Diagnose Krebs: die Reaktion von Uli Roth
Uli Roth sagt:
Man hat ja bis zur endgültigen Diagnose auch einiges schon durchlebt und wird ja bis dahin auch schon in eine gewisse Erwartungssituation versetzt, wo man schon weiß, das kann eigentlich nicht gut sein. Es ist ein Moment, wie man ihn schon öfters gehört hat auch von Betroffenen, dass man ja, bevor man in so ein Gespräch reingeht, schon mit einer sehr angespannten körperlichen Situation, man weiß, man kriegt jetzt ein ganz entscheidendes Ergebnis mitgeteilt. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass der Arzt so erfahren ist, dass er das auch gut macht. Das war in unserem Falle, denke ich, so. Aber es ist tatsächlich so, dass der Tunnel stattfindet. Man hört es, aber es verschwindet so im großen Raum. Es zuckt einen durch den Körper, die Beine werden schwer und lahm und man kann es eigentlich nicht richtig glauben. Und man denkt immer, da muss sich doch einer getäuscht haben, Glas vertauscht irgendwie. Wobei man sagen muss, dass der Prostatakrebs ja deshalb so heimtückisch ist, weil man ihn ja nicht spürt erst mal. Also wenn man ihn spürt, dann ist eh schon oft viel zu spät. Und die Biopsie am Ende ist ja auch ein Eingriff am Ende, der das erste Mal aufzeigt, dass man krank ist. Man muss sich vorstellen, nach der Biopsie geht man ja durch den After an die Prostata rein und nimmt Gewebeproben, es sind zwölf Stands, die man da gezupft bekommt. Das ist auch kein angenehmer Prozess, ist jetzt nicht so schmerzhaft, aber angenehm ist es nicht. Und danach ist es so, dass man durch den Urin, aber auch durch den Sperma, den man ja zu dem Zeitpunkt noch entwickeln kann, blutig ist. Und ich kann mich genau erinnern, ich meine, ich habe es im Buch auch so beschrieben, ich habe mich das erste Mal prostatakrank gefühlt nicht durch die Theorie und die Diagnosegespräche, sondern durch das Augenscheinliche. Ich musste dann danach onanieren, um zum Erguss zu kommen, um, ja, den Kanal letztendlich sauber zu bekommen. Und wenn du dann in der Dusche stehst und siehst einfach rotes Blut in der Dusche mit Partikeln, die da mit ausgespült werden, das war der Moment, wo ich, ja, so in die Ohnmacht gefallen bin: „Ja, da ist der Krebs, ich habe ihn gesehen.“ Du suchst doch auch nach der Erklärung. War es die Ernährung? War es das wilde Partyleben, das man ja mit dem Sport auch durchlebt hat damals? Also man sucht nach einer Erklärung, findet sie aber nicht. Natürlich ist die Erklärung beim Prostatakrebs auch heute noch nicht klar erklärbar. Genetisch, ja, gibt es eine Häufigkeit, ernährungsmäßig auch, spielt auch eine Rolle. Aber solche Erklärungen hat man nicht gefunden. Also bei meinem Bruder trifft es zu hundert Prozent zu, weil der vollkommen unerwartet, unvorbereitet, wie bei vielen anderen Krebsdiagnosen dann auch, betroffen war. Bei mir war es dann der schleichende Prozess, wissend, mich ereilt es auch und ich werde die gleiche Krankheit haben, bei mir mit der Erkenntnis, alles das schon dann durch ihn gewusst zu haben, auch natürlich den Prozess der Operation, auch der Reha. Weil in seinem Reha-Programm, das ja dann im Juli 2009 war, kam meine Enddiagnose und so wusste ich schon, was auf mich zukommt. Also ich war ja bei ihm im Krankenhaus am Tag der OP, habe ihn da auch eine Woche lang begleitet damals in Hamburg. Und dann wusste ich, ich werde das alles auch in kurzer Zeit genauso durchleben wie er. Wenn ich es mir heute raussuchen könnte, würde ich den Prozess für mich genauso noch mal lieber als Zweiter haben, mit der Erfahrung, zu wissen, was kommt auf mich zu. Bei meinem Bruder waren natürlich sehr viele ungeklärte Fragen: Kommt Chemo? Fallen die Haare aus? Kann es zum Tod führen? Die Ängste, die er durchlebt hat, die habe ich mit ihm durchlebt, aber nicht als Betroffener erst mal, sondern nur als betroffener Zwillingsbruder, der seinen Bruder wahnsinnig liebt und ihm natürlich helfen und moralisch aufbauen will. In der Rolle habe ich mich ja damals gesehen und nicht selbst als Betroffener.
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