fcllt ist, auf einen zu und ermu00f6glichen einem ja auch noch mal ganz anderen Blick.
Dieses Ausgeliefertsein.Mhm.Wie lange hat dieser Zustand angehalten?
Bedeutend war in dem Moment, wo ich gestanzt wurde, ich hab zu Tru00e4nen geweint.Ich hab gefleht, nehmen Sie mir jetzt die Brust ab.Ich war vu00f6lligst out of order.Der Doktor hat gesagt, also, Nadja, ich versprech Ihnen 1, ich mach Sie wieder gesund, aber Fakt ist, die mentale Einstellung ist entscheidend.Und jetzt im Nachgang, das ist so mein Branding oder mein Tattoo im Kopf.
Das hat mich getragen.Irgendwie hab ich da innerlich gedacht, jetzt, Nandel, Du musst dich jetzt schu00fctteln.Wer wer wer regiert jetzt hier eigentlich, ne?Wo Also ich weiu00df gar nicht, wie das war.Das war son Setting.
Ich hab mich fokussiert auf mich und hab gedacht, okay, standardmu00e4u00dfig, zack, zack, zack, zack, zack, das brauchst Du.Da geht's lang.Dann ku00f6nnen wir ja u00fcbermorgen mit der Chemo anfangen.So ungefu00e4hr.War ja auch so, es war dann 3 Tage spu00e4ter.
Bis dahin bin ich durchgescreent worden.Ich hab den Pott bekommen und hab dann die erste Chemo gehabt.
Eine ganz liebe Freundin von mir pflegt den Satz, Du bist mehr als ein Tumormarker.
Genau das ist es.Zweieinhalb Zentimeter hat meine allerliebste Freundin zu mir gesagt, Naddel, das macht's doch nicht eher.Zweieinhalb Zentimeter, die kriegen wir platt, das stand eigentlich auu00dfer Frage.Alles, was bisher entstanden ist und so wie ich bin, sind viele Menschen daran beteiligt.Jeder hat mir Stu00fcck gereicht, hat mir Stu00fcck angeboten.
Ich hab entschieden, nehm ich das an oder nehm ich das nicht an.Das ist der gru00f6u00dfte Dank, ja, an alle, die mit mir, die mich in dieser Situation aufgefangen haben und mit mir diesen Weg gegangen sind, egal ob Schulmediziner, Freunde, Kollegen, alle die haben grou00dfen Bauklotz dazu beigetragen, dass ich diesen Weg auch so gehen konnte, ja.
Hast Du in der Gesamtzeit nur positive Erfahrungen gemacht oder gab es auch negative?
Hab leider wirklich auch die Erfahrung machen mu00fcssen, dass Freunde, die man seit 20 Jahren kennt, eigentlich mir angeguckt haben, auch man ja Ohnmachtsgefu00fchle bei anderen auslu00f6st, indem man halt in die Kita kommt und angesprochen wird und sagt, Mensch Nadja, Du hier?Na ja, wo soll ich denn sonst sein?Ja, dass Du nicht im Bett liegst, Du hast doch Krebs.Eine Situation, wo ich dachte, sie wissen gar nicht, wovon sie reden und sie wissen auch gar nicht, mit welcher Art und Weise sie gerade jemanden verletzen.Die meinen das alle nicht bu00f6se, ne?
Die ku00f6nnen das nicht anders.Ich hab leider die Erfahrung gemacht, manchmal mit emotional behinderten Menschen zu tun zu haben.Ich kann's nicht anders ausdru00fccken, es tut mir leid.Das ist, ja.
Wenn Du uns mitnehmen mu00f6chtest auf diese Reise, wie wu00fcrdest Du die Zeit der Diagnose titulieren und beschreiben?Mhm.
Angst und Traurigkeit.Das wu00e4r die u00dcberschrift.
Die Operation.
Grou00dfes Etappenziel.
Die Bestrahlung.
Das wu00e4r meine positive Energie.Radioactive Girl.Okay.
Die Chemo?
Die Chemo war mein Heilwasser.
Und die Hormontherapie?
Meine Glu00fcckshormone.
War dein Spiegelbild damals veru00e4ndert?Wenn Du in den Spiegel geschaut hast, hat eine andere Nadja zuru00fcckgeschaut?
