Selbstdisziplin als Überlebensstrategie
Annehmen und Durchkämpfen – die Zwillinge und der Krebs
Diagnose „Prostatakrebs“, der Musikmanager Uli Roth beschreibt seinen Umgang damit. Nahezu zeitgleich erkrankten die Zwillingsbrüder Michael & Uli Roth 2009 an der mittlerweile häufigsten Krebsart bei Männern: Dem Prostatakarzinom.
Für sie gab es nur einen Weg mit der Schockdiagnose umzugehen, nämlich sie wie einen sportlichen Zweikampf zu betrachten. Die jahrelange Selbstdisziplin wurde hier zur Überlebensstrategie. Therapie und Operation waren erfolgreich, beide sind zurück im Leben, nach 5 Jahren Remission gelten sie heute als geheilt. Im Interview mit Stephan Pregizer berichtet Uli Roth vom Umgang mit Krebs und erzählt u.a., wie seine Bandkollegen der Musikgruppe PUR damit umgegangen sind. Mit 54 Jahren steht Uli Roth wieder Mitten im Leben und ist vor kurzem sogar noch einmal Vater geworden.
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Das Interview zum Nachlesen
Einleitung:
Unser heutiger Gast war schon in vielen Talkshows zu sehen. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder hat er viel dazu beigetragen, dass Männer offener und besser über Krebsfrüherkennung und Krebsprävention sprechen können. 2009 erkrankten die Gebrüder Uli und Michael Roth nahezu zeitgleich an der mittlerweile häufigsten Krebsart bei Männern, dem Prostatakarzinom. Die Therapie und Operation war bei beiden, bei Uli und Michael, erfolgreich. Nach fünf Jahren Remission gelten sie beide heute als geheilt. Ich freue mich sehr, dass einer von ihnen heute auf dem roten Survivor Chair Platz genommen hat und unter anderem über sein spannendes Leben als National Handballspieler, Manager der Musikgruppe PUR, aber vor allem als CancerSurvivor sprechen wird. Mit 54 Jahren steht er wieder mitten im Leben und ist vor Kurzem sogar noch einmal Vater geworden.
Moderator: Herzlich Willkommen, Uli Roth.
Uli Roth: Hallo.
Moderator: Uli, sei doch so lieb, erzähl uns deine Geschichte. Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Uli Roth: Wir hatten ein wunderbares Leben. Sehr behütet aufgewachsen, mit meinen drei Geschwistern und auch mit meinem eineiigen Zwillingsbruder Michael. Wir waren eine sehr sportliche Familie, mein Vater war ja Basketball-Nationalspieler und Handball Bundesliga Spieler am Ende. So war der Weg über den Sport vorbestimmt in unserer Familie. Schulisch total versagt, alles in den Sport gelegt und in das Leben. Wir haben dann allerdings das Leben gelebt und daraus profitiert, unsere Erfahrungen gesammelt, sodass am Ende doch etwas aus uns geworden ist.
Moderator: Wie kam es zu der Krebsdiagnose?
Uli Roth: Mein Bruder war der erste Diagnostizierte. Für ihn war es eine Schockdiagnose. Er wollte eigentlich zu einer Magen-Darm-Spiegelung, die ich ihm empfohlen hatte. Bei dieser Spiegelung und der Blutabnahme, kam dann ein überaus hoher PSA-Wert (“Prostataspezifisches-Antigen” Anm. d. Red.) raus, mit der späteren Diagnose über die Biopsie zum Karzinom in der Prostata.
Moderator: Du warst der Zweitgeborene und hast die Diagnose “Prostatakrebs” auch als Zweiter erhalten.
Uli Roth: Ich hab den ganzen Prozess mit meinem Zwillingsbruder durchlebt. Ich war ja erst im Januar 2009 bei meiner Routineuntersuchung mit einem leicht erhöhten PSA, aber nie besorgniserregend. Dass es mich auch treffen kann, die Sorge hatte ich dann auch, weil wir unsere Krankheiten in der Regel immer geteilt haben. Aber dass es dann so schnell kam war für mich, aber auch für die Mediziner kaum erklärbar.
