Abschied in Rot: Ein lebensbejahender Moment
Im Leben lernen wir mit vielen Dingen und Situationen umzugehen. Aber den Tod eines lieben Menschen mitzuerleben, dafür fehlt uns die „Erfahrung“. Angehörige sind überfordert oder verspüren vielleicht Druck, schnell wieder funktionieren zu müssen. Doch Trauer ist ein natürlicher Prozess, der seine Zeit braucht.
Wie haben Sie die Bestattung erlebt?
Zurück zum Themen-Special "Angehörige"Was mich am meisten an diesem Tag der Trauerfeier beschäftigt hat, war: Wie wird meine Tochter reagieren, wenn sie ihn so sieht? Und auch wie werde ich reagieren? Wobei, ich hatte ihn ja schon gesehen, aber das hat mich total beschäftigt. Das hat meine ganze Aufmerksamkeit gebraucht. Und am Ende war das dann ganz so natürlich. Wir kamen da in dieser Trauerhalle an, da war schon eine Freundin, die wollte mit ihrer Tochter für ihn Trompete spielen. Die war wiederum die Freundin meiner Tochter, und die standen da schon am Sarg. Und meine Tochter Luna rannte dann einfach hin und war dann dort. Also ich hatte mir das vorher ausgemalt. Ich nehme sie an die Hand und wir tasten uns ganz vorsichtig ran. Und wenn sie nicht will, will sie nicht und so und das war dann so natürlich. Sie hatte einen ganz normalen Umgang es war ja trotzdem ihr Vater. Sie hat ihn dann auch noch mal gestreichelt und geküsst. Über die Trauerfeier hatte ich mir viele Gedanken gemacht, weil die irgendwie zu ihm passen sollte. Das war also eine relativ morbide Halle. Das hätte er irgendwie schön gefunden, glaube ich. Und wir haben das sehr persönlich gemacht. Ich habe die Trauerrede geschrieben, sein Bruder hat die Trauerrede gehalten, unsere Freundin hat Trompete gespielt. Gerhard selbst hatte Musik ausgesucht, die dann gespielt wurde. Ich hatte also gar nicht aus Kostengründen, sondern aus pragmatischen Gründen einen ganz einfachen Holzsarg bestellt, weil wir den dann alle gemeinsam angemalt haben. Da hat zum Beispiel sein Neffe eine Melonenscheibe drauf gemalt, weil Gerhard so gerne Obst gegessen hat und weil er zum Schluss diesen Melonenverkaufsstand hatte. Das war für mich alles sehr stimmig. Deswegen war für mich die Trauerfeier schön, so eigenartig sich das anhört. Und am Ende, als der Sarg abtransportiert wurde, hat sich ein Spalier gebildet und dann hatte ich irgendwie das Bedürfnis zu klatschen, was irgendwie total bekloppt ist. Und dann habe ich eine Freundin gefragt, die neben mir stand ich sagte, ich würde so gerne klatschen, aber das ist so doof. Nein, macht es doch, sagte sie. Und dann haben wir alle geklatscht. Am Tag der Trauerfeier hatte ich ein rotes Kleid an, das mir Gerhard gekauft hat. Das hatten wir vorher so besprochen, dass ich mich lebensbejahend von ihm verabschiede. Und ich habe mir natürlich Gedanken gemacht und mich gefragt: Darf ich das jetzt? Was denken die anderen? Aber wir haben vorher gesagt: Egal, das muss für uns passen. Und das hat zu uns gepasst. Und ich habe das Kleid auch noch. Ich trage es selten, aber ich werde es auch nie wegwerfen. Aber, ich habe mich im roten Kleid von ihm verabschiedet.
Jana Lindner
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