Wechselnde Phasen: Zwischen Angst und Stärke
In einer Zeit der Furchtsamkeit, der emotionalen Auf und Abs entwickeln Paare und Familien ihre eigene Überlebensstrategie. Angehörige nehmen sich im Alltag oft zurück, obwohl sie Zuwendung ebenso dringend nötig haben, wie die Betroffenen selbst.
Wie würden Sie Ihre emotionale Belastung beschreiben? Haben Sie sich psychologische Hilfe geholt?
Zurück zum Themen-Special "Angehörige"Ich habe viele verschiedene Phasen durchlebt. Als die Chemo begann, habe ich die Tage gezählt bis endlich die erste Untersuchung anstand, ob sie anschlug. Ich war voller Angst und Spannung und konnte diese sechs Wochen kaum abwarten. Das war der erste Meilenstein, eine quälend lange Zeit. Doch irgendwann nimmt man diesen Ausnahmezustand an. Und nach den ersten positiven Ergebnissen, habe ich Hoffnung gewonnen und wir konnten wieder positiver in die Zukunft blicken. Ich weiß nicht genau, woher wir diese Hoffnung nahmen, aber es waren wie Zwischenschritte bis zur nächsten Untersuchung bis wieder eine schlechte Nachricht kam, dass die Metastasen sich nicht verringert hatten. Dann war es, als würden sich immer neue Abgründe auftun, ich hatte das Gefühl von innerlicher Leere und Lähmung. Irgendwann ging das in Akzeptanz oder so was über. Ich musste mit ansehen, wie mein Mann sich veränderte, wie er körperlich abbaute. Ich habe das irgendwie ertragen, obwohl es etwas ist, was man gar nicht ertragen kann. Doch ich glaube, das ist so ein Gefühl von Ich muss stark sein. Gleichzeitig hat es lange gedauert, bis der Gedanke kam, dass es wirklich zu Ende geht. Ich erinnere ein Gespräch, in dem mein Mann irgendwann sagte: Wenn ich nicht mehr bin . In dem Moment ist mir klargeworden: Ja, er wird irgendwann nicht mehr da sein. Wie oft bin ich wach geworden und dachte, heute ist alles wieder normal. Ich wollte dieses Gefühl der Angst abschütteln und auch nicht mehr die mit dem kranken Mann sein. Ich wollte gerne, dass mein Mann gesund und fröhlich am Tisch sitzt, wenn wir mit anderen Familien zusammen waren. Und erst später ist mir aufgefallen, dass ich die Veränderungen durch die Krankheit lange nicht wahrgenommen oder ausgeblendet habe. Irgendwann habe ich ein Foto gesehen und dachte, da sieht er ja total krank aus. Aber in den besonderen Momenten habe ich ihn nicht als kranken Mann, sondern als Gesprächspartner oder liebevollen Vater gesehen. Es gab erstaunlich viele von diesen Momenten.
Carolin Kolbeck
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