Moderator: Wieviel Zeit lag zwischen der Diagnose bei Michael und bei dir?
Uli Roth: Mein Bruder wurde Ende März diagnostiziert, 2009 und ich dann im Juni 2009.
Moderator: Was war die erste Reaktion, die dir durch den Kopf gegangen ist, als der Arzt zu dir gesagt hat “Herr Roth, Sie haben Prostatakrebs”?
Uli Roth: Man denkt immer, da muss sich doch einer getäuscht haben, das Glas irgendwie vertauscht haben. Und Krebs steht ja auch erstmal dafür schwach zu sein. Man ist nicht schwach als Krebskranker, man hat nämlich auf einmal Kräfte und Stärken, die ein gesunder Mensch gar nicht so entwickeln kann. Da spielen dann auf einmal Dinge eine Rolle; dass man sich wieder mit dem Glauben auseinandersetzt. Dieses “Gott sei Dank” war eine Floskel.
Moderator: Uli, im Buch habt ihr es wie folgt beschrieben. Da schreibt ihr “Es war die Diagnose Prostatakrebs, die hat uns getroffen wie ein Blitz an einem Sonnentag”.
Uli Roth: Also bei meinem Bruder trifft das zu 100 Prozent zu, weil er völlig unvorbereitet betroffen war, wie das ja bei vielen anderen Krebsdiagnosen auch so ist. Bei mir war es dann der schleichende Prozess und dann wusste ich, ich werde das alles auch genau wie er, in kurzer Zeit durchleben.
Moderator: Da drängt sich die Frage auf: Ist das leichter zu akzeptieren, wenn der Zwillingsbruder das Prozedere schon durchlitten und durchlebt hat und einem vielleicht sogar als gutes Beispiel voran geht? Oder macht es das schwerer?
Uli Roth: Das ist eine gute Frage. Wenn ich es mir heute aussuchen könnte, würde ich den Prozess genauso lieber als Zweiter haben, mit der Erfahrung zu wissen was auf mich zukommt. Bei meinem Bruder waren natürlich sehr viele ungeklärte Fragen. Kommt Chemo? Fallen die Haare aus? Kann es zum Tod führen? Die Ängste, die er durchlebt hat, die hab ich mit ihm zusammen durchlebt. Nur nicht als Betroffener erstmal, sondern nur als Zwilling, der seinen Bruder wahnsinnig liebt und ihm natürlich helfen und ihn moralisch aufbauen will. In der Rolle hab ich mich damals gesehen und nicht selbst als Betroffenen.
Moderator: Welche Träume wurden als du die Diagnose erhalten hast gestoppt, welche wurden auf Eis gelegt und welche haben dir besonders viel Kraft gegeben?
Uli Roth: Durch den Schock der Diagnose hast du erstmal überhaupt keinen Traum. Du kannst bei einer Krebsdiagnose auch nicht nach vorne denken. Du musst eigentlich von Stunde zu Stunde entscheiden und auch leben. Aber ich glaube, wenn man dann wieder ins Fahrwasser kommt – man hat vieles geschafft und es entwickelt sich positiv – dann kommen die Träume schnell zurück. Und es kommen ein paar neue hinzu.
Moderator: Gab es irgendwann einen Punkt, Uli, wo du gedacht hast “ich schaffe es nicht”?
Uli Roth: Wenn man es mal ganz sportlich sieht, haben wir es angenommen, es analysiert, es auch soweit es ging schnell mit uns selbst ausgemacht und einen straffen Plan entwickelt. Also auch Zeitpläne. Es wurde gesagt: Hier ist die OP, so lange muss ich im Krankenhaus sein, da bleibe ich noch eine Woche in Hamburg, da wird der Katheter gezogen, da setzte ich mich ins Flugzeug und fliege drei Wochen nach Mallorca.
Moderator: Das klingt doch nach sehr viel Selbstbestimmtheit.