Eine Nadja, die sehr, sehr wach auf einmal war und verstanden hat, was es eigentlich heiu00dft zu leben.Oben ohne, oh wie wunderbar, ich hab das auch in meinem Slam ja nicht umsonst auch so beschrieben.Der Schutz der Haare war ja nun mal weg, aber das hat mich vielleicht auch freigemacht, was ich so hu00e4tte nie erfahren, ne.Natu00fcrlich war die der Anblick, das Angesicht ganz anderes, als ich in Spiegel geguckt hab.Keins, was ich jemals verachten wu00fcrde.
Ich wu00fcrde dieses ganze Kapitel, deshalb sind diese Bilder entstanden und meine Fotoausstellung.Ich hab eine ganz schwere Zeit durch, ganz krasser Weg, aber ich hab ganz, ganz viel davon gelernt und dafu00fcr bin ich auch dankbar.
Dann wu00fcrde ich dich bitten, uns noch ein bisschen zu deiner Fotoausstellung Ja.Zu erzu00e4hlen.
Die Fotos sind nicht entstanden, weil ich eine Fotoausstellung machen wollte.Die Fotos sind entstanden, weil ich das Kapitel fu00fcr mich halten wollte.Verschiedene Botschaften wollte ich damit fu00fcr mich festhalten.Ich hab jedes Bild quasi betitelt.Mein schu00f6nstes Bild fu00fcr mich ist der Augenblick.
Es beschreibt ganz klar, dass ich fokussiere, wo ich hin mu00f6chte.Fotoausstellung war dann irgendwann der zweite Schritt, weil die Fotos im Freundes- und Familienkreis ganz tolle Beachtung gefunden haben.Mit Glatze ist man als Frau ganz sicher nicht die typische Frau.Frausein hat nicht unmittelbar was nur mit dem Haar zu tun.Es ist so nichtig, das Haar im Gegensatz zum Leben.
Ich hab da keinen Ansatz gehabt, an meinem Haar zu trauern, weil ich fu00fcr mich dachte, das ist das kleinste u00dcbel, wenn ich dafu00fcr am Leben bleibe,
Nadja, mit einem gewissen Abstand, was ist ein denkbarer Umgang mit der Diagnose Krebs?
Dass der Fokus aufs Leben gerichtet ist und der Krebs natu00fcrlich Platz hat, aber nicht den ganzen Raum einnimmt.Fu00fcr mich hab ich entschieden, ich ku00e4mpfe nicht wogegen, weil ich ja auch einfach gar nicht weiu00df, wer da der Gegner ist.Hat sich bei mir leider nicht vorgestellt, war einfach da, ganz ungebeten.Hab mir gedacht, ich ku00e4mpfe wofu00fcr und das ist mein Leben.In dem Moment, als ich mit der Chemotherapie angefangen hab, hab ich tatsu00e4chlich gelernt, wieder gelernt zu tru00e4umen.
Und zwar, indem ich meine pinken Kopfhu00f6rer aufgesetzt habe und mich an die verschiedensten Orte getru00e4umt oder gebeamt habe.Ob ich bei pink aufm Konzert war, ob ich mit Elite Interview gefu00fchrt hab, ob ich auf Hawaii war, ich war u00fcberall.Also pink ist einfach fu00fcr mich schon immer meine Lieblingsfarbe gewesen.Anderer Krebs hu00e4tte jetzt gar nicht gepasst.Deshalb Think pink, keinen Bock auf Krebs.
Ich hu00e4tte mir einfach gewu00fcnscht, dass es da mehr Informationen gibt aus 1 Hand.Ich man ist halt immer auf der Suche nach ganz vielen Mu00f6glichkeiten, was kann mir wie noch helfen und dazu noch immer wieder die Rechtfertigung bringen, weil ich Krebs hab.Das hat mich eigentlich am meisten gestu00f6rt.
Also eigentlich, ich hu00f6re raus, ist man mit der Situation ja schon mal u00fcberfordert.
Sowieso.
Und jetzt kommt die zweite Ja.Dass man nach etwas suchen soll, von dem man gar nicht weiu00df, dass es das gibt.Genau.
Nach was suche ich eigentlich?Jetzt habe ich Krebs und weiu00df gar nicht, nach was ich suchen soll.Was kann mir eigentlich helfen?Das ist so schwer, auch zu filtern.Es gibt so viele Mu00f6glichkeiten, aber wir sind ja alle unterschiedlich.
Wir haben ich hab ganz anderen Bedarf als eine u00e4ltere Dame, die mit 80 jetzt an Krebs erkrankt, ja.
