Stellenwert von Freunden und Kollegen
Franziska Krause sagt:
An all die Momente, und ich habe viele hinter mir, in denen ich das erste Mal einer Person davon erzählt habe, dass ich Krebs habe, und es ändert sich natürlich während der Behandlung zu hinterher, also jetzt sind es ganz andere Gespräche, die ich führe, wenn ich jetzt Menschen treffe und denen neu davon erzähle. Aber das sind immer wieder sehr anstrengende Gespräche, weil ich natürlich auch sichergehen möchte, dass die Person sich nicht verliert darin, in einer Angst oder einer Trauer. Und am Ende habe ich auch das Gefühl, es wird mir nicht gerecht, wenn es nur auf so ein: „Dein Leben ist vorbei“, also ich habe dann zum Teil manchen Leuten schon angesehen, dass die schon meine Beerdigung planen und schon wissen, was sie genau anziehen werden. Und das ist natürlich auch schwer auszuhalten. Und für mich war es eine ganz, ganz starke, ganz wichtige Realisierung, die Narrative oder das Darüber-Sprechen nicht zu verschönern, beziehungsweise habe ich dann doch auch schon gemerkt, dass ich, um andere Menschen zu schützen, Dinge schöner mache, verschönere oder die abrunde und: „Aber ja, eigentlich ist alles gut.“ Und das war auch ein sehr wichtiger Prozess zu lernen, auch sich das rauszunehmen, zu sagen: „Nein, mir geht es schlecht. Und mir geht es auch noch lange schlecht und mir wird es auch noch lange schlecht gehen.“ Ich glaube, ich habe schnell dazu geneigt, Dinge zu verstecken. Also klar, aus verschiedenen Gründen habe ich mich an den Chemo-Wochenenden mit keinem Menschen getroffen. Klar, es ist zum einen gefährlich wegen der Ansteckungsgefahr oder Entzündungsgefahr, Erkältungsgefahr, aber gleichzeitig auch, weil so, wie ich mich gefühlt habe, möchte ich mir gar nicht vorstellen, wie ich ausgesehen habe. Also es gibt vielleicht eine Handvoll Menschen, die mich irgendwie so gesehen habe. Und ich glaube, mit denen sich darüber auszutauschen, wie schlecht es mir ging, ist eine ganz andere Situation, als das mal nebenbei zu erzählen: „Und übrigens ging es mir auch schlecht.“ Das ist ein Teil, ähnlich so wie mit Schmerzen oder über die Behandlung sprechen oder das Unangenehme an der Behandlung zu sprechen, da wird gerne schnell ausgeblendet, weil ich glaube, auf so einer kognitiven Ebene ist das gut, zu verstehen, dass es mir schlecht ging, aber das tatsächlich zu sehen und auszuhalten, und ich glaube, „aushalten“ ist für mich so ein Begriff, den ich ständig benutze, weil du kannst halt auch nichts machen. Du kannst nicht helfen und du musst das einfach ertragen können, dass da jemand wie leer vor dir sitzt. Und das denke ich schon, das passiert sehr schnell. Und das zu verstecken, ich weiß nicht, was der Grund ist, aber das ist schon eine Sache, die ich bemerkt habe, dass das passiert. Und ich glaube, ich habe jetzt erst vor Kurzem den Mut gefasst, darüber zu sprechen und es nicht zu verstecken beziehungsweise nicht die schlechten Seiten zu verstecken, die, ja, schwer auszusprechen sind. Was ich oft auch auf schmerzliche Weise verstehen musste, ist, dass das Thema Krebs und die Krankheit Krebs so eine kollektive Erfahrung ist, so ein öffentliches Gut, und dass ich ganz oft mich selbst davon überfordert gefühlt habe oder irritiert war, wie ich da verhandelt worden bin und zusammengemischt worden bin mit der Idee, was es heißt, Krebs zu haben. Ich erinnere mich an so Sachen wie: „Ja, die Glatze wird dir stehen, da musst du dir keine Sorgen machen.“ Und ich dachte mir: „Ich mach mir keine Sorgen, aber schön, dass du das so denkst.“ Und da bin ich vielleicht einfach sehr klar oder sehr bestimmt, dass ich finde, jede Person soll ihre Krankheit selbst so annehmen, wie sie will, und wenn eine Person darüber am traurigsten sein will, dass die Haare ausfallen, dann soll es so sein. Mein Thema war es nicht oder nicht so sehr oder unerwarteterweise dann irgendwie doch. Aber diese Vorstellung davon und Krebs ist leider ein Thema, wo jeder Mensch die eine Oma hatte oder den Großonkel, wo jeder Mensch was dazu assoziieren kann. Und da geht, glaube ich, ganz oft verloren, zu sehen, das bin immer noch ich. Und ich hatte ganz oft, in ganz vielen Reaktionen, die ich erhalten habe, das Gefühl, hier geht es nicht um mich, hier geht es um das, was du denkst, was diese Krankheit für mich bedeuten wird.
- person Franziska Krause
- coronavirus Hodgkin-Lymphom
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