Uli Roth: Ja, und auch Selbstdisziplin. Die Disziplin, sich nur in dem Moment um das zu kümmern, was wichtig ist, für jeden auch wichtig sein muss. Man kann auch Trost aufnehmen und es tut einem auch gut, aber das was passiert, muss man mit sich selbst ausmachen.
Moderator: Du hast ja in eurem Buch geschrieben “Ich musste erstmal lernen, das Wort “Krebs” auszusprechen”.
Uli Roth: Es ist ja so, dass bei Diagnose Gesprächen auch die Ärzte das Wort “Krebs” gerne umgehen. Karzinom, Tumor… Dass man jetzt selbst an Krebs Erkrankter ist, muss man erstmal verdauen. Und deshalb ist eine Hürde, das Wort in seinem Sprachgebrauch zu nutzen. Aber Krebs ist Krebs. Wenn du das einmal hattest, bleibst du durch die Krankheit auch geprägt, weil du auf einer Seite bist mit den Krebserkrankten und die anderen sind die Gesunden. Man muss trotzdem versuchen sein Leben positiv zu gestalten und es anzunehmen.
Moderator: Was ist denn die größte Hürde beim Annehmen?
Uli Roth: Das Wichtigste ist erstmal zu sagen: Ich habe es. Ich muss es meinen Liebsten sagen, meinen Freunden, meinen Bekannten und ich muss kein Geheimnis draus machen. Das was innen drin stattfindet, ist wie eine Atombombe und die hemmt, die blockiert und wenn man die zu lange mit sich herumträgt oder nur im kleinsten Kreise ausmacht, das befreit nicht. Ich kann nur jedem die Empfehlung geben offen zu sein damit.
Moderator: Uli, was ist deine Definition eines CancerSurvivors?
Uli Roth: Von der Diagnose des Annehmens, sich die Zeit dafür nehmen. Alles andere mal nicht so wichtig zu erklären. Das ist eine Empfehlung, die ich immer wieder Betroffenen gebe. Dass man es annimmt und durchkämpft. Bis dahin, wo man entweder als ganz gesund gilt oder bis eben das Schlimmste eintreten kann, dass der Krebs einen besiegt hätte; aber bis dahin eben auch noch gelebt hätte. Weil jeder, der den Prozess durchlebt hat, hat sich ja nichts Anderes gewünscht, als weiter zu leben.
Moderator: Nach fünf Jahren Remission giltst du, Uli, aber auch dein Bruder Michael als geheilt. Wie fühlt sich das für euch an?
Uli Roth: Also nach den fünf Jahren haben wir eine Party gemacht. Mit den allerbesten Freunden und der Familie. In der Zeit bis dahin gab es natürlich auch viele Sorgen und Ängste, dass es zurückkommen könnte.
Moderator: Wie lebst du heute? Was machst du?
Uli Roth: Ich bin in meinen Beruf verliebt und mit ihm verheiratet und mit meiner tollen Frau. Meine Lebenspartnerin – jetzt Frau – hat einen Kinderwunsch gehabt, den ich mitgetragen habe. Das ging dann nur auf dem künstlichen Wege, das war die Erfahrung. Wir leben eine neue kleine Familie. Ich bin eigentlich ein sehr zufriedener, glücklicher Mensch im Moment.
Moderator: Jetzt bist du Musikmanager der Popgruppe PUR. Wie hat deine Band damals reagiert, als du gesagt hast “Leute, ich hab Krebs. Ich werde für eine längere Zeit ausfallen”?
