Emotionale Lasten: Stärke finden

In einer Zeit der Furcht­samkeit, der emotionalen Auf und Abs entwickeln Paare und Familien ihre eigene Über­lebens­strategie. Angehörige nehmen sich im Alltag oft zurück, obwohl sie Zuwen­dung ebenso dringend nötig haben, wie die Betroffenen selbst.

Wie würden Sie Ihre emotionale Belastung beschreiben? Haben Sie sich psychologische Hilfe geholt?

Die emotionale Belastung in so einer Situation ist sehr groß und das nicht nur, weil man seinen geliebten Menschen leiden sieht und das Damoklesschwert des Todes immer über einem hängt, sondern auch wenn ich zum Beispiel unsere Tochter angesehen habe, dann hat mir das jedes Mal die Tränen in die Augen getrieben, weil ich immer dachte, die wird jetzt groß und wächst und gedeiht und er wird es wahrscheinlich nicht mehr erleben und sie wird ihn vielleicht nicht erleben. Und unsere Tochter kann sich vielleicht auch gar nicht mehr so genau erinnern. Und das hat mich sehr belastet. Belastet hat mich auch die finanzielle Situation. Überhaupt habe ich versucht, immer so wie so eine Art Backoffice zu sein, also alles Organisatorische zu übernehmen und ihn so weit wie möglich zu entlasten, ihn noch zu unterstützen, ihm zur Seite zu stehen. Aber das hat mich enorm viel Kraft gekostet. Da kann ich mich noch so erinnern Wir hatten so einen langen Flur und meine Tochter kam auf mich zu gerannt und hat mich dabei einfach umgerannt – also ich bin einfach umgefallen – ich hatte keine Kraft mehr. Später habe ich mir dann auch tatsächlich psychologische Hilfe gesucht, denn es wurde einfach zu viel. Und das hätte ich vielleicht auch schon früher machen sollen. Ich finde es wichtig, dass der Fokus nicht nur auf dem Erkrankten liegt, sondern auch die Angehörigen brauchen Unterstützung und müssen wissen, wo sie auftanken können – also wo man mal schaut, wie es ihnen geht. Denn sonst fallen die um. Man fällt auch danach wieder in so ein Loch und wenn da keine Substanz mehr ist und es dauert dann wieder eine Weile, sich aufzubauen.

Jana Lindner