Gedanken an das Aufgeben
Franziska Krause sagt:
Ich glaube, der tiefste Punkt war, zu verstehen von meiner anfänglichen „Ich mach so weiter wie bisher“-Einstellung. Und das ist ja nun ein halbes Jahr zu: „Moment mal, das geht gar nicht.“ Und das ist ein Bild, das ich immer ganz gerne benutze, irgendwie eine Zeit lang habe ich immer sehr stark versucht, so zu tun, es wäre nichts, indem ich es bestimmten Freundinnenkreisen nicht erzählt habe. Bestimmte Menschen wussten es nicht und das war in der ersten Zeit total gut. Das war wie so ein kleiner Urlaub, ich habe mich dann vielleicht irgendwie abends doch noch in der Bar getroffen, darauf geachtet, dass da nicht geraucht wird, aber sonst meine Krankheit verheimlicht, weil mir das gut getan hat, nicht die Reaktion zu sehen, nicht aushalten zu müssen, dass jemand Mitleid mit mir hat. Ich erinnere mich an einen Abend ganz speziell, wo ich da saß und diese Gespräche geführt habe und so tat und irgendwas erzählte, was mir im Alltag passiert ist, und dachte: „Nein, das ist wow.“ Ich bin auch nach Hause gefahren, habe den ganzen Nachhauseweg geweint, weil ich gemerkt habe: „Das fühlt sich an wie ein Kostüm, das fühlt sich an wie ein Kostüm von Franziska von 2012 und das passt mir nicht mehr. Und so geht es nicht weiter.“ Und ich glaube, das war das erste Mal, wo ich mich überfordert gefühlt habe. Und ich habe das immer so beschrieben: „Überforderung, das kennst du, das passiert immer mal irgendwie, ist der eine Termin zu viel. Aber Krebs haben, so jung zu sein, überfordert dich auf allen Ebenen so sehr“, dass ich in dem Moment wirklich ganz klar irgendwie auf diesem Nachhauseweg weinend irgendwie dachte: „Ich habe Angst, ich verliere mich selbst. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich guck in den Spiegel: Kenn ich nicht. Ich bin auf dieser Party, die Person, die da spricht, bin ich nicht, das ist ein Kostüm.“ Ich musste vor allem akzeptieren, dass das jetzt ein Teil von mir ist. Und ich glaube, das wollte ich nicht. Das tut weh, das tat sehr weh, weil ich immer dachte: „Gut, halbes Jahr, dann ist das abgehakt und dann mache ich weiter.“ Und ich merke ja auch jetzt, dass das nicht vorbei ist, sondern dass ich wahrscheinlich froh darüber bin, dass das nicht vorbei ist, dass ich solche Interviews habe wie heute, wo ich einfach auch für mich selber noch mal abchecken kann: Was hat sich verändert? Was ist anders geworden? Aber ich weiß noch, dieser Nachhauseweg, den ich da hatte nach dieser einen Party, ich war einfach, klar, wie es halt ist, im Bus sitzend, tausend Menschen um mich herum und ich war trotzdem einfach einsam und wusste nicht mehr, wer ich bin. Ich wusste, ich fahre jetzt nach Hause, aber das, was Menschen in mir sehen, bin ich nicht mehr. Und das ist auch heute noch so, auch heute gibt es noch Momente, in denen ich merke: „Hm, das ist neu, wo kommt das denn her?“ Und vielleicht geht das anderen Menschen auch so, vielleicht ist das für mich nur so ein einschneidendes Erlebnis gewesen, weil sich so viel auf einmal verändert hat. Aber ja, das war das Tief, das war der Moment, wo ich gemerkt habe, ich kann nicht mehr so tun, als wäre nichts. Ja, ich glaube, ganz viele Menschen, und das ist auch so eine Rhetorik, die irgendwann einfach zu viel wird, gratulieren mir ständig für meine Stärke und für mein Durchhaltevermögen und: „Ich hätte das nicht geschafft“, und ich denke mir ganz oft, ich hatte gar keine andere Wahl. Und ich empfinde das, sich zu entscheiden, nicht dem Protokoll zu folgen, nicht auf die Ärztinnen zu hören, empfinde ich als eine so viel schwierigere Entscheidung, als so eine viel größere Stärke, zu sagen: „Ich mach nicht mehr weiter.“ Und in den Momenten, in denen ich dachte: „Ich kann nicht mehr, es dauert noch so lange, ich muss noch so oft“, muss ich sagen, hatte ich Angst davor, zu sagen: „Ich kann nicht mehr“, hatte ich Angst davor, zu sagen: „Ich schmeiß alles hin.“ Und vielleicht hat mich tatsächlich so ein gewisses Feige-Sein, ich weiß nicht, ob man es „feige“ nennen kann, aber so eine gewisse Art von: „Ich könnte mit der Konsequenz nicht leben, ich könnte nicht aufhören, dafür zu kämpfen, weil mir das Angst macht“, hat mich da immer wieder rausgeholt. Aber den Gedanken: „Ich kann nicht mehr“, den gab es mehr als einmal.