Uli Roth: Es gibt ja bei uns zwei Highlander, wie wir es selbst nennen. Das ist Hartmut, Sänger, Frontmann und der, der die Band nach außen repräsentiert. Auf der Bühne ein unfassbar guter Frontmann ist und ein Dirigent der Massen. Und ich bin so der Highlander unter, hinter, neben der Bühne. Ich war immer so der Fels in der Brandung, der Unerschütterbare. Immer als letztes ins Bett, als erstes raus. Das Symbol für “großer, starker Mann”. Und deshalb war es für die Band ein Schock, das habe ich gespürt. Es gab eine besondere Begegnung, die ist auch im Buch beschrieben. Nach der Operation, zehn Tage nach der Krankenhauszeit, war ich in einem Hamburger Hotel und Ingo und Hartmut haben mich besucht. Ich wog damals bestimmt 8-10 Kilo weniger als vorher und das war der Moment, wo ich für mich wahrgenommen habe, sie sehen jetzt einen Kranken. Das war für mich eine Begegnung der besonderen Art und für Hartmut und Ingo denke ich auch.
Moderator: Wir sind ja heute hier auf einem Handballfeld, in einer Handballhalle. Das ist nicht zufällig gewählt, du hast unglaublich viele Titel gewonnen, Olympia, Silbermedaille, deutscher Meister geworden. Wenn du all diese Erfolge nimmst: CancerSurvivor, Vater, Musikmanager oder Handballer. Welcher wiegt am meisten?
Uli Roth: Am Ende bleibt doch immer -das Klingt manchmal banal, aber so ist es eben- die Gesundheit. Die Gesundheit steht für das Leben und für die Lebensqualität, wie kann ich mein Leben leben.
Moderator: Wie und worin hat dich die Krankheit verändert im Sinne von Abgrenzung, auch mal “Nein” zu sagen, wo man früher vielleicht doch auch “Ja” gesagt hätte. Ich zitiere das mal aus dem Buch: “Als Partylöwen waren wir überall dabei, hatten das Gefühl etwas zu verpassen. Wie waren die letzten auf jeder Party, haben meistens das Licht abgedreht. Es war für uns selbstverständlich, die Letzten sein zu müssen, weil es von uns erwartet wurde”. Wie sieht das heute aus?
Uli Roth: Die Auswahl der Partys, auf die man geht hat sich deutlich verändert und reduziert. Das gilt übrigens nicht nur für Partys, sondern auch für Treffen im Freundeskreis. Überhaupt das ganze Time Management hat sich verändert, dass es auch stressige Phasen gibt, aber dann auch wieder die ruhigen Phasen. Die haben wir dann auch, die nehme ich mir auch. Da kann dann auch passieren was will. Was mir gut tut ist die Auswahl der Freunde. Dass mir manche oberflächliche Beziehung oder Freundschaft gar nicht mehr so wichtig ist, wie ich das vorher glaubte und sie dadurch beendet habe.
Moderator: Was hast du durch die Krebserkrankung verloren und was hast du gewonnen?
Uli Roth: Verloren, habe ich, dass ich keinen Samenerguss mehr habe.
Moderator: Man nennt das auch glaube ich “trockenen Orgasmus”.
Uli Roth: Genau, trockenen Orgasmus. Das erinnert mich auch immer wieder, dass das war. Das ist natürlich auch nachhaltig immer noch im Kopf. Und auf der anderen Seite hat es mir einen Erfahrungsschatz gegeben, eine Zäsur in meinem Leben, die in der Nachbetrachtung zum richtigen Zeitpunkt kam. Um jetzt den letzten Abschnitt des Lebens etwas bewusster, nicht ganz so an der Oberfläche schwimmend zu durchleben. Da spielt das Wort “Dankbarkeit” eine große Rolle in unserem Leben. Dankbar zu sein dafür, dass man gesund weiterleben darf. Auch mit dem Bewusstsein, dass es einen treffen kann. Da ist keiner vor geschützt leider Gottes.
Moderator: Uli, wir sind am Ende unseres Gespräches angekommen. Mir bleibt mich ganz herzlich bei dir zu bedanken, dass du dir heute die Zeit genommen hast uns so offen über deine Erkrankung, aber auch über dein Leben einen Einblick zu gewähren. Vielen lieben Dank. Dir persönlich alles Gute, das war ein schönes Wiedersehen.