In dem Verlauf deiner Erkrankung hast Du gesagt, wurde deine Kreativitu00e4t auf besondere Weise wachgeku00fcsst.
Ja, genau.
Erzu00e4hl uns ein wenig davon.
Ja, es hat immer mit Thinkping zu tun.Ob das jetzt die Fotoausstellung ist, Poetry Slam, Gedichte zu schreiben, das Schweigen zu brechen und in die Sprache u00fcberzugehen.Wie wu00e4r's, wenn man mal mit Bildern und gewissen harmonischen und humorvollen Sprache auch Dinge ausspricht, die ja so auch irgendwie leichter ans Ohr gehen, ne.Also nimmt die Angst und bringt dem Gegenu00fcber einfach auch eine gewisse Leichtigkeit entgegen.Er nistet sich ein in jeder achten Brust und verbreitet so unglaublich viel Frust.
Er gehu00f6rt voll versenkt, denn er, er ist wohl das beschissenste Geschenk.Drum sag es laut, Du lebst, denn ich, ich hab keinen Bock auf Krebs.
Was hat dich wu00e4hrend der Zeit deiner Erkrankung motiviert?Was hat dir Kraft und Energie gespendet?
Motiviert hat mich ganz klar, das Ziel zu erreichen, zuru00fcck ins Leben zu kommen.Motiviert hab ich mich zum Teil versucht natu00fcrlich selber, indem ich immer wieder versucht habe, Anlauf zu nehmen und wieder aufzustehen.Auf der anderen Seite aber das ganze Umfeld mir immer wieder eine Hand gereicht hat, mich mitzunehmen ins Leben.Unter anderem war eine Motivation einfach Oma zu werden, ganz klar.Mit Lu00e4cheln dann auf dieses Kapitel zuru00fcckzublicken.
Ich hab tatsu00e4chlich tolles Foto von u00e4lteren Dame.Ich kenn sie leider nicht, die ist bestimmt die 85.Sie hat die pinke Schleife hier tu00e4towiert und lacht sich total schelmisch kaputt, hu00e4ngt an meinem Ku00fchlschrank.Das ist quasi mein bildgebendes Ziel.Und ich hab so tief unten gelegen, dass ich immer wieder aufgestanden bin, hab immer wieder Anlauf genommen, hab schon gelernt, was mu00f6glich ist und was nicht.
Und wenn es einen Glauben gibt, ich sag das immer so oft, das ist mein mein Mantra irgendwie, wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, dann ist es der Glaube an die eigene Kraft.Und erst wenn ich an das Unmu00f6gliche glaube, kann ich das Mu00f6gliche mu00f6glich machen.
Wie kommst Du heute gut durch den Tag?
Ja, ich wu00fcrd jetzt sagen, mit viel pinker Energie feier ich jeden Tag Geburtstag, danke mir selber jeden Tag primu00e4r meinem Ku00f6rper, dass er mich bisher getragen hat und konzentrier mich eigentlich gar nicht auf diese so bekannten Lebensplu00e4ne, auf das, man u00fcberall mal hin mu00f6chte und und und.Ich versuche wirklich jeden Tag so sinnvoll zu nutzen, indem ich fu00fcr mich Lebensqualitu00e4t schaffe, ob das das jetzt leckeres Essen ist, Kaffee, den man einfach mal wirklich auch wahrnimmt und nicht einfach so nebenbei mal grade runterschlu00fcrft.Ich fang da ganz klein an zu denken.
Es ist, glaub ich, fu00fcr viele, die dieses Interview jetzt sehen ku00f6nnen, ein grou00dfer Wert.Mhm.Du bist eine Mutmacherin und ich glaube, es ist ganz grou00dfartig, mit welchem Standing und mit welcher Haltung Du durchs Leben gehst.Ich wu00fcnsche dir, deinen beiden Kindern, deinem Mann Sebastian, von Herzen das Beste, eine ganz gute Zeit und ich bin sicher, wir sehen uns wieder.Dankeschu00f6n.
Jetzt haben wir poetisch angefangen Ja.Und ich darf dich bitten, poetisch zu enden.
Fu00e4llt mir eigentlich der schu00f6nste Satz zum Ende meines Lu00e4rms ein.So sag es laut, Du lebst, denn ich hab keinen Bock auf Krebs.Also das ist eigentlich das, was es umfassend sagt.
- timer ca. 16 Minuten
- person Nadja Will
- coronavirus Brustkrebs
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