Transcript
Ich glaube, der tiefste Punkt war zu verstehen von meiner anfu00e4nglichen, ich mach so weiter wie bisher Einstellung.Und das ist ja nur halbes Jahr zu, Moment mal, das geht gar nicht.Und das ist ein Bild, ich immer ganz gerne benutze, das irgendwie eine Zeit lang hab ich sehr stark versucht, zu tun, als wu00e4r nichts, indem ich es bestimmten Freund*innenkreisen nicht erzu00e4hlt habe.Bestimmte Menschen wussten es nicht und es war total der ersten Zeit total gut.Es war wie so ein kleiner Urlaub.
Ich habe mich dann vielleicht irgendwie abends doch noch in der Bar getroffen, darauf geachtet, dass da nicht geraucht wird, aber sonst relativ heimlich meine Krankheit, meine Krankheit heimlich gehalten, nein, meine Krankheit verheimlicht, weil mir das gut getan hat, nicht die Reaktion zu sehen, nicht aushalten zu mu00fcssen, dass jemand Mitleid mit mir hat.Ich erinnere mich an einen Abend ganz speziell, wo ich da sau00df und diese Gespru00e4che gefu00fchrt habe und so tat und irgendwas erzu00e4hlte, was mir im Alltag passiert ist und dachte, nein, das ist, wow, ich bin auch nach Hause gefahren, hab den ganzen Nachhauseweg geweint, weil ich gemerkt habe, das fu00fchlt sich an wie Kostu00fcm, das fu00fchlt sich an wie ein Kostu00fcm von Franziska von 2012 und das passt mir nicht mehr.Und so geht's nicht weiter.Ich glaub, das war das erste Mal, wo ich mich u00fcberfordert gefu00fchlt habe.Und ich hab das immer so geschrieben, u00dcberforderung, das kennst Du, das passiert immer mal irgendwie, ist der eine Termin zu viel.
Aber Krebs haben, so jung zu sein, u00fcberfordert dich auf allen Ebenen so sehr, dass ich in dem Moment wirklich ganz klar irgendwie in diesem auf diesem Nachhauseweg weinend irgendwie dachte, ich hab Angst, ich verlier mich selbst.Ich weiu00df nicht mehr, wer ich bin.Ich guck in den Spiegel, kenn ich nicht.Ich bin auf dieser Party.Die Person, die da spricht, bin ich nicht.
Das ist Kostu00fcm.Ich musste vor allem akzeptieren, dass das jetzt Teil von mir ist.Und ich glaube, das ist eine, das wollte ich nicht.Das hat das tut weh.Das das hat tat sehr weh, ich immer dachte, gut, halbes Jahr, dann ist das abgehakt und dann mach ich weiter.
Und ich merk ja auch jetzt, dass das nicht vorbei ist und dass ich wahrscheinlich froh daru00fcber bin, dass das nicht vorbei ist, dass ich solche Situationen wie, dass ich solche Interviews habe wie heute, wo ich einfach auch fu00fcr mich selber noch mal abchecken kann, was hat sich veru00e4ndert, was ist anders geworden.Aber ich weiu00df noch, dieser Hauseweg, den ich da hatte nach dieser einen, nach dieser einen Party, war einfach, klar wie es halt ist, im Bus sitzen 1000 Menschen mich herum und ich war trotzdem einfach einsam und wusste nicht mehr, wer ich bin.Ich wusste, ich fahre jetzt nach Hause, aber das, was Menschen in mir sehen, bin ich nicht mehr.Und das das ist auch heute noch so.Auch heute gibt's noch Momente, in denen ich in denen ich merke, das ist neu, kommt das denn her?
Vielleicht geht das anderen Menschen auch so, vielleicht ist das fu00fcr mich nur so ein einschneidendes Erlebnis gewesen, weil sich so viel auf einmal veru00e4ndert hat.Aber ja, das das das war das Tief.Das war der Moment, wo ich gemerkt hab, ich kann nicht mehr so tun, als wu00e4r nichts.Ja, ich glaube, ganz viele Menschen und das ist auch sone Rhetorik, die irgendwann einfach zu viel wird, gratulieren mir stu00e4ndig fu00fcr meine Stu00e4rke und fu00fcr meine fu00fcr mein Durchhaltevermu00f6gen und ich hu00e4tt das nicht geschafft und ich denk mir ganz oft, ich hatte gar keine andere Wahl und ich empfinde das, sich zu entscheiden, nicht dem Protokoll zu folgen, nicht auf die u00c4rzt*innen zu hu00f6ren, empfinde ich als eine so viel schwierigere Entscheidung, als so eine viel gru00f6u00dfere Stu00e4rke zu sagen, ich mache es, ich mache nicht mehr weiter.Und dir in den Momenten, in denen ich dachte, ich kann nicht mehr, es dauert noch so lange, ich muss noch so oft, sagen, hatte ich Angst davor zu sagen, ich kann nicht mehr.
Hatte ich Angst davor zu sagen, ich schmeiu00df alles hin.Vielleicht hat mich tatsu00e4chlich so eine gewisse feige Sein, ich weiu00df nicht, ob man's feige nennen kann, aber sone gewisse Art von, ich ku00f6nnte mit der Konsequenz nicht leben.Ich ku00f6nnte nicht aufhu00f6ren zu ku00e4mpfen, weil mir das Angst macht, hat mich da immer wieder rausgeholt.Aber den Gedanken, ich kann nicht mehr, den gab's mehr als einmal.
- person Franziska Krause
- coronavirus Hodgkin-Lymphom
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