Transcript
Unser heutiger Gast war schon in vielen Talkshows zu sehen.Zusammen mit seinem Zwillingsbruder hat er viel dazu beigetragen, dass Mu00e4nner offener und besser u00fcber Krebsfru00fcherkennung und Krebspru00e4vention sprechen ku00f6nnen.2009 erkrankten die Gebru00fcder Uli und Michael Roth nahezu zeitgleich an der mittlerweile hu00e4ufigsten Krebsart bei Mu00e4nnern, dem Prostatakarzinom.Die Therapie und Operation war bei beiden, bei Uli und Michael, erfolgreich.Nach 5 Jahren Remission gelten sie heute beide als geheilt.
Ich freue mich sehr, dass 1 von ihnen jetzt auf dem roten Survivor Chair Platz genommen hat und unter anderem u00fcber sein spannendes Leben als Nationalhandballspieler, Manager der Musikgruppe pur, aber vor allem als Cancer Survivor sprechen wird.Mit 54 Jahren steht er wieder mitten im Leben und ist vor Kurzem sogar noch einmal Vater geworden.Herzlich willkommen Uli Roth.Hallo.Uli, sei doch so lieb, erzu00e4hl uns deine Geschichte.
Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Wir hatten ein wunderbares Leben, sehr behu00fctet aufgewachsen mit meinen 3 Geschwistern und auch mit meinem eineigen Zwillingsbruder Michael.Sehr sportliche Familie, mein Vater war ja Basketballnationalspieler und Handballbundesligaspieler am Ende.So war der Weg u00fcber den Sport vorbestimmt in unserer Familie.Schulisch total versagt, alles in den Sport gelegt und in das Leben, allerdings dann auch haben wir das Leben gelebt und aus dem Leben heraus profitiert und unsere Erfahrungen gesammelt, sodass aus uns dann doch am Ende noch was geworden ist.
Wie kam's zu der Krebsdiagnose?
Mein Bruder war der Erstdiagnostizierte.Fu00fcr ihn war's eine Schockdiagnose.Er wollte eigentlich zu 1 Magen Darm Spiegelung, die ich ihm empfohlen hatte und bei dieser Magen Darm Spiegelung und der Blutabnahme kam dann beim PSA Wert ein u00fcberaus hoher Wert mit der spu00e4teren dann folgenden Diagnose u00fcber die Biopsie eben zum Karzinom in der Prostata.
Du warst der Zweitgeborene und hast die Diagnose Prostatakrebs auch als Zweiter erhalten.
Ja gut, ich hab den ganzen Prozess mit meinem Zwillingsbruder durchlebt.Und ich war ja damals 2009 im Januar erst bei meiner Routineuntersuchung mit einem leicht erhu00f6hten PESA, aber nie besorgniser Regen.Dass es mich treffen kann als Einlagerzinomus wurde, die Sorge hatte ich dann auch, weil wir in der Regel unsere Krankheiten immer geteilt haben.Aber dass es dann so schnell kam, das war dann fu00fcr mich, aber auch fu00fcr die Mediziner kaum erklu00e4rbar.
Wie viel Zeit lag zwischen der Diagnose bei Michael und bei dir?
Also mein Bruder wurde Ende Mu00e4rz diagnostiziert 2009 und ich dann im Juni 2009.
Was war die erste Reaktion, die dir durch den Kopf gegangen ist, als der Arzt zu dir gesagt hat, Herr Roth, Sie haben Prostatakrebs?
Man denkt immer, da muss doch das muss da muss doch 1 getu00e4uscht haben, Glas vertauscht irgendwie.Und Krebs steht ja auch erst mal so fu00fcr, ja, man ist schwach, ja?Man ist nicht schwach als Krebskranke.Man hat nu00e4mlich auf einmal Kru00e4fte und Stu00e4rken, die ein gesunder Mensch so gar nicht entwickeln kann.Da spielen dann auch auf einmal Dinge eine Rolle, dass man sich mit dem Glauben mal wieder auseinandersetzt, ja?
Mit mit dem Gott sei Dank, ja?Dieses dieses Gott sei Dank war, ja, es war eine Floskel.Uli, im Buch habt
ihr das wie folgt beschrieben.Da schreibt ihr, es war die Diagnose Prostatakrebs, die hat uns getroffen wie ein Blitz an einem Sonnentag.
