Gemeinsame Lasten, Kleine Freuden

Inwieweit beschäftigten Sie Existenz­ängste oder finanzielle Probleme? Hat sich Ihr Lebens­standard verändert?

Wir waren beide selbstständig und als Gerhard krank wurde, brach natürlich erst mal ein Einkommen komplett weg und wir wussten ja auch nicht, wie es weiter geht. Das heißt, zur ganzen emotionalen Belastung hatte ich auch die finanzielle Belastung auf meinen Schultern. Das war für mich aber eine Selbstverständlichkeit, das zu wuppen. Denn wir hatten uns mal so ausgemacht, wenn es einem von uns mal schlecht geht, dann muss der andere ziehen und umgekehrt, also ein gegenseitiges Einvernehmen. Und er hat dann auch später wieder als Berater gearbeitet – für sich und seine Psyche, glaube ich. Und auch um meine finanzielle Belastung zu mindern. Und dann hat er nebenbei noch so kleine Hobbyprojekte gehabt. Zum Beispiel wollte er unbedingt mit so einem Fahrrad am See Eis und Melone verkaufen. Und dann hat er sich so ein Fahrrad gekauft und es schön gestaltet mit Bast und mit einem Sonnenschirm und er hatte einen Sonnenhut auf. Und das hat mich sehr gefreut, weil das seine Chemotherapie-Beschäftigung war. Also das hat er während der Chemo gemacht, als es ihm sicherlich nicht immer gut ging. Aber er war abgelenkt und das hat mich einerseits beruhigt und getröstet, andererseits muss ich auch zugeben, war es für mich manchmal auch eine zusätzliche Belastung. Dann musste dieses blöde Fahrrad, das war schweinisch schwer, von A nach B. Gerd war zu schwach, das zu fahren. Und ich war auch in meiner Substanz nicht gerade in meiner stärksten Phase und da habe ich manchmal schon Wut gehabt: Jetzt hat er auch noch diesen Mist und das muss das jetzt auch noch bewerkstelligen. Aber andererseits war das Gefühl, dass er daran Freude hat und dass ihn das aufbaut – das hat natürlich auch mich beruhigt und hat mir auch Kraft gegeben, für ihn da zu sehen. Und wie er den Kindern Eis verkauft und Melone, das hat mich dann auch glücklich gemacht, weil das wieder etwas lebensbejahend ist und dem Leben zugewandt war.

Jana Lindner