Also bei meinem Bruder trifft es zu 100 Prozent zu, weil er vollkommen unvorbereitet wie bei vielen anderen Krebsdiagnosen dann auch betroffen war.Bei mir war's dann der schleichende Prozess und dann wusste ich, ich werde das alles auch in kurzer Zeit genauso durchleben wie er.
Dru00e4ngt sich die Frage auf, ist das leichter zu wenn der Zwillingsbruder das Prozedere schon durchlitten und durchlebt hat und einem vielleicht sogar als gutes Beispiel vorangeht oder macht's das schwerer?Das ist eine
gute Frage.Wenn ich mir's heute raussuchend wu00fcnsche, wu00fcrde ich den Prozess fu00fcr mich genauso noch mal lieber als Zweiter haben mit der Erfahrung zu wissen, was kommt auf mich zu.Weil bei meinem Bruder waren natu00fcrlich sehr viele ungeklu00e4rte Fragen.Kommt Chemo, fallen die Haare aus?Kann es zum Tod fu00fchren?
Die u00c4ngste, die er durchlebt hat, die hab ich mit ihm durchlebt, aber nicht nur nicht als Betroffener erst mal, sondern nur als betroffener Zwillingsbruder, der seinen Bruder wahnsinnig liebt und ihm natu00fcrlich helfen und und moralisch aufbauen will.In der Rolle hab ich mir damals gesehen und nicht selbst als Betroffener.
Welche Tru00e4ume wurden, als Du die Diagnose erhalten hast, gestoppt?Welche wurden auf Eis gelegt?Und welche haben dir besonders viel Kraft gegeben?
Durch den Schock der Diagnose hast Du erst mal u00fcberhaupt gar keinen Traum.Du kannst bei Krebsdiagnose auch nicht nach vorne denken.Du musst es eigentlich von Stunde zu Stunde entscheiden und auch leben.Aber ich glaube, wenn man dann auch wieder ins Fahrwasser kommt, man hat vieles jetzt geschafft und es entwickelt sich auch positiv, dann kommen die Tru00e4ume, die man getragen hat, schnell zuru00fcck und es kommt man neu hinzu.
Gab es irgendwann einen Punkt, Uli, wo Du gedacht hast, ich schaffe es nicht?
Man's mal ganz sportlich sieht, haben wir es angenommen, ja, haben's analysiert, haben es auch, soweit es damals dann ging, auch schnell mit uns selbst ausgemacht und straffen Plan entwickelt, ja, also auch Zeitplan.Da wurden sofort gesagt, hier ist die OP.So lang muss ich im Krankenhaus sein, dann bleib ich noch eine Woche in Hamburg, da wird der Katheter gezogen, da setz ich mich ins Flugzeug, flieg 3 Wochen nach Mallorca.
Und das klingt auch nach sehr viel Selbstbestimmtheit.
Ja, und auch Selbstdisziplin.Also ich glaube, dass man die Disziplin, sich nur in dem Moment das zu ku00fcmmern, was wichtig ist, fu00fcr jeden auch wichtig sein muss.Man kann auch Trost aufnehmen, ja?Und das tut einem auch gut, aber das, was passiert, muss man mit sich selbst ausmachen.
Du hast in eurem Buch geschrieben, ich musste erst mal lernen, das Wort Krebs auszusprechen.
Es ist ja auch so, dass man beim Diagnosengespru00e4ch auch auch die u00c4rzte zum Teil das Wort Krebs ja gerne umgehen, ja.Karzinom, Tumor, ja.Dass man jetzt selbst an Krebs erkrankter ist, das muss man erst mal mit sich ausmachen und verdauen.Und deshalb ist es eine Hu00fcrde, das Wort dann auch fu00fcr seinen Sprachgebrauch so zu nutzen.Aber Krebs ist Krebs und wenn Du einmal Krebs hattest, dann bist Du auch durch das Wort und durch die Krankheit bleibst Du auch gepru00e4gt, weil Du bist auf der der anderen Seite des Flusses, wo die Krebs erkranken sind und die anderen sind die Gesunden.
Man muss trotzdem versuchen, sein Leben positiv weiter zu gestalten und es anzunehmen.
Was ist denn die gru00f6u00dfte Hu00fcrde beim Annehmen?
Also erst mal zu sagen, ich hab's.So, das ist das Wichtigste.Ich ich muss es meinen Liebsten sagen.Und ich muss es meinen Freunden sagen, ich muss es auch meinen Bekannten sagen und ich muss es auch kein kein Geheimnis draus machen, weil das, was ihnen stattfindet, ist wie eine Atombombe, ja?Und die hemmt, die die blockiert.
Und wenn man sie lange, zu lange fu00fcr sich alleine mit sich rumtru00e4gt oder nur im ganz kleinsten Kreise ausmacht, das das das befreit nicht.Also ich kann nur jedem die Empfehlung offen sein damit.
Uli, was ist deine Definition 1 Cancer Survivors?
Von der Diagnose des Annehmens die Zeit, sich dafu00fcr zu nehmen und alles andere mal fu00fcr nicht so wichtig zu erklu00e4ren.Das ist auch eine Empfehlung, die ich immer wieder Betroffenen sag.Und dass man, ja, es annimmt und es durchku00e4mpft bis bis dahin, wo man entweder als ganz gesund gilt oder eben bis das Schlimmste eintreten kann, dass der Krebs einen besiegt hu00e4tte, aber bis dahin eben auch noch gelebt hat.Weil jeder, der den Prozess durchlebt hat, hat sich ja nichts anderes gewu00fcnscht, wie weiterzuleben.
Nach 5 Jahren Remission giltst Du, Uli, aber auch dein Bruder Michael als geheilt.Wie fu00fchlt sich das fu00fcr euch an?
Also nach den 5 Jahren haben wir eine eine Party gemacht mit den allerbesten Freunden und der Familie.In der Zeit bis dahin gab's natu00fcrlich auch schon viele Sorgen und auch u00c4ngste, dass es zuru00fcckkommen ku00f6nnte.
Wie lebst Du heute?Was machst Du?
Ja gut, ich bin mit meinem Beruf verheiratet und verliebt und mit meiner tollen Frau und meine Lebenspartnerin oder jetzt Frau hat Kinderwunsch gehabt, den ich mitgetragen habe.Das ging dann nur auf dem ku00fcnstlichen Weg, das war auch eine neue Erfahrung.Und leben eine neue kleine Familie.Bin eigentlich ein sehr zufriedener, glu00fccklicher Mensch im Moment.Jetzt bist
Du Musikmanager der Popgruppe pur.Wie hat deine Band damals reagiert, als Du gesagt hast, Leute, ich hab Krebs, ich werd fu00fcr eine lu00e4ngere Zeit ausfallen?
Ja, es gibt ja bei uns 2 Highlander, wie wir's selbst nennen.Das ist Hartmuth, Su00e4nger, Frontmann und der die Band nach auu00dfen repru00e4sentiert auf der Bu00fchne, unfassbar guter Frontmann ist und und ein Dirigent der Massen.Und ich bin so der Heiler hinter oder unter oder neben der Bu00fchne, ja.Ich galt immer so der Fels in der Brandung und der Unerschu00fctterbare und als Letztes ins Bett, als Erstes raus, die das Symbol fu00fcr grou00dfer, starker Mann.Und deshalb war's fu00fcr die Band Schock, ja?
Das hab ich gespu00fcrt.Aber es gab eine besondere Begegnung, die ist auch im Buch beschrieben.Nach der Operation, 10 Tage danach, war ich dann in einem Hamburger Hotel nach der Krankenhauszeit und Ingo und Hartmut haben mich besucht in Hamburg.Ich hatte damals ja bestimmt bestimmt 8 bis 10 Kilo weniger wie vorher.Und das war der Moment, wo ich wo ich fu00fcr mich wahrgenommen hab, Sie sehen jetzt hier einen Kranken.
Und das war fu00fcr mich sone Begegnung der besonderen Art und fu00fcr Hartmut und Ingo, denk ich, auch.Wir sind
ja heute hier auf einem Handballfeld in 1 Handballhalle, das ist nicht zufu00e4llig gewu00e4hlt.Du hast unglaublich viel Titel gewonnen, Olympiasilbermedaille, deutscher Meister geworden.Wenn Du all diese Erfolge nimmst, cancer survivor, Vater, Musikmanager oder Handballer, welcher wiegt am meisten?Also am Ende bleibt doch immer, das klingt manchmal banal, aber
so ist es eben, die Gesundheit, ja?Weil die Gesundheit steht fu00fcr die die das Leben und fu00fcr die Lebensqualitu00e4t.Wie kann ich mein Leben leben?
Wie und worin hat dich die Krankheit veru00e4ndert im Sinne von auch Abgrenzung?Also auch mal nein zu sagen, wo man fru00fcher vielleicht doch eher ja gesagt hu00e4tte.Ich zitier das mal aus dem Buch.Als Partylu00f6wen waren wir u00fcberall dabei, hatten das Gefu00fchl, etwas zu verpassen.Wir waren die Letzten auf jeder Party, haben meistens das Licht abgedreht.
Es war fu00fcr uns selbstverstu00e4ndlich, die Letzten sein zu mu00fcssen, weil es von uns erwartet wurde.Wie sieht das heute aus?
Die Auswahl der Partys, auf die man hingeht, hat sich deutlich veru00e4ndert und reduziert.Das gilt u00fcbrigens nicht nur fu00fcr die Party, das gilt auch fu00fcr Treffen im Freundeskreis oder u00fcberhaupt fu00fcr das ganze Timemanagement hat sich veru00e4ndert.Also das stressige Phasen es gibt, aber dann brauche brauche ich schon wieder die ruhen Phasen, die ruhigen Phasen und die haben wir dann auch, die nehm ich mir dann auch.Und da kann auch passieren, was will.Was mir guttut, ist die Auswahl der Freunde, dass sich manche oberflu00e4chliche Beziehung oder Freundschaft es mir gar nicht mehr so wichtig war, wie ich das vorher glaubte und sie dadurch beendet habe.
Was hast Du durch die Krebserkrankung verloren und was hast Du gewonnen?
Verloren habe ich, dass ich keinen Samenerguss mehr habe, dass mir auch immer wieder
Also man nennt es, glaube ich, auch trockenen
Trockenen Orgasmus, ja, das erinnert mich immer wieder daran, dass das war.Das ist auch nachhaltig immer noch im im Kopf natu00fcrlich drin.Und auf der anderen Seite hat's mir, ja, einen Erfahrungsschatz gegeben, eine Zu00e4sur in meinem Leben, die in der Nachbetrachtung zu dem richtigen Zeitpunkt vielleicht auch kam, jetzt den letzten Abschnitt des Lebens eben etwas anders, etwas bewusster, nicht ganz so an der Oberflu00e4che schwimmend zu durchleben.Und da spielt das Wort Dankbarkeit eine grou00dfe Rolle in unserem Leben, dankbar zu sein fu00fcr, dass man gesund weiterleben darf.Und auch mit dem Bewusstsein, dass es einen treffen kann.
Da ist keiner davor geschu00fctzt, leider Gottes.
Ulrich, wir sind am Ende unseres Gespru00e4ches angekommen.Mir bleibt mich ganz herzlich bei dir zu bedanken, dass du dir heute die Zeit genommen hast, uns so offen u00fcber deine Erkrankung, auch u00fcber dein Leben einen Einblick zu gewu00e4hren.Vielen lieben Dank, dir persu00f6nlich alles Gute.Es war ein schu00f6nes Wiedersehen und gerne wieder.Mach's gut u00fcber ihn.
Vielen Dank.
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